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PolitikPolitik ist eine Wissenschaft, die an Universitäten von Professoren erforscht und gelehrt, aber von Leuten praktiziert wird, die diese Wissenschaft nicht studiert haben. Günter Krone Eddi und UptonEdmund Schulz ist kurz vor seinem 84. Geburtstag gestorben – mein Freund Eddi aus Leipzig. Kennen gelernt haben wir uns bei Ossietzky. Ich hatte einen Beitrag über Kisch veröffentlicht, und er hatte eine ergänzende Bemerkung dazu. Das ist lange her – es war noch im vorigen Jahrhundert. Seitdem standen wir in Kontakt, der immer enger wurde. Und im Laufe der Zeit entstand daraus eine Freundschaft. Immer, wenn Eddi irgendwo etwas über Kisch entdeckt hatte, rief er mich an. Und so, wie ich meine ganze Aufmerksamkeit dem Wirken und Werk dieses Jahrhundert-Journalisten widme, so galt seine literarische Arbeit Upton Sinclair. Dem in Deutschland meisterverkauften und meistgelesenen Autor der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts. Upton Sinclair war vor allem in den Arbeiterfamilien zu Hause. Er gab mit seinen Büchern Mut und Hoffnung – so, wie sein Freund Egon Erwin Kisch. Eddi war im deutschsprachigen Raum der absolute Sinclair-Experte. Verdient gemacht hat er sich mit einer Bibliografie über ihn. Er hat eine immense Arbeit geleistet, um das gesamte in Deutschland vorliegende Werk zu erschließen. Eddis Lebensweg hat in einfachen Verhältnissen begonnen. In Kiel ist er geboren und aufgewachsen. Als er sich die Welt ansah, stellte er fest, dass die Freie Deutsche Jugend auch seine Ziele vertrat: Frieden, Freundschaft, Völkerverständigung. Wer sich dafür einsetzte und noch dazu seine Sympathie für die DDR nicht verhehlte – der hatte nichts Gutes zu erwarten im Adenauerstaat mit dem Altnazi Globke und den zahllosen Nazimördern in allen Schlüsselpositionen. Aufgrund seiner politischen Aktivitäten drohte Eddi eine Gefängnishaft. Der entzog er sich, indem er 1953 als 20-jähriger in die DDR übersiedelte. Hier erhielt der Arbeiterjunge die Möglichkeit zum Studium und zur Promotion. An der Karl-Marx-Universität Leipzig fand er Erfüllung als Journalistikwissenschaftler. »Er hatte sich noch soviel vorgenommen bei seiner Arbeit über Sinclair«, sagte mir seine Witwe. »Er war immer noch nicht fertig.« Adieu, Eddi. Alles Gute da oben – auch mit Upton Sinclair. Klaus Haupt * Ende 2014 schickte mir Eddi eine kleine Broschüre, die er im Selbstverlag herausgegeben hatte: »War: A Manifesto against it«. Fünf Jahre vor Beginn des Ersten Weltkrieges hatte Sinclair einen heute vergessenen Anti-Kriegs-Appell verfasst, mit dem er Sozialisten der Welt aufforderte, sich dem am Horizont abzeichnenden weltweiten Krieg aktiv zu widersetzen. Die von Sinclair erhoffte Resonanz blieb damals aus. Nach der Erstveröffentlichung in der Londoner Wochenzeitung The Clarion druckten weltweit nur weitere drei englischsprachige Periodika das Manifest. Auch der sozialdemokratische Vorwärts und Karl Kautsky, dem Sinclair den Text persönlich geschickt hatte, lehnten ab. Nur die kleine anarchistische Wiener Zeitschrift Wohlstand für Alle veröffentlichte 1909 eine deutsche Fassung. Edmund Schulz hat sie ausgegraben und publiziert und damit einem erschreckend aktuellen Text neue Resonanz verschafft. Katrin Kusche Edmund Schulz: »Upton Sinclair. Bibliografie seiner Werke in deutscher Sprache«, Buchausgaben, unselbständige