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The Winner is DONALD TRUMP!

Amerikanische Nation tief gespalten - zwischen Pest und Cholera.

von Elmar Klink

Die Cholera hat den Kampf ums US-Präsidentenamt gegen die Pest knapp verloren. Beides sind Krankheiten zum Tode. Beides sind Seuchen, von denen in unseren Breiten eigentlich ausgegangen werden darf, dass sie bei Einhaltung allgemeiner Hygienestandards nicht mehr epidemisch auftreten können und sozusagen ausgerottet sind. Aber eine Seuche scheint sich in politischer Hinsicht über Hintertüren wieder in unser Leben einzuschleichen, die des Populismus. Sie verbreitet sich gerade weltweit und hat nach Europa auch in einem ungeahnten Ausmaß den amerikanischen Kontinent erreicht und grassiert derzeit im Stammland der Demokratie. Zum Teil tragen wir Menschen mit unserer mangelnden politischen Hygiene zu ihrer Verbreitung selbst maßgeblich bei. In den USA war es eine bisher bei Wahlen nie dagewesene Schmutzkampagne und Schlammschlacht, die die Verseuchung wesentlich mit verursacht und genährt hat.

Am Beginn des Zweiten Weltkriegs beschwor in seiner Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede (blood, sweat and tears) der britische Kriegsherr Winston Churchill die Bevölkerung unter größten anzunehmenden Opfern zum Durchhalten mit der Parole, man bekämpfe die Lüge (den Faschismus) im Namen einer Halbwahrheit (der Demokratie). Gibt es einen positiven Populismus im Unterschied zum negativen, dessen nahe Schwester die Korruption ist? Trump verkörpert beides: Populismus und Korruption, Clinton als Favoritin der Wall Street, des großstädtischen Establishments, wohlhabenden Bildungsbürgertums, der Farbigen und Frauen nur die Korruption. Sie ist keine Populistin, redet nicht dem Volk opportunistisch nach dem Mund, sondern vertritt professionell ein Programm, das Trump nie hatte. Sein Programm heißt vor allem BEWEGUNG, große aufstachelnde Gesten gegenüber den weißen Unterschichten und Männerwelten, die in ihm ihr Heil sehen. Man kann nicht sagen, dass Clinton das bei der verlorenen Wahl zum Verhängnis wurde, bei der sie absolut sogar eine dünne Mehrheit an Stimmen errang: 59,92 gegen 59,69 Millionen für Trump. Aber das amerikanische Wahlsystem des The winner takes all macht es möglich, dass man mit der einfachen Mehrheit an Stimmen in einem Staat alle seine Wahlmänner und Wahlfrauen für das “Electoral College” auf sich vereinen kann. Zuletzt geschah dies bei der Präsidentschaftskampagne von Al Gore gegen George W. Bush 2000. Am Ende standen vorläufige 228 für Clinton gegen 290 für Trump zu Buche bei 270 für den Sieg benötigten. Überhaupt lohnt sich noch ein kurzer aussagekräftiger Blick auf die Zahlenarithmetik, die jeden Kommentar zum Charakter dieses Sieges erübrigt und zeigt, wie knapp es zuging. Von den 313 Mio. Einwohnern der USA waren 231,56 Mio. stimmberechtigt. Die Wahlbeteiligung betrug 53,1 %, d .h. 46,9 % blieben gleich zuhause. Auf Clinton entfielen 25,6, auf Trump 25,5 % der Stimmen. Absolut auf 100 % umgerechnet haben noch 39 % der US-BürgerInnen gewählt, davon entfallen auf Trump 19 %, d. h. er wurde nicht mal von jedem 5. Amerikaner gewählt (vorläufige Zahlen ohne Michigan).

Nun ist soweit aus den Medien und Zeitungsnachrichten bekannt, was in der Wahlnacht vom 8. bis 9.11. in Washington ablief und braucht hier nicht noch mal berichtet zu werden. Mit Verspätung hat Clinton gegenüber ihrem Gegner erst im Lauf des Tags danach ihre Niederlage eingestanden, ebenfalls ein Novum, und ihm zum Sieg gratuliert. Schwer vorstellbar, dass Trump dies nach seiner dreisten Ankündigung, auf jeden Fall einen Clinton-Sieg nicht anzuerkennen, ebenso gemacht hätte. Wir hätten es vermutlich mit einer Wahlanfechtung zu tun bekommen bei ähnlich knappem Ausgang. Mit Trump hat für viele auch kritisch Außenstehende das “größere Übel” gewonnen, die Nation ist tief in zwei gleich große Lager gespalten mit Battlegrounds (Stammmwählerstaaten) in jeweils bestimmten verteilten Regionen der USA; grob gesagt der Westen und Teile des Südwestens sowie des Nordostens, gegen den Süden, die große Mitte und den Südosten. Von den sog. Swing-Staaten, also den Wechsel wählenden, gingen von der Anzahl der “Wahlmänner” entscheidende wie Ohio, Pennsylvania und Florida für Clinton verloren, die Barack Obama bei der Wahl vor vier Jahren noch gewinnen konnte. Dieses Mal oft mit nur 1-2 % Prozent Ergebnisdifferenz bei den Stimmen. Nun war der Schock sichtlich groß, stand den Anhängern im Lager der Esel und Blauen, also der Demokraten, das Entsetzen in den Gesichtern. Während die Elefanten und Roten, also die Republikaner, überschwänglich im Hilton Hotel feierten und ihren designierten Präsidenten mit USA-Rufen hochleben ließen. Als letzter Affront quasi gegen Clinton ertönte zum Ausklang der Wahlparty Trumps im Saal der Rolling Stones Song “You can’t always get what you want”.

