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Das Pariser Enthüllungsblatt Le Canard Enchainébrachte in Erfahrung, dass Olivier jeden Monat 45 Euro mehr verdientals ein Minister aus dem Kabinett Hollande. Olivier soll demVernehmen nach sogar an den Staatsgeschäften teilhaben, indem erseinen noblen Gönner mit wertvollen Informationen versorgt. Auchsoll der Präsident gelegentlich, wenn er sich von seinenReferenten genervt fühlte, gesagt haben: »ErzählenSie das bitte meinem Friseur.« Das scheint durchaus positiveAuswirkungen auf die französische Politik zu haben, wie inhöchsten Regierungskreisen vermutet wird. Mit seinen Schönheitsambitionen steht François Hollande übrigensnicht allein. So beschäftigte sein ehemaliger ChefberaterAquilino Morelle einen persönlichen Schuhputzer. Inwieweit dieansehnlichen Schneiderrechnungen der Pariser Politikerkaste, ihreAufwendungen für erlesenes Schuhwerk und edle Kopfbedeckungensowie die Dienste ihrer Visagisten aus der Staatskasse beglichenwerden, ist derzeit noch nicht bekannt, aber mehrere investigativeJournalisten sind bereits mit der Recherche befasst. Ob derleiEnthüllungen allerdings in irgendeiner Form Konsequenzen habenwerden, ist fraglich. Werden Mindestlöhne im Friseurhandwerksich künftig am Stundensatz des Pariser Coiffeurs orientieren?Während die Plebejer ihre Arbeit verrichten, Schuhe putzen undHaare schneiden, sitzt der Pariser Sozialismus nach wie vor fest imSattel. Das ist Elite, eine neue Nobilitas, an der sich andereeuropäische Staatenlenker von Berlin bis Warschau ein Beispielnehmen können, zum Teil sogar schon genommen haben. So steht derdeutschen Bundeskanzlerin diskret, aber wirkungsvoll sowohl imKanzleramt als auch auf Reisen eine angemessen dotierte Visagistinfür die Frisur und das Make-up zur Seite. Ehre, wem Ehregebührt, und Schönheit, wem die Macht gehört! Wolfgang Bittner In Frankreich tobt der Wahlkampf. Noch nicht offiziell, aber hinter den Kulissen hat schon ein Hauen und Stechen begonnen. Es geht um die Wahl des mächtigsten Amtes der französischen Republik am 23. April und 7. Mai 2017. Den gegenwärtigen Präsidenten François Hollande wollen viele beerben. Dass der Totengräber der französischen Sozialdemokratie noch einmal antritt oder gar wiedergewählt wird, hat er Mitte September durch die Veröffentlichung einer provozierenden Sammlung von Interviews mit dem Titel »Un président ne devrait pas dire ça ...« (Ein Präsident sollte so etwas nicht sagen) höchstselbst ad absurdum geführt. Seine derzeitigen Beliebtheitswerte schwanken zwischen fünf und acht Prozent. Innenpolitisch werden ihm die hohen Arbeitslosenzahlen angelastet, außenpolitisch hat er jegliche französische Selbständigkeit zugunsten der USA und Deutschlands aufgegeben. Fazit von Hollandes Quinquennat für die Franzosen: fünf verlorene Jahre. Und wenn der frühere Präsident Jacques Chirac nicht im Jahre 2000 die siebenjährige Amtszeit (Septennat) abgeschafft hätte, wären es sogar zwei Jahre mehr geworden. Offiziell will die Parti socialiste ihren Kandidaten erst im Januar küren, doch schon jetzt ist allen klar, dass es ein Sozialdemokrat nicht einmal in die Stichwahl am 23. April schaffen würde. Zudem gibt es in der PS heftige Kämpfe zwischen einem schwachen linken und einem starken rechten Flügel. Auf der Seite der bürgerlichen Rechten, die sich nun Les Républicains nennen, sieht es nicht besser aus. Hier soll am 20. November der Kandidat nach US-Vorbild durch primaires (Vorwahlen) bestimmt werden, an denen sich jeder beteiligen kann, der sich registrieren lässt und zwei Euro zahlt. Der schillerndste Anwärter ist Expräsident Nicolas Sarkozy, der in seinen programmatischen Äußerungen selbst den radikalen Front National oft links liegen lässt. Dabei schreckt er vor rassistischen Äußerungen und Provokationen wie der Leugnung des Klimawandels nicht zurück. Ob ihm das wirklich den Weg zurück zur Macht ebnet, ist eher zweifelhaft, zumal 79 Prozent der Franzosen sich seine Rückkehr in den Élysée-Palast nicht vorstellen können. Bessere