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Unwillkürlich wird man an die Worte des Dichters Peter Hille vor mehr als hundert Jahren erinnert: »Unerträglich ist die Tyrannei der Schreier.« Meist schreien sie nicht, aber mit ihren Auslassungen tyrannisieren sie den gesunden Menschenverstand. Voran ging dieses Mal die ob ihrer Besonnenheit gepriesene Bundeskanzlerin. Im sächsischen Bad Muskau meinte sie, es spreche leider manches dafür, dass der Giftgasangriff vom Regime des Machthabers Baschar al-Assad ausgegangen sei, um diesem anschließend auch noch die Schuld für die Bombardierung des Krankenhauses, wo die Opfer versorgt wurden, zu geben. Für sie steht fest: Es handelt sich um ein »Chemiewaffen-Massaker« und um ein Kriegsverbrechen. Und nach dem von Präsident Trump befohlenen Luftschlag gegen die syrische Luftwaffenbasis erklärte sie gemeinsam mit Frankreichs Präsident François Hollande: »Präsident Assad trägt die alleinige Verantwortung für diese Entwicklung.« Dessen wiederholter Einsatz von chemischen Waffen und seine Verbrechen gegen die eigene Bevölkerung verlangten eine Sanktionierung. Der Kanzlerin Allzweckwaffe und folgsamer Adlatus Peter Altmaier forderte Syriens Verbündeten Russland im ZDF-heute-journal auf, »zur Besinnung zu kommen« und sich für einen Waffenstillstand einzusetzen, denn: »Wir können nicht zusehen, wenn Kinder auf derart grausame und bestialische Weise ermordet werden.« Ohne auch nur einen Sachverhalt zu nennen, behauptete er, es gebe eine »Reihe von Indizien«, wonach die Giftgas-Attacken von Flugzeugen des syrischen Machthabers Assad begangen worden seien. Eine Zukunft Syriens mit Assad an der Spitze schloss der Kanzleramtsminister aus. »Syrien braucht einen Neuanfang«, damit die Demokratie in dem Land eine neue Chance bekomme. Ob er damit eine nach dem Vorbild des Iraks oder Libyens meinte, präzisierte er nicht. Auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die mitten in der Nacht über den bevorstehenden USA-Angriff unterrichtet worden war, sprach Tacheles. Die Entscheidung verstoße zwar auf dem Papier gegen das Völkerrecht, aber sie sei dennoch gerechtfertigt, denn: »Assad hat bereits 2013 die Bevölkerung gemeuchelt. Er traktiert sie mit Fassbomben, er hungert sie aus, er kesselt sie ein. Er hat fast nie hinnehmen müssen, dass ihm eine Grenze aufgezeigt wird.« (www.heute.de) Genau das sei Ziel des US-Militärschlags: Assad sowie seinen Verbündeten Russland und Iran klarzumachen, dass die internationale Staatengemeinschaft nicht weiter zusieht, wenn Syrien mit Giftgas-Angriffen rote Linien überschreitet. In diesem Chor der Entsetzten und Ankläger durften auch die Stimmen des SPD-Spitzenpersonals nicht fehlen. Der Parteivorsitzende und Kanzlerkandidat Martin Schulz zeigte volles Verständnis für den Militäreinsatz der USA gegen Syrien. »Mit den amerikanischen Luftschlägen [...] sollte die Fähigkeit des Assad-Regimes, weitere Kriegsverbrechen zu begehen, eingeschränkt werden.« (www.tagesschau.de) Und sein Vorgänger und neuer Außenminister Sigmar Gabriel bezeichnete den völkerrechtswidrigen und aggressiven Luftangriff der USA gegen die militärischen Strukturen des Assad-Regimes, »von denen dieses grausame Kriegsverbrechen ausging«, als »nachvollziehbar«. Es sei »kaum erträglich gewesen, mit ansehen zu müssen, dass der Weltsicherheitsrat nicht in der Lage war, klar und eindeutig auf den barbarischen Einsatz chemischer Waffen gegen unschuldige Menschen in Syrien zu reagieren.« (www.auswaertiges-amt.de) Die gesamte politische Führungsequipe unseres zutiefst demokratischen Vaterlandes ist sich darin ohne den geringsten Beweis einig, dass für das Giftgasverbrechen in Chan Scheichun einzig und allein Assad und dessen Militärs verantwortlich sind. Keiner von ihnen stellt die natürlichste der Fragen: Cui bono? Warum sollte ausgerechnet der syrische Präsident den Befehl zum Einsatz von Sarin gegeben haben, zu einem Zeitpunkt, an dem er mit russischer Unterstützung beträchtliche Gebiete von den IS- und Al-Nusra-Verbrechern befreit hat, die USA-Administration unter Donald Trump ankündigte, nicht mehr auf seinen Sturz zu beharren und in Brüssel eine Geberkonferenz für Syriens Flüchtlinge stattfand. Assad mag ein Diktator sein, aber blöd und selbstmörderisch ist er nicht. Aber wer hatte Interesse, mit einer üblen Provokation Damaskus und Moskau zu schaden, die Entwicklung in den letzten Monaten zurückzudrehen und die Lage erneut zu eskalieren? Da gibt es viele mögliche Beteiligte an dem schrecklichen Kriegsgeschehen, die die Lage im Sinne des Wortes mit Erfolg hätten vergiften können, darunter der Islamische Staat, die sogenannten Rebellen und ihre Unterstützer in Saudi-Arabien sowie in den Golfstaaten, kriegsgeile US-Amerikaner vom Schlage des Senators McCain, die Geheimdienste aller Provenienz und Schattierungen. Für all diese Kräfte wäre es ein Leichtes gewesen, Sarin nach Chan Scheichun zu bringen und es in wohlkalkulierter, aber verbrecherischer Absicht einsetzen zu lassen. Warum hat sich nicht ein einziger der bundesdeutschen Verantwortungsträger die so naheliegende Frage »cui bono« gestellt? Das Wort »Lügenpresse« wird zum Teil aus guten Gründen abgelehnt. Aber gibt es nicht auch »Lügenpolitiker«, die dem internationalem Frieden großen Schaden zufügen und ihn gefährden? Neu ist das alles nicht. Was hat es in den vergangenen Jahrzehnten nicht alles für Politikerlügen gegeben, die als Vorwand für Aggressionskriege und Kriegsverbrechen dienten. Wer erinnert sich nicht an den Tonkin-Zwischenfall vor der Küste Nordvietnams, die Brutkastenlüge vor dem Beginn des zweiten Golfkrieges, den Hufeisenplan Scharpings, die angeblichen Massenvernichtungswaffen im Irak? Hoffen wir, dass nicht eine neue Gleiwitz-Lüge aufgetischt und um 5:45 Uhr zurückgeschossen wird. Sieht und hört man via Television die Lügen bundesdeutscher Politgrößen, dann kann einen der Zorn packen, und man möchte am liebsten das Fernsehgerät malträtieren. Doch was kann denn der Fernseher dafür?
Erschienen in Ossietzky 8/2017 |
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