Veröffentlichungen, Publizistik, SchöneworthVerlag, ISBN 978-3-9811060-0-8, 156 Seiten, 15 € Kriegs-SplitterZum Schwert greifen – das war schon immer eine zweischneidige Sache. * Die Armee eines Landes, das nicht bedroht wird, verliert ihre Daseinsberechtigung; es sei denn, sie bedroht andere. * Der Krieg hat eine lange Ahnentafel; heutige Auslands(kriegs)einsätze stehen in der Tradition der Kreuzzüge. * In jedem Krieg wird Christus erneut gekreuzigt. * Kriegshandwerk hat goldenen Boden. * Horrorvision der Rüstungsproduktion: zu viele Waffen und zu wenig Krieg. * Wenn Waffen sprechen und Blut fließt, dann fließt aus eben dem Grunde irgendwo Sekt. * Rüstungskonzerne müssten – ähnlich wie die Zigarettenindustrie – auf jeder Waffe den Warnhinweis anbringen: Achtung, Schießen kann tödlich sein. * Besser Waren präsentieren als das Gewehr. * Warum Soldaten paradieren? Damit sie besser parieren. Dietrich Lade JahrhundertbriefwechselDas Foto berührt den Betrachter: Zwei alte Leute schauen freundlich in die Kamera. Zierlich ist die Frau, sie reicht dem links von ihr stehenden Mann knapp bis an die Schulter. Er beugt sich leicht zu ihr, inniglich. Barhaupt stehen beide im Schnee. »Winter 1941 in den USA« steht unter dem Bild. Käte, siebzig Jahre alt, und der siebenundsechzigjährige Hermann Duncker waren endlich vereint, nachdem sie Hitlerdeutschland verlassen hatten. Fast ein halbes Jahrhundert war der Briefwechsel miteinander auf Grund ihrer gewählten Lebenswege wichtigste Kommunikationsmöglichkeit. Die nahezu lückenlose Korrespondenz der Eheleute Duncker ist in ihrer Einmaligkeit erhalten und von dem Historiker Heinz Deutschland unter Mitarbeit seiner Ehefrau Ruth als »Tagebuch in Briefen (1894–1953)« veröffentlicht worden. Langwierige akribische Arbeit führte zu einem wohl einzigartigen Zeitdokument, das der Herausgeber uneingeschränkt zu Recht als Jahrhundertbriefwechsel bezeichnet. Beide Persönlichkeiten stellen sich bewusst auf die Seite der Unterdrückten am Beginn des 20. Jahrhunderts. Käte kämpft um die Rechte von Frauen und Kindern, Hermann sieht in der marxistischen Bildung der Arbeiterklasse seine Aufgabe. Unermüdlich ist er als Wanderlehrer unterwegs. Der Erste Weltkrieg ist für sie Massenmord, und Hermann schreibt als Soldat von den Fronten. In der Novemberrevolution sehen sie die Möglichkeit der Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse, und beide engagieren sich in der Folgezeit leidenschaftlich in der sozialistischen und Arbeiterbewegung. In ihren Briefen tauschen die überzeugten Sozialisten ihre politischen Ansichten, Erkenntnisse und Erfahrungen aus. Sie diskutieren Ausarbeitungen und ihre politischen Positionen. Zur Vielfalt der Themen in den Briefen gehören Literatur, bildende Kunst, Musik, pädagogische, philosophische, ökonomische, religiöse Probleme ebenso wie naturwissenschaftliche. Beeindruckend ist die ausgeprägte Analysefähigkeit. Immer wieder stehen die familiäre Situation und die Entwicklung der Kinder im Mittelpunkt. Die Briefe offenbaren Stärken und Schwächen, zeugen jedoch zugleich von starker Liebe und großer gegenseitiger Achtung. Der vollständige Briefwechsel ist auf einer dem Buch beigefügten USB-Card nachlesbar. Exkurse des Herausgebers, ein hervorragender Anmerkungsapparat und Abbildungen sind wertvolle Bestandteile dieses lesenswerten und gut gestalteten Buches. Gerhard Hoffmann Heinz Deutschland (Hg.): »Käte und Hermann Duncker. Ein Tagebuch in Briefen (1894–1953)«, unter Mitarbeit von Ruth Deutschland, Karl Dietz Verlag, 605 Seiten, mit USB-Card, 49,90 € Walter Kaufmanns LektüreEin umtriebiger Journalist namens Tuvia Tenenbom, in Israel geboren, in Amerika heimisch, in Deutschland kundig, hat in der Reihe suhrkamp nova Bücher veröffentlicht, in denen er sich »Allein unter Deutschen«, »Allein unter Juden«, »Allein unter Amerikanern« präsentiert: alle höchst lesenswert und leicht zu lesen. Kürzlich kam noch ein viertes dazu: »Allein unter Flüchtlingen«. Und auch dieses hat es in sich. Wie der Mann, rund und gemütlich, hineintapst wo, wie man so sagt, Engel auf Zehenspitzen gehen, ist erstaunlich. Und ergiebig ist es auch. Tenenbom spricht deutsch, spricht englisch, spricht arabisch, gibt sich als Deutscher, als Amerikaner, als Israeli oder Araber aus – ganz wie es passt – und entgeht dabei allen Hindernissen. Prompt wird er eingeladen, wo Fremde keinen Zutritt haben, Journalisten gleich gar nicht – dem lieben Verwandten aus Amerika aber, dem extra angereisten Onkel, stehen die Türen offen. Er gelangt in jede Flüchtlingsunterkunft und auf Arabisch ins Vertrauen jedes Flüchtlings. Das macht ihm keiner nach. Stil hat er, Humor auch, und immer steigt er unmittelbar ein, nimmt den Leser bei der Hand – er nahm mich bei der Hand von der ersten bis zur letzten Seite, so dass ich Einblicke in Flüchtlingslager gewann und in oft verheerende Zustände, ich die Flüchtlinge zu begreifen lernte, wie sie denken und fühlen; und wenn obendrein noch Gregor Gysi zum Thema zu Wort kommt, Volker Beck oder Kardinal Reinhard Marx, Frauke Petry, Götz Kubitschek und Jürgen Todenhöfer bleibe ich rundum bei der Sache und, ja auch das, gut unterhalten. W. K. Tuvia Tenenbom: »Allein unter Flüchtlingen«, übersetzt von Michael Adrian und Bettina Engels, Suhrkamp, 234 Seiten, 13,95 € Wieder ein JahrhundertromanChristoph Hein hat seinem imponierenden Œuvre, das eine Chronik von verschiedenen Schicksalen Deutscher im 20. Jahrhundert ergibt, ein weiteres eindrucksvolles Beispiel hinzugefügt. Rainer Trutz ist ein junger Schriftsteller, der 1933 aus Furcht vor den Nazis mit seiner Frau in die Sowjetunion emigriert, dort schwere Arbeit beim Bau der Moskauer Metro leistet, bis er wegen einer früheren, eigentlich belanglosen Rezension verhaftet wird und in ein Straflager kommt, in dem er schon am ersten Tag erschlagen wird. Den weiteren Verlauf der Handlung bestimmt nun der Lebensweg seines in Moskau geborenen Sohnes Maykl, der ab 1952 in der DDR Geschichte studiert und Archivar wird. Sein besonders gutes Gedächtnis, das ihm in der Kindheit von einem mit der Familie befreundeten Professor der Mnemologie antrainiert wurde, gibt seinem Leben eigene, eher ungute Wendungen. Was die Protagonisten erleben, schreit zum Himmel, aber Hein bleibt bei den Fakten. Wieder operiert er sachlich, unaufgeregt, »mitleidlos«, wie es angesichts der Schicksale im Umkreis der Familie Trutz kaum erträglich ist. Während er – vor allem im letzten Teil – ganze Jahre im Eiltempo überfliegt, verweilt er bei bestimmten Ereignissen minutiös und gibt so auf knapp 500 Seiten dem spannenden Zeitbild einen Rhythmus, der fast 100 Jahre schlimme Geschichte strukturiert. Christel Berger Christoph Hein: »Trutz«, Roman, Suhrkamp, 477 Seiten, 25 € Der Lenz ist daDer Lenz lugt launisch durch die Wolken, Frau trägt