Chancen hat der Bürgermeister von Bordeaux, Alain Juppé. Zwar wurde der frühere Minister im Dezember 2004 zu 14 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung sowie einem Jahr Wahlverbot für öffentliche Ämter verurteilt, aber seitdem hat er sich offiziell nichts zu Schulden kommen lassen. Er gibt sich moderat und seriös und liegt in den Umfragen weit vorn. Bei den französischen Grünen (EELV – Europe Écologie Les Verts) sieht es kaum besser aus. Sie sind inzwischen bekannt dafür, dass sie nach den Wahlen gern ihre Prinzipien für lukrative Ministerposten opfern und haben längst nicht das Potential ihrer deutschen Schwesterpartei. Auch hier wird mit harten Bandagen gekämpft. Erst vor ein paar Monaten wurde die langjährige Vorsitzende Cécile Duflot spektakulär aus dem Führungsgremium gewählt. Ansonsten fordert man gern mal die 32-Stundenwoche, distanziert sich aber vehement von der einzigen Partei, die das ebenfalls im Programm hat. Kommen wir also zur Linken. Kann sie von den Diadochenkämpfen der Sozialdemokraten und Republikaner profitieren? Auch hier befehden sich diverse Strömungen. Vor allem die einstmals stärkste Partei Frankreichs, die Kommunisten (Parti communiste français PCF), spielen eine unrühmliche Rolle. 1978 hatte die Partei es noch auf 86 Sitze im Parlament gebracht, heute sind es nur noch neun, und das auch nur durch das Wahlbündnis Front de gauche mit der Linkspartei von Jean-Luc Mélenchon. Man profitierte bei den letzten Wahlen von dem redegewandten Zugpferd der Linken, verweigert ihm jedoch nun jegliche Unterstützung. Stattdessen setzt die PCF anscheinend auf den linken Sozialdemokraten und ehemaligen Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg, der bei den Vorwahlen der PS im Januar kandidieren will. Schon im Januar 2016 sprach sich die Kommunisten für eine Vorwahl (primaire) aller Linken aus, einschließlich der regierenden PS. Die PCF lebt von ihrer Substanz. Von ihrem einstigen Immobilienbesitz ist nicht mehr viel übrig, selbst die legendäre, von Oscar Niemeyer entworfene Parteizentrale könnte demnächst zur Disposition stehen. Das Parteiorgan Humanité, einst von Jean Jaurès gegründet, wurde vor einigen Jahren in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt, an der unter anderem der Privatsender TF1 und der Rüstungskonzern Lagardère beteiligt sind. Die neun verbliebenen Abgeordneten sind für die Partei auch finanziell lebenswichtig. Mélenchon bekam 2012 bei den letzten Präsidentschaftswahlen 11,1 Prozent. Seine aktuellen Werte liegen je nach Umfrage zwischen 14 und 18 Prozent. Eine Vorwahl, an der auch die Sozialdemokraten des François Hollande beteiligt sind, hat er stets abgelehnt. Es sieht also ganz danach aus, dass die Linkspartei bei den Präsidentschaftswahlen nicht auf die Unterstützung der PCF rechnen kann. Mélenchon könnte es zumindest in die erste Wahlrunde schaffen. Dann allerdings könnte die Wahl wieder so ähnlich verlaufen wie schon 2002, als sich alle hinter Jacques Chirac stellten, um einen Präsidenten Jean-Marie Le Pen zu verhindern. Am 23. April kommen die Kandidaten der Republikaner und des Front National, also vermutlich Alain Juppé und Marine Le Pen in die Stichwahl. Ob das Endergebnis so wie vor 15 Jahren ausfallen wird, ist alles andere als sicher. In den USA heißt der neue Präsident Donald Trump. Ob mit ihm das kleinere Übel gewählt wurde, lässt sich nicht sagen. Wohl aber dies: Eine wirkliche Wahl hatten die Amerikaner spätestens nach dem Ausscheiden Bernie Sanders nicht. Und wir in Deutschland? Unser Präsident hat »nur« eine repräsentative Funktion, und wählen dürfen wir ihn ohnehin nicht. Die üblichen Verdächtigen haben bereits abgelehnt. Aber selbstverständlich haben unsere staatstragenden Parteichefs jemanden gefunden, der staatstragende Sätze formulieren kann und sich im Ausland nicht daneben benimmt. Steinmeier wird also Präsident. Warum ist eigentlich Günther Jauch nicht gefragt worden?
Erschienen in Ossietzky 23/2016 |
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