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Während über den Sturm und seine Folgen in Haiti und in den USA breit in Wort und Bild informiert wurde, wurde über sein Wüten im Osten Kubas so gut wie gar nicht berichtet, als ob der Monsterhurrikan geradewegs von Haiti nach Florida gezogen sei. Das Handelsblatt zum Beispiel berichtete kurz und bündig: »Matthew wütete zuerst in Haiti, dann in Florida und North Carolina.« Dabei tobte sich der verheerende Wirbelsturm über dem Südosten Kubas mit der gleichen Urgewalt, mit Windgeschwindigkeiten von über 300 Kilometern in der Stunde, wie über Haiti aus und verursachte gewaltige Schäden. Besonders betroffen war Baracoa, die älteste Stadt des Landes mit ihren vielen historischen Häusern aus der spanischen Kolonialzeit. 70 Prozent der Gebäude, darunter Schulen und Versorgungsanlagen, wurden zerstört oder schwer beschädigt. Telefon-, Funk- und Fernsehnetz brachen zusammen, und der Ort wurde vorübergehend von der Außenwelt abgeschnitten. Nach Berichten von Augenzeugen war es die Hölle auf Erden. Warum, so muss man fragen, berichtete das öffentlich-rechtliche bundesdeutsche Fernsehen wie übrigens auch die Mehrzahl der sogenannten Leitmedien so detailliert über den Hurrikan und seine Folgen in Haiti, dem ärmsten Land des amerikanischen Doppelkontinents, sowie in den USA, und informierten so gut wie gar nicht über das Wüten des Sturmes auf Kuba? Es lag wohl daran, dass das »kommunistische Regime« des Landes den Kampf gegen die Naturgewalt organisierter und letztlich erfolgreicher führte. Wie auch bei vorangegangenen Hurrikans bewährte sich das Frühwarnsystem. Der Zivilschutz, die Defensa Civil, arbeitete wie auch bei früheren Wirbelstürmen nach der Devise: »Das Wichtigste in dieser Phase ist die gute Vorbereitung.« Diese wurde von Präsident Raúl Castro koordiniert, der sich persönlich zu diesem Zweck nach Santiago de Cuba begeben hatte. So wurden nahezu 1,5 Millionen Menschen rechtzeitig evakuiert. Während dem Hurrikan in Haiti über 1000 Menschen zum Opfer fielen und in den USA laut der Nachrichtenagentur AP 33 Tote zu beklagen waren, forderte der Sturm in Kuba kein einziges Menschenleben. Trotz der schweren Folgen im eigenen Land wurden umgehend 38 Spezialisten für Katastrophenmedizin und Epidemien der internationalen Brigade Henry Reeve ins benachbarte Haiti entsandt. Sie werden die 600 bereits dort arbeitenden kubanischen Ärzte bei der Versorgung der Bevölkerung unterstützen. Nein, darüber zu berichten, das lohnte sich nicht. Es wäre doch ungewollt eine Propaganda für die rote »Insel der Hoffnung« geworden. Das aber musste um jeden Preis verhindert werden. Und die Nichtberichterstattung hatte gewiss auch noch einen anderen Grund. In ihr offenbarte sich ein weiteres Mal der Hass der Antikommunisten auf ein Land, das sich unter widrigsten Bedingungen dem beispiellosen Druck seitens der USA und deren Verbündeten, die Bundesrepublik ist unter ihnen einer der zuverlässigsten, nicht gebeugt hat. Über ein solches Land können die Monopolmedien nicht sachlich, wahrheitsgemäß berichten. Wo kämen wir denn hin, wenn beispielsweise Herr Kleber vom ZDF darüber informieren würde, dass der kubanische Staat jedem seiner Bürger eine kostenlose medizinische Versorgung garantiert, weltweit mehr medizinisches Personal als die gesamte WHO im Rahmen ihrer Hilfsprogramme in bedürftige Länder entsendet, dass sein Bildungssystem zu den besten in Lateinamerika gehört und für alle Bürger kostenlos ist, dass das Land im Prinzip keine Analphabeten hat, eine der niedrigsten Kindersterblichkeitsraten in der Welt aufweist und weltweit das einzige ist, das vom WWF eine »nachhaltige Entwicklung« bescheinigt bekam, und dass Kuba