Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Keine BilanzGeorg Fülberth Seit 1974 ist Hermann L. Gremliza Herausgeber von konkret. Allmonatlich erscheinen dort von ihm eine Kolumne und eine Seite Medienkritik. Als er zweimal sehr krank war, sprangen erst Fidel Castro und dann Dietmar Dath ein. Von Zeit zu Zeit veröffentlichte Gremliza seine Kommentare ausgewählt in Einzelbänden. Nun ist ein neuer erschienen, nicht – wie bisher – im Konkret Literatur-Verlag, sondern bei Suhrkamp. Der Titel lautet: »Haupt- und Nebensätze«. Gremliza ist 76, in diesem Alter erwartet man eine krönende Bilanz. Das ist in diesem Fall ein Irrtum. Es gibt einen Bruch und eine Konsequenz daraus. Beide haben mit 1989 zu tun. Bis dahin war die Welt für Hermann L. Gremliza zwar überhaupt nicht in Ordnung, aber es gab Koordinaten, an denen er sich orientieren konnte. Die wichtigste war der Systemkonflikt. Gremliza hätte in der Sowjetunion oder der DDR gewiss nicht gern gelebt, aber er schätzte sie als Abwehrmächte gegen das größte aller Übel, den Kapitalismus und dessen übelste Variante, den Faschismus und hier wieder das Allerschlimmste: den deutschen. Die zweite Koordinate war für ihn die Linke in einem sehr weiten Sinn. Hier kannte er sich aus, lobte wenig, tadelte mehr, verfolgte die Konsequenzen dessen, was da probiert wurde. Es gab die stille Gewissheit, dass mit beidem, der Linken im Westen und dem großen Veto im Osten, weiterhin gerechnet werden konnte – manchmal unterlegt mit Panik: die ständige Kriegsgefahr, so lange es eben den Kapitalismus gibt. Gremlizas Prognosen waren eher heiter, meist aber falsch: Falle die Apartheid, werde Südafrika sozialistisch. Die Grünen würden rot werden müssen oder untergehen. Seit 1989 war es mit diesen Zuversichten vorbei. Die bisherigen Koordinaten verschwanden, auch die Linke als breite Bewegung. Wer dazu gehört hatte, lief entweder über oder versteinerte oder wurstelte sich möglichst ideologiefrei durch. Gremliza nicht. Er sah hin. Was er entdeckte und was er darüber denkt, ließ (und lässt) sich weiterhin in seiner Zeitschrift nachlesen und nun auch in den »Haupt- und Nebensätzen«. Es gibt Kontinuitäten: Schon 1985 hatte er darauf hingewiesen, dass der deutsche Kapitalismus, besichtigt man ihn vom Ergebnis her, den Zweiten Weltkrieg nicht verloren, sondern gewonnen hat. Mit der Wiedervereinigung erreichte dieser Sieg seine zweite Etappe. Die westdeutsche Linke ist doch, so erwies es sich, selbst in ihren nichtkommunistischen Formationen in höherem Maße eine abhängige Variable des Systemkonflikts gewesen, als man bisher annehmen konnte. Verzweiflung ist angebracht. War früher das Kräfteverhältnis zwischen Kapitalismus und Sozialismus stets auszumessen, ist jetzt zu fürchten, dass der deutsche Griff nach der Weltmacht doch noch gelingt. Gern würde Hermann L. Gremliza auf das Selbsterhaltungsinteresse der innerkapitalistischen Konkurrenz – vor allem der US-amerikanischen – setzen, aber er sieht sich zunehmend auch da enttäuscht, wie bereits 1989/90 von Thatcher und Mitterand. Zu den Errungenschaften der alten Nachkriegsordnung gehörte die Möglichkeit, dass dem Antisemitismus durch den Staat Israel ebenso eine territoriale Grenze gesetzt war wie dem kapitalistischen Exzess durch den Staatssozialismus. Auch das sieht Gremliza jetzt in Gefahr. Einst, vor 1989, spottete er über diejenigen Linken, die den machtvollen Ausdruck ihrer Meinungsäußerungen mit dem Ausbruch von Macht verwechselten. Jetzt, da so vieles weg ist, wächst diese Versuchung zur verbalen Kraftmeierei unter Verlierern noch. Gremliza versucht es mit einer besseren Waffe der Schwachen. Nennen wir sie die – wenngleich ohnmächtige – Vernunft. Sie lässt sich auch an der Sprache erkennen, derer sie sich bedient. Umgekehrt gilt das ebenfalls. Gremliza zeigt, wie unappetitlich die Sieger reden und schreiben. Er sucht sie in ihrer Sprache auf und setzt seine eigene dagegen. Vorbilder sind Karl Kraus, Theodor W. Adorno und (eher implizit) das Pamphlet »Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte« von Karl Marx. Ein auch stilistisches Ergebnis des Versuchs, mit zwei Katastrophen – der von 1989-1991 und der von ihm befürchteten künftigen – fertig zu werden, sind die in dem Band »Haupt- und Nebensätze« gesammelten sprachlichen Kunstwerke Gremlizas, darunter Aphorismen. Wer mehr will, möge suchen und uns dann mitteilen, was er (oder sie) gefunden hat. Hermann L. Gremliza wird dann prüfen, ob sich da etwa wieder jemand in die Tasche gelogen hat. Gremliza, Hermann L.: »Haupt- und Nebensätze«, Suhrkamp Verlag, 159 Seiten 15 €
Erschienen in Ossietzky 6/2017 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |