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Viele, die Frieden wollen und Krieg fürchten, atmeten auf, als sich nach längerem Hin und Her die Regierung der Vereinigten Staaten bereit erklärte, gemäß der von ihr mitunterzeichneten Charta der Vereinten Nationen, das Votum des Sicherheitsrates zu suchen und sich ihm "zunächst" zu beugen. Am 8. November hat der Sicherheitsrat (Resolution 1441) eindeutige und zeitlich bis Februar 2003 knapp begrenzte Auflagen an die Regierung des Irak formuliert. Er verlangt eine restlose Aufklärung über das Ob und das Wie, über Art und Umfang von Massenvernichtungswaffen, die der Irak den geheimdienstlichen und geheimgehaltenen Informationen der USA zufolge besitzen soll. Zugleich verlangt er, so vorhanden, deren Zerstörung. Eine Kommission der Vereinten Nationen unter dem Schweden Hans Blix ist in der Zwischenzeit in den Irak gereist. Nun scheint alles vom Irak und dem Regime des Saddam Hussein abzuhängen. Über die Ergebnisse der Blix-Waffenprüfungskommission wird erneut der Sicherheitsrat befinden; ob der Bericht ausreicht ist und was folgt, wenn der Bericht für nicht ausreichend erklärt wird, das entscheidet erneut der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Ein unmittelbarer und einseitiger Krieg der USA oder weniger Länder unter Führung der USA entgegen der Charta der Vereinten Nationen scheint vorerst vermieden. Doch dieser Anschein, nun habe die UNO über Krieg oder Frieden zu entscheiden, könnte sich schnell als Wunschdenken erweisen, denn die Einigung im Sicherheitsrat ist lediglich ein aufschiebender Formelkompromiß. Das wird schon aus den Formulierungen dieser Irakresolution, vor allem aber aus den Stellungnahmen der Mitglieder des Sicherheitsrats deutlich. Die USA haben die anderen 14 Mitglieder unter ungeheuren Druck gesetzt. Sie haben ihre Sicht der irakischen Dinge durchgesetzt. Genaue öffentliche Informationen über den Stand der (angeblichen) Massenvernichtungswaffen des Irak stehen bis heute aus (ganz davon zu schweigen, daß niemand auf den naheliegenden, aber offenbar unerhörten Gedanken kam, auch die USA dazu anzuhalten, auf ihre Massenvernichtungswaffen zu verzichten). Die schier totale Definitionsmacht der USA zeigt sich im Text der Resolution und in der enorm knappen Fristsetzung für die Kommissionsarbeit. Deren Vorsitzender wird von den USA schon jetzt stark bedrängt. Allerdings ist der Text interpretierbar. Der französische und der russische UN-Vertreter loben ihn, weil er jede Kriegsautomatik beseitige, also die Entscheidung über Krieg und Frieden in den Händen der UNO belasse. Zwei separate Schritte seien zu machen. Der erste: die Überprüfung durch die Blix-Kommission bis zum Ende Februar nächsten Jahres. Der zweite: die Entscheidung des Sicherheitsrats, die in jeder Richtung offen sei, auch in Richtung möglicherweise zu wählender Sanktionen gegen den Irak. Dieser Interpretation steht allerdings die des US-amerikanischen Präsidenten entgegen. Seine Erklärung läßt keinen Zweifel offen: Wenn der Blix-Bericht aus Sicht der US-Regierung in irgendeiner Weise negativ ausfällt, dann muß der Sicherheitsrat sofort auf Krieg entscheiden, oder die USA führen ihn allein. Angenommen, die UNO würde in US-amerikanischem Sinne entscheiden. Ist dann nicht alles in bester Ordnung? Die UNO-Charta wäre dann wenigstens formell eingehalten. Substantiell aber würde sie durch den Sicherheitsrat selbst verletzt. Auf die UNO zu setzen ist richtig. Sie zu stärken auch. Nur, die UNO zu behandeln wie ein gläubiger Katholik den unfehlbaren Papst, das wäre ganz und gar falsch. Die UNO ist eine Organisation aus Staaten, ein Bündel herrschender Exekutiven also. Und moderne Staaten sind immer potentiell kriegsgerichtet. Auch ist diese sogenannte Staatengemeinschaft in sich ungeheuer ungleich. Die Vereinten Nationen werden von den auch sonst mächtigsten Staaten dominiert, am meisten von den USA. Je nach politischem Gutdünken beteiligt sich die Supermacht an der Bezahlung der UN-Aktivitäten oder verweigert sich. Zuckerbrot und Peitsche. Falls also der über Krieg oder Frieden kollektiv entscheidende Sicherheitsrat für Krieg votiert, kann das viele Gründe haben, die mit dem Konflikt nichts oder nur am Rande zu tun haben. Nicht zuletzt auch deshalb, weil viele mächtige Staaten von inneren Konflikten geschüttelt werden und gern die "antiterroristische" Rechtfertigung wählen, um mit Gegnern im eigenen Land kriegerisch fertig zu werden. Siehe Rußland/Tschetschenien. Kurzum: Es ist ein historischer Fortschritt, daß gemäß der Charta der Vereinten Nationen von 1945, Kriege, die einzelne Staaten vom Zaun brechen, keine Legitimation mehr haben. Die UNO und ihr Sicherheitsrat bieten jedoch keine Friedensgarantie. Und wenn sie gar entscheiden, daß ein Krieg - wie 1990/91 der erste gegen den Irak - geführt werden dürfe (Resolution 678), hat das wenig mit Weltgerechtigkeit zu tun. Der UN-Sicherheitsrat kann die Bürgerinnen und Bürger der Staaten der Welt nicht von eigenem Handeln für den Frieden entlasten - auch keinen demokratischen Staat, der menschenrechtlich etwas auf sich hält. Wir selber müssen die Politik in Richtung Frieden bewegen, müssen uns selbst bewegen, denn Frieden braucht Bewegung. Wir müssen jetzt vor allem gegen einen neuen Golfkrieg aktiv werden. Die Vereinten Nationen, von den USA nicht zu reden, bieten keinen Grund, unser Engagement für den Frieden an sie abzutreten. Wir sind's, auf die es ankommt. Kontext:
Erschienen in Ossietzky 24/2002 |
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