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Cornelia Schroeder, Tochter des ersten Leiters des Aufbau Verlags Max Schroeder und seiner aus dem Exil importierten Ehefrau Edith Anderson, gelang es lange nicht, einen Verlag zu finden, der die Memoiren ihrer 1999 verstorbenen Mutter drucken wollte, obwohl deren englisches Original im selben Jahr bei Steerforth Press in South Royalton erschienen war. Unter dem Titel »Liebe im Exil« kam die deutsche Übersetzung (Christa und Clemens Tragelehn) erst 2007 bei BasisDruck heraus. Das furiose Buch schildert die ersten SBZ- und DDR-Jahre des jüdischen »Proletariermädchens« aus der Bronx, das sich nicht nur Lebenserfahrung bei der Eisenbahngesellschaft Pennsylvania-Railroad und als Kulturredakteurin beim Daily Worker erworben hatte. Sie begann auch früh, ihre eigene erotische Persönlichkeit intellektuell zu reflektieren. Aber obwohl sie sich viel Bildung angeeignet hatte, blickte sie allzu ehrfürchtig zu dem fünfzehn Jahre älteren, aus einem Lübecker Patrizierhaus stammenden Großintellektuellen Schroeder auf. Es gefiel ihr dann gar nicht, dass sie von den anderen hochgestochenen deutschen Intellektuellen, die sie zum Teil schon in New York und später dann in der Intelligenzler-Siedlung in Berlin-Grünau kennenlernte, auch nur als dessen Anhängsel betrachtet wurde. Entsprechend subjektiv sind die Porträts – wie etwa das von Stefan Heym – die sie in »Love in Exile« zeichnete, was die selbstironische Grundhaltung der späten Betrachtung jedoch wieder ausbalanciert. Der packende Kern des Buchs ist die Schilderung ihrer Ehe, die an Offenheit und Analysekraft ihresgleichen sucht. Zu den Eingewöhnungsproblemen in die materiell unerwartet schwierigen Lebensbedingungen – unter Menschen, in denen sie zunächst nur Judenmörder sehen konnte – kam hinzu, dass der Ehemann von den kulturpolitischen Herausforderungen, mit denen er konfrontiert wurde, bald so vereinnahmt war, dass er sich nur noch mit Alkohol erholte und »vergaß, mit seiner Frau zu schlafen«. Eindringlich schildert Anderson ihre Verzweiflung, die sie schließlich zur erotischen Abenteurerin werden ließ. Aber trotzdem blieb dem Paar Liebe und Achtung erhalten. Schroeder vergaß nicht sein Versprechen, ihr eigenes Schreiben zu unterstützen, denn er hielt sie für eine begabte Autorin. Als er an Krebs erkrankte, kam man sich noch einmal nahe. Wie interessant und lehrreich eine starke, aber asexuell werdende Beziehung sein kann, ist dem Publikum erst bewusst, seit der Fall Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre bekannt wurde. 2015 erschien mit einem Buch über Edith Anderson die erste wissenschaftliche Arbeit über Amerikanerinnen und Amerikaner in der DDR. Obwohl man nicht mit allen Darstellungen Sibylle Klemms einverstanden sein muss, löst das Buch seinen begrüßenswerten Anspruch ein, dem bislang nur bekannten Kulturaustausch zwischen der USA und der BRD eine methodisch beispielgebende Analyse des »anderen amerikanisch-deutschen Kulturaustauschs« hinzuzufügen. So tragisch Schroeders früher Tod für Anderson war, Klemm zeigt, dass sie sich danach in bemerkenswerter Weise weiter emanzipierte und zur wichtigen Publizistin wurde. Und das trotz des heftigen Gegenwinds, denn auch amerikanischen Kommunisten gegenüber hegte die DDR Misstrauen. Besondere Loyalitätsübungen waren abzuleisten, wodurch Andersons Bewusstsein der eigenen – zunehmend bikulturellen – Identität nur gestärkt wurde. So stellte sie sich als Dolmetscherin mutig gegen den einseitig pauschalisierenden Ausdruck »amerikanische Unkultur«. Sie bestand darauf, dass es in den USA auch eine große Gegenkultur gab. Klemm zeigt, dass Anderson viele Gastspiele amerikanischer Musiker und Publikationen linker Autoren vermittelte, die im Kalten Krieg ohne ihr Engagement wohl nicht zustande gekommen wären. Keine ihrer Publikationen kam ohne Schwierigkeiten heraus: nicht ihr Roman über die Frauen, die – kriegsbedingt – als erstes weibliches Personal bei der Pennsylvania Railroad arbeiteten, noch ihr Reportageband über das Jahr, das die von Heimweh Geplagte 1967 in New York verbrachte. Sie wollte erkunden, ob sie sich dort wieder eine Existenz aufbauen könne. Bei einem linken Verlag fand sie zwar eine Anstellung, aber ihr altes Milieu hatte sich gewandelt. Die einst der KPUSA verbundenen Kreise waren von Erstarrung befallen oder gar in Auflösung begriffen. Die Pole der Widerstandskultur lagen jetzt bei Afroamerikanern und Indianern und bei der neuen Frauenbewegung. Diesen Umbruch vermittelten ihre Reportagen dem sehr dankbaren Publikum in der DDR, wohin sie schließlich zurückkehrte. Fortan wurde Anderson Anlaufstelle, Kontaktvermittlerin und Interpretationshilfe für die nicht wenigen amerikanischen Germanistinnen und Feministinnen, die sich für die Entwicklung der Frauenfragen in der DDR interessierten. Und umgekehrt regte sie die im Hinstorff Verlag erscheinende Anthologie »Blitz aus heiterem Himmel« an, für die Günter de Bruyn, Christa Wolf, Gotthold Gloger, Rolf Schneider, Sarah Kirsch, Karl-Heinz Jakobs, Annemarie Auer und sie selbst Novellen schrieben, in denen die Protagonistinnen und Protagonisten einen plötzlichen Geschlechtswechsel und die privaten und gesellschaftlichen Probleme erlebten, mit denen das jeweils andere Geschlecht im Alltag konfrontiert war. Irmtraud Morgners Beitrag, mit der Anderson eng befreundet war, konnte nur in der anders – nämlich ohne männliche Beiträge – zusammengesetzten westdeutschen Variante des Bandes (»Geschlechtertausch«) erscheinen. Durch die über Anderson eingebrachten radikalen Ideen amerikanischer Feministinnen wurde die Frauenliteratur der DDR plötzlich auch in der BRD goutiert, ohne ihr spezifisches Credo zu verlieren: Wirklicher Fortschritt im Geschlechterverhältnis kann nicht gegen oder gar ohne die Männer zustande kommen. Edith Anderson: »Liebe im Exil«, übers. v. Christa und Clemens Tragelehn, BasisDruck, 547 Seiten, 22 €; Sibylle Klemm: »Eine Amerikanerin in Ostberlin. Edith Anderson und der andere deutsch-amerikanische Kulturaustausch«, transcript Verlag, 458 Seiten, 39,99
Erschienen in Ossietzky 4/2017 |
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