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Für Politiker, deren Credo seit Jahr und Tag lautet: »Für die Sicherheit Europas ist das transatlantische Bündnis unverzichtbar« (so steht es etwa im aktuellen Weißbuch des Bundesverteidigungsministeriums), muss es ein Schlag in den Solarplexus gewesen sein, als der neue US-Präsident die NATO mal eben als »obsolet« bezeichnete. Trumps Vize Mike Pence hatte dann für die 25 Staats- und Regierungschefs sowie 80 Außen- und Verteidigungsminister die Botschaft im Gepäck: »Die Vereinigten Staaten von Amerika stehen fest zur NATO, und [wir] werden unerschütterlich unsere Verpflichtungen für unsere transatlantische Allianz erfüllen.« Diese Zusage hat allerdings einen Preis. Die USA erwarten, dass sich alle Staaten an ihre Selbstverpflichtung halten, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Militärzwecke auszugeben. Was gerade die EU-Staaten bisher als bloße Absichtserklärung verstanden, wird von der Trump-Regierung weit offensiver eingefordert als von ihren Vorgängern. Kurz vor dem Gipfel machte US-Verteidigungsminister James Mattis deutlich: »Der amerikanische Steuerzahler kann nicht noch länger übertrieben viel für die Verteidigung des Westens bezahlen«, wenn die EU weiterhin weniger beitrage als vereinbart, könnten die USA ihr »Engagement für die NATO zügeln.« (www.taz.de) Das haben die europäischen Staaten selbstverständlich nicht, wie es ja auch möglich wäre, als Anlass empfunden, eine Abrüstungsspirale einzuleiten. Vielmehr dienen ihnen die US-Forderungen zur Rechtfertigung für Aufrüstung und Militarisierung der Europäischen Union. »Wir Deutschen haben verstanden«, beeilte sich etwa Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen in München zu versichern, »dass wir jetzt beharrlich investieren müssen in eine Sicherheitsrücklage«, und bekräftigte ihre Bereitschaft, das Zwei-Prozent-Ziel innerhalb der nächsten zehn Jahre zu erreichen. Eins zu eins wird ihr das nicht gelingen. Sollte sie es versuchen, wäre das in einem Wahljahr ein Geschenk für die Opposition. Der stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD, Ralf Stegner, ließ gleich wissen, er halte »das schnelle Erreichen« der Zwei-Prozent-Marke für ausgeschlossen (Hannoversche Allgemeine). Wer mehr zahlt, will natürlich auch mehr Mitsprache beziehungsweise erwartet, wie es Innenminister Thomas de Maizière formulierte, »dass Europa eben erwachsener und verantwortlicher werden muss«.(Süddeutsche Zeitung) Auf den ersten Blick sieht das so aus, als würden europäische Minister strammstehen, wenn der große Bruder in Washington sie anpfeift. In Wirklichkeit hat die EU schon längst ihre Absicht formuliert, sich zur militärischen Großmacht hochzurüsten, die – nicht in Abhängigkeit, aber im Benehmen mit den USA – Freihandel, Profit und ähnliche westliche Werte schützt. Trumps Gepoltere kommt ihr gerade recht, um diese Absicht nun zu forcieren: Man hat Druck von außen, und man kann gegenüber den eigenen Bürgern argumentieren, dass man sich nicht auf den Beistand des »großen Unberechenbaren« (FAZ) in Washington verlassen könne. Eines ist sicher: Die zwei Prozent werden teuer. Die bisherigen Steigerungen des deutschen Rüstungshaushalts (von 31,1 Milliarden Euro im Jahr 2010 auf 35,1 im vergangenen und 37 Milliarden im laufenden Jahr) reichen dafür nicht aus. Zwei Prozent vom jetzigen Bruttosozialprodukt sind ungefähr 75 Milliarden Euro, also rund das Doppelte des bisherigen. Wenn alle NATO-Staaten mitziehen, würden die zwei Prozent eine gigantische Aufrüstung in der westlichen Welt bedeuten, um circa 100 Milliarden Euro pro Jahr mehr als im Moment. Hoffnungen einiger Linker, eine – längst nicht mehr wahrscheinliche – Hinwendung der USA zum Isolationismus könnte sich friedenspolitisch positiv erweisen, sind damit vom Tisch. Jürgen Wagner von der Informationsstelle Militarisierung fasste in einem Kommentar zur Münchner »Sicherheitskonferenz« treffend zusammen: »Manchen Militärpolitikern scheint Donald Trump regelrecht als Geschenk des Himmels vorzukommen.« (www.imi-online.de) Worüber auf der Konferenz selbstverständlich keiner gesprochen hat: Was mit den neuen Waffen und der neuen Kriegslogistik eigentlich gemacht werden soll beziehungsweise gegen wen sie sich richten. Es war aber schon interessant, dass allein die Möglichkeit, Trump könne das Verhältnis der USA zu Russland wieder geradebiegen, beim Konferenzorganisator Wolfgang Ischinger nicht auf Wohlwollen stieß, sondern die Befürchtung weckte, unter die Räder zu geraten: Eine solche Annäherung dürfe nicht zu Lasten Europas gehen, warnte er. Dass Trump der EU einen Vorwand zum Aufrüsten liefert, wurde im Mainstream der deutschen Medienlandschaft offen eingeräumt und begrüßt. Auf der Straße und bei der Opposition blieb diese Logik zum Glück auch diesmal nicht unwidersprochen. 4000 Menschen demonstrierten gegen das Treffen. Er könne »nicht begreifen, dass man immer noch dem Aberglauben folgt, dass man mit Waffen Frieden produzieren könnte«, sagte der Theologe Eugen Drewermann auf der Abschlusskundgebung.
Erschienen in Ossietzky 5/2017 |
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