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Chefredakteur Kai Gniffke, wegen seines auf transatlantisch-konformistischem Kurs dampfenden »Flaggschiffs der deutschen Fernsehnachrichten« unter Rechtfertigungsdruck: »Mit dem Faktenfinder möchten wir u. a. im Hinblick auf den Bundestagswahlkampf gerüstet sein, wenn bundespolitisch relevante Falschmeldungen oder Verleumdungen auftauchen sollten.« Hier will einer nicht nur seinen Job machen und ordentlich berichten, sondern für die Regierung den Aufpasser spielen und aus eigener marktbeherrschender Position heraus frech bestimmen, ob andere sauber sind. Bereits am 5. April hätte der neue »Faktenfinder« die eigene Tagesschau-Meldung »Nach mutmaßlichem Giftgas-Einsatz« als verleumderisch markieren können. Der Titel insinuierte verbrecherische Absicht (Assads Armee, wer sonst) und schloss wesentlich plausiblere andere Erklärungen aus, inklusive eine False-Flag-Operation. Inflationär verwendet die Tagesschau verschwiemelnde Wörter wie »mutmaßlich«, »offenbar«, »anscheinend« und so weiter. Sie gibt sich damit den Anschein distanzierter Seriosität, obwohl sie nichts als Behauptungen oder Spekulationen weitersagt, die sie nicht verifizieren konnte oder wollte. Schamlos verbreitet die Redaktion sogar bloße Gerüchte zum Beispiel der obskuren Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte und relativiert hernach mit Unschuldsmiene: »Die Berichte lassen sich nicht unabhängig überprüfen.« Ja, weshalb sendet man sie dann überhaupt? Die Tagesschau bläst nahezu täglich Propagandaschwaden in die Wohnstuben von mehr als elf Millionen Fernsehzuschauern. »Der von Russland als völkerrechtswidrig bezeichnete Luftschlag der USA ...«, meldet die Redaktion, hält den Vorfall damit wertneutral und sich selbst mit dieser Formulierung feige heraus. Es war ein völkerrechtswidriger Angriff der USA. Nur sagt das die Tagesschau so nicht. Nein, Entschiedenheit demonstrieren die Qualitätsjournalisten der ARD-aktuell nur, wenn »der Russe« dran ist. Beispiel: »die Annexion der Krim«. Obwohl es – anders als beim US-Raketenbeschuss eines syrischen Flughafens – durchaus kein juristisches Dogma ist, beim Wechsel der Krim in die Russische Föderation sei dergestalt das Völkerrecht gebrochen worden. Doch Anschuldigungen der USA an die russische Adresse werden eins zu eins wiedergegeben, und seien sie noch so abstrus. Die vorgebliche Einmischung russischer Hacker in den US-Wahlkampf sei hier pars pro toto genannt. Gemäß Beschluss der ARD-Intendanten »verstärken befristet entsandte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Landesrundfunkanstalten das ›Faktenfinder‹-Team. [...]. Der ›Faktenfinder‹ arbeitet werktäglich mit vier, an Wochenenden mit zwei Redakteurinnen und Redakteuren«, verkündete die ARD in einer Pressemitteilung. ARD-aktuell-Faktoten auf Faktensuche. Prächtig. Faktenfinder-Praxis: Da wird auf Biegen und Brechen versucht, Erkenntnisse über die Giftgasangriffe im syrischen Ghouta anno 2013 zu marginalisieren oder sie gleich ganz außer Betracht zu lassen. Dokumentationen, es habe sich bereits damals um eine False-Flag-Aktion gehandelt, lässt ARD-aktuell links liegen. Trotz der langen Liste an Indizien, die allesamt die Syrer von dem Verdacht entlasten, Chemiewaffen im eigenen Land eingesetzt zu haben, hält ARD-aktuell am Verdacht gegen die syrische Armee als gewohnheitsmäßigem Giftgas-Verwender fest. Unter dieses löchrige »Dach« stellt sie auch ihren Beitrag zu den neuerlichen Giftgasvorfällen in Syrien. Der Faktenfinder am 7. April: »Mehr als sechs Jahre dauert der Syrienkrieg nun schon, immer wieder gab es Kriegsverbrechen. Bestrafen konnten die UN sie jedoch nie – auch weil Russland bereits sieben Resolutionen durch sein Veto blockierte. Ein Überblick.« Darin zählt tagesschau.de sieben Resolutionen in englischer Sprache auf. Das Ganze läuft hinaus auf: »Seht her, der Russe ist gegen die Ahndung von Kriegsverbrechen«. Der »Faktenfinder« verschweigt, dass die letzten von Russland blockierten Syrienresolutionen von den USA so abgefasst worden waren, dass sie inakzeptable Vorverurteilungen darstellten. Er unterschlägt vor allen Dingen, dass die USA in ihren Resolutionsentwürfen eine Kriegsbewilligung gemäß Kapitel 7, Artikel 42 ff. der UN-Charta beantragten. Sie wollten den UN-Segen für ihr militärisches Eingreifen in Syrien, unter anderem mit Flugverbotszone nach dem Vorbild Libyen. Der »Faktenfinder« verschweigt außerdem, dass umgekehrt die russischen Initiativen zur Lösung des Konfliktes von den USA und deren Verbündeten durchkreuzt wurden. Mit solch einseitiger »Faktenfindung« verhöhnt ARD-aktuell das denkende Publikum. ARD-aktuell-Journalisten setzen sogar auf schmutzige Schnüffelei statt auf saubere Recherche. Dem russischen Staatssender RT (vormals Russia Today) zum Beispiel wollten sie partout eine Fälschung anhängen. Am 8. März hatte RT ein Interview mit Marcello Ferrada de Noli gesendet, dem Leiter der schwedischen Organisation Ärzte für Menschenrechte. Der emeritierte Professor und Doktor der Medizin de Noli hatte schwere Beschuldigungen gegen die vom Westen gefeierten und geschmierten »Weißhelme« in Syrien und im Irak vorgebracht. RT berichtet nun, dass der ARD-Wissenschaftsjournalist Herbert Hackl bei de Noli nachgefragt hatte, ob das RT-Interview mit ihm aus dem Kontext gerissen oder in anderer Weise verfälscht worden sei. Antwort des Arztes: »[...] Wieso ist es für die ARD interessanter zu verifizieren, ob das, was ich RT erzählt habe, dem entspricht, was RT in seiner Sendung wiedergibt, anstatt den Hauptgegenstand unserer Ergebnisse zu untersuchen, nämlich das augenscheinliche Fehlverhalten, die gefälschten medizinischen Verfahren und der abscheuliche und empörende Umgang mit toten Kleinkindern durch die Weißhelme zum Zwecke der Propaganda? [...] Inmitten der emotionalen Bildsprache des Videos der Weißhelme, die zahlreiche gefälschte ›lebensrettende‹ Maßnahmen an vermutlich bereits toten Kindern zeigte, kam niemand auf die Idee, deren Authentizität zu hinterfragen. [...] Ich bestätige hiermit, dass meine Aussage in dem RT-Video nicht aus dem Kontext gerissen und dass ich korrekt zitiert wurde. Wenn Sie [...] recherchiert hätten, [...], wären Sie auf zahlreiche Artikel gestoßen, in denen ich bereits meine Schlussfolgerungen aus der unethischen Manipulation für Propagandazwecke durch die Weißhelme darlege. [... Ich bemerke], dass Sie a priori annehmen, dass sich Fake-News in dem RT-Bericht befinden, und Sie sich gleichzeitig in keiner Form die Mühe machen, zu konkretisieren, worin diese Widersprüche bestehen sollen. Mit allem Respekt für Ihren Sender, lassen Sie mich dies klarstellen: Es ist diese Art von Vorurteilen, die zur Produktion von Fake-News führt. [...]« (Das vollständige Schreiben ist nachlesbar auf deutsch.rt.com/gesellschaft/49053-ard-fake-news/.) Wie sagt der Volksmund? »Wer anderen in der Nase bohrt, ist selbst ein Schwein.«
Erschienen in Ossietzky 10/2017 |
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