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Ein gefeierter, hier wohlgesitteter und willkommener Gast, diese archaische, doch klassisch gewordene Figur, vom Vater vertriebene Exilantin pur, fast eine Metapher für Heimatlosigkeit, die auf der Bühne ihr Zuhause gefunden hat – nun auch durch Künstler aus fernstem Land, unterstützt von einigen deutschen Spielern. Der Abend, genauer: die Spielvorlage ist in sechs Teile gegliedert, Texte von ZinA Choi, Kyungsung Lee, Mario Salazar, Kon Yi und Ensemble, die auch meist Regie geführt haben. Die einzelnen Szenen heißen »Asyl« von ZinA Choi und behandeln ein Flüchtlingsproblem: Eine Koreanerin (Nord) möchte Asyl in Deutschland, hat dasselbe allerdings bereits im südlichen Teil des noch immer geteilten Landes und ist daher chancenlos. Ihigyen meint, da auch Deutschland lange geteilt war, müsste sie Verständnis finden. Die Darstellerin Dakyung Yoon vermochte die Entscheidung mit Hilfe eines sogenannten Entscheiders (Helmut Mooshammer) kaum deutlich zu machen. Sie sei auch kaum im Recht, nehme andern den Platz weg – so blieb alles im Ungefähren – ein wenig Prinzip Hoffnung. Die zweite Szene, »Ritual« betitelt, ist da schon deutlicher. Iphigenie ist Priesterin, indes in fernem Land – Ferne ist durch das Ensemble auf der Bühne jederzeit miterlebbar. Diese Iphigenie klammert sich an Altes, ans Heimatliche erinnernd, und kann mit Ferne und Fremde umgehen. Es kommt Goethe mit seiner »Iphigenie« zu Wort, seine Verse bringen Hoffnung und Humanitas ins Spiel und in den Raum des Theatron. Es entsteht ein Dialog mit dem deutschen Publikum, ein Dialog über Entfernungen, die räumlich eben bleiben. Chinesisches, auch japanisches Theater konnte uns schon manches sagen, koreanisches wohl kaum. Die dritte Szene »Es gab auch schöne Tage« ist nun von Salazar und handelt von Deutschland, es spielen deutsche Schauspielerinnen: Gabriele Heinz, Katharina Matz und Sabine Waibel, sie sprechen von deutscher Teilung und deren schwierigem Ende. Regie führte Jungung Yang. Die Kompliziertheit des Weiteren kommt freilich wenig zur Sprache, dafür ein ziemliches Gerede über Heimat, die heute kaum noch jemand hat, zumindest nicht in den riesigen Städten, wo die Globalisierung entschieden alles überzogen hat. Auch in der vierten Szene kommen Goethe-Szenen zur Sprache, Szenen über und von Liebe, freilich keineswegs einer romantischen, wie das Programmheft glauben machen will. Die »Mail-Order-Bride« von Kon Yi berührt auch Vietnam; ein Professor (Mooshammer) interviewt die Vietnamesin Eunhye (Kotti Yun), die in Seoul mit einem Koreaner verheiratet ist, aber in Vietnam gelebt und auf internationalem Heiratsmarkt gescheitert ist. Die große und wahre Liebe ließ sich nicht leben – Goethe gibt hier den Gegenentwurf. Von Salazar ist ein weiterer dramatischer Text, worin die Titelheldin unüblich geschrieben ist: »Iphi-genie« – als ob hier das Genie-Problem herausgelöst werden soll. Freilich bleibt es undeutlich. Kotti Yun spielt eine nach Seoul geflüchtete Prostituierte, unterstützt damit ihre Familie im Norden. Im Laufe der Geschichte nähert sich ihr Park (Hyun Jun Ji), es scheint eine Liebesgeschichte zu entstehen – wieder ein Stück Hoffnung im Elend der Zeit! Der letzten Szene »Sabine Waibel – Just for one Day« hat die bereits genannte Schauspielerin den Namen gegeben; sie spielt sich auch selbst, erzählt von ihrem Leben und hat mit Kyungsung Lee inszeniert. Solch selbst gefasstes und selbst inszeniertes Monodrama überfordert, wie zu sehen war. Da fehlte ein Gegenspieler, um es zu Dramatik werden zu lassen, das Ganze geriet zu sehr in eine Art, eigentlich seit langem verpönten, Agitprop, einst Propagandahilfe der Arbeiterbewegung, als sie keinerlei Zugang zu modernen Medien hatte, außer einer kleineren, eher wirkungsarmen Presse. Erfreulich, dass einmal an David Bowies Mauerkonzert aus dem Jahre 1987 erinnert wurde. Ansonsten das schwächste Stück der Folge, die viel Bedenkenswertes zu bieten hatte. Europa und Asien müssen auf der klein gewordenen Erde gedanklich zusammengeführt werden. Ästhetisch ging freilich vieles nicht so recht auf, die Kunstarten inklusive Macharten sind zu verschieden, Stoffe der Art kaum zu Kunst geworden, alles braucht seine Zeit. Große Geschichtsereignisse wurden meist erst sehr viel später zu Kunst: Die griechisch-antiken Tragiker gestalteten die Fabeln der Atriden und Labdakiden lange nach Troja, ähnlichen Kriegen und Schlachtereien, und zwischen dem Vorreiter Gottsched und Großmeister Goethe lag auch erst einmal ein halbes Jahrhundert.
Erschienen in Ossietzky 1/2017 |
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