in grauen Frühlingstagen Die Brüste bibbern im Pullunder, Mann ist des Winters überdrüssig, Der Lenz ist da und wird noch lenzer, Der Frühling steht und wird auch bleiben Wolfgang Helfritsch StaatsanwälteAls ich Anfang der 1990er Jahre in beruflicher Eigenschaft an einer – wie es damals noch hieß – deutsch-deutschen Strafrechtstagung in Weimar teilnahm, sprach im Verlaufe des Tages auch ein leitender Oberstaatsanwalt aus Mecklenburg-Vorpommern. Sein Thema war die Tätigkeit der Staatsanwälte in der DDR. Nun möchte man meinen, dann wird er selbst wohl ein solcher dort gewesen sein – weit gefehlt! Doch gab der »Westimport« vor, genauestens über die frühere Arbeit eines DDR-Staatsanwaltes Bescheid zu wissen. Die dann folgenden Ergüsse überzeugten wenig. Als der Redner schließlich behauptete, eine der wesentlichen Eigenschaften dieser Berufsgruppe sei es gewesen, dass sie ihr Dienstzimmer selbst habe kehren müssen, verließ ich zusammen mit einem alten Kollegen den Saal aus Protest. Wir kehrten erst zurück, als ein uns vertrauter ostdeutscher Professor als nächster Redner sprach. Bereits damals ging mir durch den Kopf, wie dringend nötig es wäre, dass etwas über die Staatsanwaltschaft in der DDR geschrieben wird, und zwar von Staatsanwälten, die dort auch ihre Tätigkeit ausgeübt haben. Wir mussten lange warten, doch jetzt ist dieses Buch da: »Staatsanwalt ohne Robe« beleuchtet die Tätigkeit der Staatsanwälte von der Gründung der DDR bis zum 2.10.1990. Den Herausgebern ist es gelungen – nach einzelnen Zeitepochen gegliedert – zahlreiche Zeitzeugen zu Wort kommen zu lassen, die vom schweren Anfang und der Tätigkeit in der Zeit der gefestigten Verhältnisse ebenso berichten wie über ihre Erfahrungen in zwei Rechtssystemen. Ein besonderes Kapitel ist der Verfolgung von Nazi- und Kriegsverbrechen gewidmet. Es sind unterschiedliche Generationen, die hier zu Wort kommen. Auf diese Weise gewinnt der Leser einen Einblick in 40 Jahre DDR-Justiz. Dabei werden Fehler und Irrwege, aber auch Besonderheiten nicht ausgeblendet. Die nur in der DDR bestandene Möglichkeit der Kassation von Urteilen, was auch durch die Staatsanwaltschaft beantragt werden konnte, macht deutlich, dass dieses Rechtsinstrument wesentlich effizienter sein konnte als die nach heutigem Recht nur bestehende Möglichkeit der Wiederaufnahme eines Verfahrens, die leider an hohe Hürden gebunden ist, die selten erfüllt werden. Die Schrift ist eine Bereicherung für alle, die ehrlich an Innenansichten der DDR-Staatsanwaltschaft interessiert sind. Sie trägt dazu bei, falsche Bilder über diesen Berufszweig abzubauen, und tritt häufig geäußerten Verunglimpfungen nachhaltig entgegen. Es wird deutlich: DDR-Staatsanwälte waren auf gesetzlicher Grundlage tätig und haben das bestehende Recht nicht nur konsequent, sondern auch mit Umsicht und Augenmaß angewandt. Dabei kann nicht außer Betracht bleiben, dass die jeweiligen Phasen der Entwicklung der DDR sich auch in ihrem Recht widerspiegelten, was letztlich Einfluss auf die Tätigkeit ihrer Staatsanwälte hatte. Das Buch ist besonders einer jungen Generation zu empfehlen, die heute nur noch schemenhaft etwas über die DDR erfährt oder auf stets sich wiederholende abgedroschene Phrasen stößt. Ralph Dobrawa Hans Bauer/Gudrun Benser (Hg.): »Staatsanwalt ohne Robe – DDR-Staatsanwälte im sozialistischen Rechtsstaat", Verlag Wiljo Heinen, 347 Seiten, 18 € Unsere