zu den ersten Staaten der Welt gehört, die eine umweltverträgliche Entwicklung in die Verfassung aufnahmen? Darüber zu berichten, das kann von unseren demokratischen, freiheitlichen Fernsehanstalten nicht verlangt werden. Schließlich ist solch ein Naturereignis wie »Matthew« in den mächtigen USA für die hiesige Berichterstattung doch weitaus wichtiger als dessen Folgen in dem kleinen, aber immer noch roten Inselstaat, der für die Vereinigten Staaten ein schmerzender Dorn im Auge ist. Daran wird sich vorerst auch nichts ändern, obwohl beide Staaten wieder Botschafter ausgetauscht haben und Schritt für Schritt ihre Beziehungen normalisieren wollen. In Havanna weiß man sehr wohl, dass Washington versucht, alte Ziele mit neuen Mitteln zu erreichen. Die kubanische Führung ist durchaus in der Lage, »neue Töne« in der Rede Obamas vom Dezember 2014 zu dechiffrieren. Der US-Präsident hatte unter anderem erklärt: »Mit diesem wohl bedeutsamsten Wandel der letzten 50 Jahre in unserer Politik werden wir eine veraltete Politik beenden, die unseren Interessen jahrzehntelang nicht dienlich war. Anstatt dessen werden wir damit beginnen, die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern zu normalisieren … Aber ich meine, dass wir das kubanische Volk stärker unterstützen und uns noch besser für die Verbreitung unserer Werte dort engagieren können. Schließlich stellen wir nach 50 Jahren fest, dass die Isolierung Kubas nicht funktioniert hat. Jetzt ist der Moment für eine neue Politik.« (www.zeit.de) So ist es nicht verwunderlich, dass Fidel Castro in einem Brief an den kubanischen Studentenverband zwar den Prozess der Annäherung begrüßte, jedoch zugleich betonte: »Ich traue der Politik der USA nicht.« Und als Obama während seines Besuches in Kuba im Großen Theater von Havanna gesprochen hatte, wies der langjährige Comandante en Jefe dessen in »honigsüße Worte« verpackte Aufforderung zurück, die Kubaner sollten ihre Vergangenheit vergessen. Bei diesen Sätzen, so Fidel, lief »jeder von uns Gefahr, einen Herzinfarkt zu bekommen« (Volker Hermsdorf: »Die Kubanische Revolution verteidigen«, www.jungewelt.de). Angesichts dieser Haltung ist es alles andere als zufällig, dass gerade der ältere der Castro-Brüder für die Antikommunisten einer der weltweit meist gehassten Politiker ist. Wie weit dieser Hass geht, dafür lieferte der Bild-Kolumnist Franz Josef Wagner schon vor zehn Jahren ein besonders schönes Beispiel. Zur Krankheit des kubanischen Revolutionsführers meinte er im August 2006: »Niemand weint auf Kuba … Ich hoffe, dass euch der Tod von Fidel Castro befreit – und ihr auf euren Zucker-Plantagen, Zigarrenmanufakturen lacht. Der Tod als Glück – das wünsche ich den Menschen auf Kuba. Herzlichst Ihr F. J. Wagner.« Mittlerweile hat der Totgeweihte seinen 90. Geburtstag begangen. Unter Fidel Castros Führung und unter der seines Bruders Raúl haben die Kubaner bisher allen Stürmen, gleich welcher Art, die Stirn geboten. Wenn ARD und ZDF wie auch die anderen Leitmedien über das Wüten eines Hurrikans in Kuba und den Einsatz seiner Bürger gegen diese Naturgewalt nicht einmal wenigstens sachlich berichten, so ist das ein Armutszeugnis und ein offenkundiger Verstoß der Fernsehanstalten gegen die so feierlich verkündeten eigenen Grundsätze, die sie zu »Sachlichkeit, Objektivität, Ausgewogenheit, Unabhängigkeit und Fairness« verpflichten. Das Verschweigen der Wahrheit ist auch eine Lüge. Die Kubaner sind das gewöhnt. Sie haben dafür ein bewährtes Sprichwort: Una mentira se ejecuta hasta que es alcanzado por la verdad. – Eine Lüge läuft, bis sie von der Wahrheit eingeholt wird.
Erschienen in Ossietzky 22/2016 |
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