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Sie war als Zellenleiterin der »Arbeitsgemeinschaft Nationalsozialistischer Studentinnen«, mit ihrer Gefolgschaft zum Ausflug unterwegs auf den Obersalzberg. Noelle sieben Jahrzehnte später: »Von oben kam ein Adjutant gelaufen. Er sagte zu uns: ›Der Führer will euch begrüßen.‹ Da stand auch schon Hitler, begrüßte uns mit Handschlag und fragte: ›Wollt Ihr Tee mit mir trinken?‹ – ›Ja, ja‹, schrien wir alle. Das fanden wir natürlich sehr aufregend. Dann kamen wir auf die Terrasse.« Noelle: »Hitler sah mich intensiv an, platzierte mich neben sich. Dann nahm er mich und führte mich an das Geländer der Terrasse, schaute hinüber nach Österreich und sagte: ›Ich frage mich immer, ob es mir so gehen wird wie Moses, der zwar das Gelobte Land sah, es aber nicht betreten durfte.‹« Noelle danach: »Bei der Anreise sah ich im Wartesaal des Münchner Bahnhofs ein Hitlerbild. Da wirkte er ganz reizlos, platt und hässlich, er interessierte mich nicht. Nach der Rückfahrt traute ich meinen Augen nicht. Als ich wieder auf das Hitlerbild blickte, sah er plötzlich ganz anders aus. Viel besser, viel sympathischer. Belebt und gewinnend.« Eckart Spoo hat Hitler nie gesehen. Wohl aber die Folgen. Seine Eltern – beide Ärzte – waren Mitglieder der NSDAP. Der Vater stirbt 1942 als Offizier in Russland den »Heldentod«. Als kleiner Junge kommt Eckart an einem KZ-Außenlager mitten in der Stadt vorbei. Er fragt zuhause beim Mittagstisch, was das für eigenartig dünne Menschen hinter dem Zaun seien. Die Antwort der Mutter: Das seien »schlechte Menschen«. Er soll da nicht vorbeigehen. Dass die Russen, gegen die sein Vater gekämpft hatte, schlechte Menschen, Untermenschen eben, sind, steht für den achtjährigen Eckart fest. Er ist empört, als die Mutter aus der Praxis ein großes Stück Rindfleisch mitbringt und sagt, sie habe einen verwundeten russischen Soldaten behandelt. Der Neunjährige: »Das, so fühlte ich tief und heftig, hätte sie nicht tun, namentlich meinem toten Vater nicht antun dürfen. Auch und schon gar nicht für ein Stück Fleisch.« Doch Eckart Spoo hatte sich schneller als ich aus dem Nazistaat befreit. Bei mir dauerte es bis zu meinem zwölften Lebensjahr, bis 1947, da hörte ich endlich auf, für den Führer und seine Wehrmacht zu schwärmen. Es war schließlich weniger Adolf Hitler, es war Goebbels, der Noelle gewann. Sie hatte als Austauschstudentin in den USA die Demoskopie kennengelernt und wollte so etwas auch für den Nazistaat nützen. Aber selbstverständlich, so schrieb sie 1940 in ihrer Dissertation, ganz anders als in den USA, nämlich »aus der deutschen Auffassung vom Wesen der Öffentlichen Meinung, nach der in den Worten des Reichsminister Dr. Goebbels die öffentliche Meinung ›zum größten Teil das Ergebnis einer willensmäßigen Beeinflussung ist‹.« Und so bot sie dem Propagandaminister die Demoskopie »als Hilfsmittel der Einfühlung in das wahre Wesen des Geführten an«. Goebbels hätte sie beinahe zu seiner Adjutantin gemacht. Doch das Demoskopiegeschäft konnte sie erst nach dem so unnötigen Tod des Ministers betreiben, in dem Allensbacher Institut, das sie seit 1948 mit ihrem Mann Erich-Peter Neumann betrieb. Sie hatte den fanatischen Antisemiten bei der gemeinsamen Arbeit für die Goebbels-Wochenschrift Das Reich kennengelernt. Jetzt arbeitete sie als Noelle-Neumann für Konrad Adenauer, beriet ihn, wie er die Remilitarisierung durchsetzen könne. In Mainz treffen sie aufeinander: Eckart Spoo und Elisabeth Noelle-Neumann, wie sie sich nun nannte. Der rheinlandpfälzische CDU-Fraktionsvorsitzende Helmut Kohl hatte 1964 der ständigen Volksbeschauerin aller CDU-Kanzler einen Lehrstuhl für Publizistik an der Universität Mainz besorgt. Die Studenten wehrten sich. Sie wollten die Goebbels-Demoskopin nicht als Lehrherrin für Zeitungswissenschaft haben. Sie sammelten das Geld, das die Universität nicht zahlen wollte und ließen Eckart Spoo zu Gegenvorlesungen anreisen. Ihm vertrauten sie. Aber die Propagandistin einer Goebbels-Demoskopie wurden die Studenten bis zu ihrer Emeritierung 1983 nicht los. Elisabeth Noelle-Neumann hat bis zu ihrem Tod 2010 gegen die Innere Pressefreiheit der Journalisten für die Verlagskonzerne und für die Industrie gearbeitet. Sie hat mit ihrer Erfindung der »Schweigespirale« den besorgten Bürgern, die »Lügenpresse« schreien und Journalisten verprügeln, eine Vorlage geliefert. Eckart Spoo hat die Deutsche Journalisten-Union mitaufgebaut und sie in seiner Zeit als Vorsitzender (1970–1986) zu einer kämpferischen Journalistengewerkschaft entwickelt. Schon zu seiner Studentenzeit, ab 1958, stand er an der Spitze des Widerstands gegen die Remilitarisierung. Und gegen die Kriege, die dieser Staat seit 1999 wieder führt. Mit der Gründung von Ossietzky 1997 setzt er den Kampf fort, den der Namensgeber mit der Weltbühne in der Weimarer Republik begonnen hat. Alle guten Wünsche für Eckart Spoo! Verlag und Redaktion Ossietzky gratulieren herzlich zum 80. Geburtstag.
Erschienen in Ossietzky 25/2016 |
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