ZuständeWer mutmaßliche Mitteilungen vorschnell als Wahrheiten bezeichnet, begeht nicht nur eine Lüge; er könnte auch ein Verbrechen schützen. * Das Leben pflügt die Gräben, und wir müssen da durch. * Das Glück lässt sich nicht erzwingen. Das Unglück rennt einem hinterdrein. * Achtung vor zündenden Wörtern! In diesem Land herrscht Bombenstimmung. Wolfgang Eckert Zuschrift an die LokalpresseEs wird ja immer wieder ieber de Bahn gemeggerd, aber wennse mal was gud machd, indressierd sich dafir keene Sau. Zum Bleischdifd, Ende Februar war ich wieder mal in meiner vuchtländischen Heimad underweechs, mit der Süd-Düringen-Bahn. Nuja, mir haddn zwar ne gleene Verschbädung, gelle, `s gab ne Hudelei mit irchendein` Schdellwerk. Frieher hamse de Weichen ja noch mid der Hand geschdelld, wenn der Zuch sei Gleis wechseln sollde. Da wär das wahrscheinlich nich bassierd, aber heidzudache wird das ja alles wia EU von Brüssel aus gereecheld, und das brauchd ehm seine Zeid. Was ich aber gud fand: Auf allen Sitzblädzen lagen Bahn-Zeidungen rum, sogenannde Schaddel-Njus. Dadurch gonnden mir Fahrgäsde uns in der Wardeschleife ficheland die Zeid verdreim. Mir äldern Semesder lesen ja die Meldungen noch diregd vom Babier ab, gelle, un nich aus den elegdrolidischen Schieferdafeln. Ich hab` also in der Zeidung rumgeblädderd, un da hab` ich ein` ganz indressanden Ardiggel ausm Eisenbahnleben entdeggd. Da is doch ein neurenowierder Driebwaachen von der Süd-Düringen-Bahn vom Verkehrsminisder un andern hohen Scheffs mit Rohdgäbchensegd un Bosaunengedudl auf den Namen »Martin Luther« gedaufd worden. Is ja glaar wie Glooßbriehe, gelle, mir ham jedzd das Ludder-Jahr, und an der allgemeinen Verludderung gann ooch de Bahn nich vorbeirauschen. Es wird ja viel zu schnell vergessen, gelle, dass der Ludder nich nur de Girche, sondern auch den Verkehr reformierd had und dass er der erschde war, der auf der Wardburch nich nur de Biebel, sondern auch das Kursbuch in die deutsche Schbrache übersedzd had. Und das Kursbuch war schon damals schwerer zu verschdehn als de Biebel, gelle. Und als der Mardin wieder mal zu seiner illegalen Kadderina von Bora dampfen wollde un der Zuch nich kam, schdand er hilflos aufn Bahnschdeich rum, und da hadder gesachd, hier schdehe ich, ich gann nich andersch, der HERR möge mir eine Semmel und eine Rosdbradwurschd mid Senf runder reichen, denn de Midroba hamse schon lange dichd gemachd. Und was seine illegale Kadderina angehd, die hadder ja späder doch noch geheirad`, das hat in unsern Daachen nich mal der Herr Gauck mid seiner Försd Lädy ferdich gebrachd. Und die meisden wissen ja nich mal, dass der Ludder sich damals mid dem Deddsel angelechd had, weil, der wollde den Ablass für Zeidfahrgard`n einspar`n und de Bahn-Darife erhöh`n. Inseider behaubden sogar, vom Mardin bersönlich gähme das Bongmoh, wenn ich wissen däde, dass ich morchen schderben muss, däde ich mir noch heide ne BahnCard besorchen. Aber dafier gibds nadierlich keene Augen- und Ohrenzeuchen mehr. Ob das auch in sein` Prodeesen irchendwie angesprochen wird, gann ich im Momend nich saachen, unsereener weeß ehm zu wenich. Aber mir gönn` ja nochmal draufguggen, das gann doch nich schaden, gelle? – Heribert Heizer (74), ehemaliger Reichsbahner, 99100 Bahnhof Zimmernsupra-Töttelstädt Wolfgang Helfritsch
Erschienen in Ossietzky 9/2017 |
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