America first, make America strong again, zwei von Trumps zentralen populistischen Parolen, dürften auf der Weltbühne sein “Programm” in den nächsten Jahren deutlich kennzeichnen und bestimmen. Es ist noch zu früh, zu spekulieren und zu mutmaßen, was er von seinen vollmundigen Ankündigungen im Wahlkampf jetzt realistisch umsetzen kann, z. B. den Bau einer über 3.000 km langen Mauer an der Grenze zu Mexiko, den Mexiko selbst bezahlen soll und die geplante Ausweisung von angenommenen 11 Mio. “Illegalen”, die in der US-Wirtschaft dringend zur Ausbeutung gebraucht werden usw. Tatsache ist, dass dieser nervöse, reizbare Trump mit Cholerikertemperament und den Mehrheiten in den beiden Kongresshäusern zumindest für die nächsten zwei Jahre eine ungeahnte imperiale Machtfülle haben wird und er sitzt gefährlich nah in Reichweite des atomaren Buzzers, Seine tumbe Philosophie ist, warum Waffen, die man hat, nicht auch gegebenenfalls einsetzen? Mit dieser Mehrheit im Rücken könnte er auch alles mögliche sofort wieder rückgängig machen wie die Gesundheitsrefom Obamas von 2010, was eigentlich jetzt ein unbedingtes Muss wäre, genauso wie den syrischen Flüchtlingen die Aufnahme zu verweigern die Zuwanderung islamischer Gläubiger zu stoppen. Trump will seinem falschen Narrativ gemäß, Amerika läge wirtschaftlich am Boden, das amerikanische Wirtschaftswachstum verdoppeln, aus den Klimaver-pflichtungen des Vertrages von Paris aussteigen und setzt vermehrt auf Kohle, Öl und Atomkraft. Das Atomabkommen mit dem Iran will er aufkündigen. Es tun sich mögliche neue Koalitionen mit rechten Populisten anderswo, etwa in Europa (Frankreich, Holland, Polen, Ungarn) oder in Asien (Philippinen, Japan) auf, zumindest die deutsche AfD hat ihm freudig zur Wahl gratuliert. Und mit Putin, zwar kein Populist, aber ein ausgemachter Geheimdienst-Apparatschik, für den die Welt nur nach diesen Gesetzen funktioniert, deutet sich auch ein anderes Auskommen an als es von der Hardlinerin Clinton zu erwarten gewesen wäre. Hier trifft sich Oligarch mit Oligarchem

Man wird für eine ganze Weile vermehrt nach den USA blicken, nicht nur in deutschen politischen TV-Talks dieser Woche. Kanzlerin Merkel hat in ihrer Glückwunschadresse Trump gleich eine verklausulierte Belehrung in Sachen Menschenrechte- und demokratische Politikstandards mitgeliefert, hat mahnend die westliche Wertegemeinschaft zitiert. Der EU-Kommissionspräsident Juncker betonte begleitend zur ausgesprochenen Einladung an Trump zum gemeinsamen Gespräch, wir werden Trump kennenzulernen, er ab er auch uns. Aus dem Vatikan kam die Botschaft, Trump in die Gebete mit einzuschließen, dass Gott ihn erleuchten möge. Hier klingen unverhohlen schon fast ironische und im Fall Merkels und Junckers leise drohende Töne an. Im wahrsten Sinn des Wortes wird es mit Trump “spannend“ und unberechenbarer werden. Er wird in seiner erratischen Art noch viele auf der Weltbühne verblüffen, vor den Kopf stoßen, ja sogar verprellen und herausfordern. Ein Feld, auf dem er sich bisher verbal eher noch zurückhält. Der ihm unterstellte “Isolationismus” und das Rückzugsgebaren etwa aus der NATO hat mehr mit Unerfahrenheit zu tun als mit Programmatik. Er kann sich nicht ohne weiteres aus dem Beistandsgrundtenor des NATO-Vertrags davonstehlen. Eine offene Frage ist auch inwiefern er sich von seinen Beraterstäben belehren und nachhelfen lassen wird, von denen er abhängt. Er wird auf jeden Fall nicht ohne gute und besonnene auskommen.. Kann das einer, der sich aus seiner rigorosen Ellenbogenart, Geschäfte zu führen (und in den Sand zu setzen!) für einen unwiderstehlichen Selfmademan und Alleskönner hält, überhaupt? Zweifel sind sehr angebracht, Befürchtungen ebenso.

