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Eine nochmalige Behandlung sei nicht möglich. Kinder, wie die Zeit vergeht. Nach acht Jahren darf also kein neuer Antrag gestellt werden? Da sagt die Stadt Dortmund: Basta! Die Antifaschisten bekräftigen nun daraufhin den Antrag, ein Schild mit einer Warntafel folgenden Inhalts an der Hainallee in der Nähe der B 1 aufzustellen: »Hier an der Ecke Eintrachtstraße/Hainallee stand die Villa Springorum. Es trafen sich darin am 7. Januar 1933 Franz v. Papen und führende Ruhrindustrielle des Geheimbundes ›Ruhrlade‹, um über die Machtübertragung an Adolf Hitler und seine Partei zu entscheiden. Sie erfolgte am 30. Januar 1933, und viele Ruhrindustrielle unterstützten sie. Sie profitierten von Rüstung und Krieg, von der Beseitigung der Demokratie und der Gewerkschaften, von Antisemitismus, Holocaust und Zwangsarbeit und von der Unterdrückung und Ausplünderung der Völker Europas.« Frau Krause beruft sich bei der Zurückweisung des VVN-BdA-Antrags auf den »zuständigen Fachbereich«. Das ist das Stadtarchiv. Bei der Ablehnung des Antrags im Jahr 2009 hieß es: Für Dortmund gelten die wissenschaftlichen Ergebnisse, die Henry Ashby Turner jr. 1985 in seinem zentralen, von Hildegard Möller und Marina Münkler übersetzten Werk »Die Großunternehmer und der Aufstieg Hitlers« dargestellt hat. Sollte man nicht annehmen, dass die von Professor Hans Mommsen getroffenen Aussagen in der 1992 eröffneten Ausstellung »Widerstand und Verfolgung 1933–1945 in Dortmund« aktueller sind als Professor Turners Reinwaschung des Kapitalismus aus den siebziger und achtziger Jahren? In der Dortmunder Gedenkstätte Steinwache heißt es zur Situation 1932/33: »Die Schwerindustrie setzt auf Hitler.« Turner hingegen schreibt sieben Jahre zuvor – und ganz im Gegensatz zur Aussage in der Steinwache –, dass die Nazis der Hilfe durch die Industrie nicht bedurften, dass Kontakte der Industriellen zu den Nazis »Ausnahmen« gewesen seien und im Zusammenhang mit dem Aufstieg Hitlers »kaum oder überhaupt nicht erwähnt zu werden bräuchten«. Und er betont: »Entspricht die weit verbreitete Ansicht, dass der Faschismus ein Produkt des modernen Kapitalismus ist, den Tatsachen, dann ist dieses System kaum zu verteidigen.« Es kann nicht sein, weil es nicht sein darf? Was hat eine solche Aussage mit Wissenschaftlichkeit zu tun? Die VVN-Rechercheure haben schon vor acht Jahren dem Ausschuss neue Literaturquellen und wissenschaftliche Werke mit Aussagen vorgelegt, die Turner widersprechen und die Darstellungen in der Steinwache stützen, darunter die Industrielleneingabe an Präsident Hindenburg vom November 1932 mit der Forderung, Hitler die Macht zu übergeben. Sie fragen: Soll die derzeitige Inschrift in der Steinwache entsprechend dem Freispruch des Mr. Turner für den Kapitalismus verändert werden? Soll deshalb der Hinweis in der Hainallee auf die Ruhrlade unterbleiben? Liegt dies an der Vergabepraxis für Einrichtungen der politischen Bildung, die Kapitalismuskritik verbietet? Andere Wissenschaftler als Turner haben schon lange das große Interesse von erheblichen Teilen des Kapitalismus am Faschismus festgestellt: »Die westdeutsche Industrie ist gestärkt aus dem Krieg hervorgegangen; sie hat nicht den Krieg, wohl aber am Krieg gewonnen. Ihr Anlagevermögen war bei Kriegsende erheblich höher als bei Kriegsbeginn, selbst unter Anrechnung der Zerstörungen und Demontagen. Heute zählen die deutschen Großkonzerne zu den mächtigsten der Welt. Ihre Gewinne haben eine außerordentliche Höhe erreicht. Ihre heutige Machtstellung ist zum Teil aus den Kriegsprofiten erwachsen: Dazu hat auch die Zwangsarbeit beigetragen.« So der im Juni 2016 verstorbene Ökonom und Historiker Dietrich Eichholtz. In der Tat muss vermutet werden, dass die Weigerung, den VVN-Antrag zu behandeln, im Zusammenhang mit der geplanten Umgestaltung der Steinwache zu sehen ist. Hier sollen offenbar nicht die richtigen Erkenntnisse der Steinwacheneröffnung von 1992 zu Grunde gelegt werden, sondern die Aussagen sollen bei der Neugestaltung auf das 1985er Turner-Niveau gebracht werden. Der Kapitalismus soll verteidigt werden trotz all seiner Bezüge zum Faschismus – ganz im Gegensatz zu den Erkenntnissen nach der Befreiung vom Faschismus 1945. Und ganz im Gegensatz zu den Tatsachen. Tatsachen wie jene aus dem Ahlener Programm der CDU von 1947, in dem es hieß: »Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. Nach dem furchtbaren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch als Folge einer verbrecherischen Machtpolitik kann nur eine Neuordnung von Grund auf erfolgen.« Der kapitalismuskritische Antifaschismus, der kurz nach Kriegsende eine Selbstverständlichkeit war, ist es längst nicht mehr. Das Diktum von Max Horkheimer: »Wer vom Kapitalismus nicht reden will, soll auch vom Faschismus schweigen«, wird derzeit als verfassungsfeindlich dargestellt. Es bemüht sich der Bundes-Verfassungsschutz in einem Grundsatzpapier, welches das Land Hessen in ein Gerichtsverfahren vom Januar 2017 einbrachte, sogar die Erkenntnisse des deutschen Widerstandes als verfassungsfeindlich darzustellen. Dass es gelte, den Faschismus mit seinen Wurzeln zu beseitigen (Schwur von Buchenwald), sei Ausdruck dafür, dass der Schwur eine kommunistische verfassungsfeindliche Hervorbringung sei. So heißt es in einer Antwort des Landesamtes für Verfassungsschutz in Hessen, bezugnehmend auf Erkenntnisse des Bundesamtes, auf die Forderung der Tochter Silvia des Widerstandskämpfers Peter Gingold, sie nicht länger zu überwachen. Der Schwur spricht von den Wurzeln, und eine davon ist der Kapitalismus. Es gibt weitere Wurzeln, und es gibt die Aussagen des deutschen Widerstandes in seiner ganzen Breite. Doch die sollen vergessen sein. Zu einem ähnlichen Projekt siehe Ossietzky Nr. 25/2007.
Erschienen in Ossietzky 6/2017 |
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