Gesichtserkennung

Monika Köhler

Nur noch bis zum 29. Januar ist »Golem« in Berlin, im Jüdischen Museum. Die Ausstellung umfasst Kunstwerke aus 600 Jahren, aber auch den Ausblick auf die Zukunft. Passt die Baseball-Kappe von Trump mit der Schrift »Make America great again« zum Golem? Der Retter? Oder der Vernichter? Eine riesige Golem-Figur am Boden liegend, bedeckt mit hebräischen Buchstaben, das ist kein Trump. Ein Hakenkreuz als grobes Relief an der Wand – hier? Das uralte Swastika-Symbol, das Glück verheißt, die Nazis missbrauchten es für ihre Zwecke.

Gemälde, Skulpturen, Bühnenkostüme, Marionetten und Film. Von Paul Wegeners »Der Golem, wie er in die Welt kam« (1920) bis zu neuen Werken (in Ausschnitten zu sehen). Wir erfahren die Geschichte des Jüdischen Friedhofs in Berlin-Weißensee, der nicht von den Nazis zerstört wurde aus Angst, dort herrsche ein Golem. Der Rabbi Löw aus Prag – hier sitzt er in einer viel zu kleinen Badewanne (oder ist es ein Sarg?), in der ironischen Bronze-Skulptur von Leonora Carrington: »Rabbi Löw ohne Golem, aber mit Hut«.

Golem, das ist auch Verwandlung – aus Erde oder Staub einen Menschen schaffen. Als magischer Vorgang oder in der Natur: die Verpuppung der Falter. Von der Decke hängen raumgroße gelbe Puppen mit menschlichem Gesicht, verbunden durch spinnwebzartes Gewebe, das bei Berührung Alarm gibt.

Am Anfang der Ausstellung stand der Schaltplan des Großcomputers »Golem Aleph« – Gershom Scholem gab ihm diesen Namen und wünschte, er möge friedlich bleiben. Im letzten Raum wieder Technik, von harmlosen Spielen bis zum Horror der Zukunft, nein, der Gegenwart. Da steht ein Gerät, es zeigt das Gesicht des Golems. Wenn man sich ihm nähert, bewegt es Lippen und Augen. Ganz unten links, ein Kästchen – Spiegel? Da erscheint das Abbild des Zuschauers. Wer den Golem ansieht, wird verändert. Ich sehe mich mit dem Gesicht des Golems. Nein, es ist ein Scanning, die – nicht nur an Flughäfen bei Reisen in die USA eingesetzte – Gesichtserkennung. Otto versucht es auch, doch bei ihm tut sich nichts. Er kann machen, was er will, er bleibt er selbst. Was bedeutet das alles für die Zukunft, die nahe ist?

Erschienen in Ossietzky 2/2017