Trump müsste zunächst viele Scherben, die er als republikanischer Elefant im Wahlkampf verursacht hat, beiseite räumen. In seiner ersten improvisierten freien, aber nicht minder einstudierten “Reception Speech“ (Wahlannahme-Rede), schlug er staatsmännisch versöhnliche Töne an und forderte zur gemeinsamen Arbeit über die Gräben hinweg auf, die er selbst am meisten und tiefsten aufgerissen hat. Das klingt kaum glaubwürdig, beinahe schon zynisch. Er präsentierte sich natürlich auch als Präsident aller Amerikaner. Das sind alles eher leere Floskeln, wenn man sich seine Auftritte in den TV-Duellen angesehen hat, wo er praktisch die Repräsentantin der anderen Hälfte der Nation übel beschimpft, als Lügnerin bezeichnet, mit Schmähungen und Drohungen überzogen hat, sie als erstes nach einem Sieg vor Gericht stellen und einsperren zu lassen (was er gar nicht kann). Hier hat er alle denkbaren Bögen nicht nur des moralischen Anstands, sondern auch der political correctness maßlos überspannt und teils ins Absurde gerückt.

Er ist von seiner Anlage her ein Angstmacher, Maßloser und autoritärer Droher, eine Axt im Wald, wenig Diplomat, mit derber Holzfällermentalität in Sachen Geschlechtersensibilität, ein Frauenfeind, Rassist und Verächter der Latinos. Er ist bar jeder menschlichen Demut, Bescheidenheit und Empathie, also kaum jemand, den man auf die politische Bühne loslassen dürfte. Niemand weiß, was er eigentlich genau will, wem seine Interessen und sein Engagement gelten als sich vor allem selbst herauszustellen. Für ihn geht Politik ungefähr so wie man ein Unternehmen rücksichtslos im Konkurrenzkampf führt. Er verkörpert nicht die platte Aufstiegs-ideologie vom Tellerwäscher zum Milllionär. Er selbst startete bereits mit den Millionen seines Vaters in eine Karriere. Der gegenwärtige Trump-Diskurs hierzulande ist stark geprägt von Ängsten und Befürchtungen über das, was mit ihm kommen könnte. Vieles davon bleibt Annahme und Spekulation. Außer den teils wirren und widersprechenden Punkten, die er immer wieder bei seinen Auftritten während der Wahlkampagne lautstark vortrug, gibt es kein ausformuliertes Regierungsprogramm und bis auf wenige Namen keine Regierungsmannschaft. Sein Vize Mike Pence wird als streng religiös Gläubiger Trump den Rückhalt aus dem religiösen, vor allem evangelikalen Lager garantieren. Man kann sich Trump gar nicht vorstellen, wie er eine staatsmännische Rede hält. Der Trump-Maschinerie ist beinahe jedes Mittel recht, die Menschen zu täuschen und für sich einzunehmen. So kupferte Trumps Ehefrau Melania im Wahlkampf wörtlich Passagen aus einer Rede von Michelle Obama von 2008 ab und erhielt dafür viel Beifall. Und ein solcher Ehemann von ihr befindet sich nun im oval office.

Auf Trump werden gleichwohl drei Faktoren einhegend und bremsend wirken. 1. Die Gesetze kapitalistischer Ökonomie im eigenen Land und der Weltökonomie (Chinas Investitionen und Geldanlagen in den USA sind immens); 2. Das politische System und die Verfassungsrealität der USA, einschließlich seiner eigenen Partei und 3. Sein eigener Beraterstab. Viele sagen, der Trump des Wahlkampfes wird nicht der Trump im Präsidentenamt sein, daran mag sogar etwas stimmen. Vielleicht wird man sich schon auf eine ganze Trump-Ära einrichten müssen. In seinen Fußstapfen warten schon zwei Söhne und die Tochter Ivanka aus erster Ehe, die alle drei Vizepräsidenten der Trump-Organization und unternehmerisch tätig sind. Vielleicht könnte dann die erfolgreiche Tochter nach vier bis acht Jahren Donald Trump die erste weibliche US-Präsidentin werden? Auszuschließen ist nichts.

© Elmar Klink, Bremen, 9./10.11.2016. ElK-Texte (Politische Dossiers). Kontakt: Elmar.Klink(at)gmx.de. Mit freundlicher Genehmigung des Autors.

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sopos 11/2016