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So öffnen sich mir Wege in den Dialog.« Eine behütete Kindheit erlebt sie in Meißen und Dresden, auch mit Ballett- und Musikunterricht. Daher rührt später wohl auch die große Verehrung für die Tanzpädagogin Pina Bausch, die sie während ihrer Proben skizzieren kann. Es entstehen schon vor diesem Treffen ihre Bilder »Der Tanzmeister und das Kind« (1980) und wenig später »Der Tanzmeister«. Doch als Kind blieb ihr auch das Inferno von Dresden nicht erspart. Tief in ihr Gedächtnis eingegraben haben sich die Bombennächte: »Das nicht im Vergleich zu Erfassende, die Angst, wandelte an der Grenze des Bewusstlosen … Eine Flammenwand legte sich schräg …« Nach einem Studium an der Berliner Ingenieurschule für Bekleidung, Fachrichtung Modegestaltung, und an der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee, Fachrichtung Grafik, arbeitet sie seit 1960 als Malerin und Graphikerin freischaffend. An der Akademie der Künste ist sie von 1971 bis 74 Meisterschülerin von Werner Klemke. Sie gehört dem Künstlerverband der DDR an, hat dort verantwortungsvolle Funktionen und ist nach 1990 Mitglied einiger Künstlerverbände. Um zu überleben, muss sie seit 1993 als Arzthelferin und Allergieassistentin in der Praxis ihres Mannes, Karl-Gustav Meyer, mitarbeiten, denn nach der Wende gibt es für sie keine Auftraggeber mehr. Hinzu kommt, dass ein Alteigentümer sie aus ihrem mühevoll aufgebauten Atelier im Berliner Prenzlauer Berg zwingt. Ihre Buchgestaltungen von 1965, 1966 und 1988 werden als »Schönste Bücher« dieser Jahre ausgezeichnet. Sie erhält den Kunstpreis der Stadt Berlin, den Max-Lingner-Preis der Akademie der Künste, den Kunstpreis der DDR, den Vaterländischen Verdienstorden der DDR in Silber und 1989 den Nationalpreis. Sie beteiligt sich an zahlreichen Ausstellungen, ihre Werke befinden sich in Museen und Sammlungen. Schon früh ist sie von Musik begeistert. »Als Kind besaß ich die uneingeschränkte Fähigkeit, mich an Musik zu verlieren«, erzählt sie. Gemeinsam mit ihr besuchen wir die Konzerte in der Klosterruine während des »Choriner Musiksommers«. Ihr Kommentar zu den Gewohnheiten des dortigen Publikums: »In Chorin umessen die Genießer die Musik.« Diese wunderbaren Erlebnisse verwehrt ihr jetzt eine heimtückische Krankheit, der sie mit Geduld und Tapferkeit entgegentritt. Es gibt Landschaften von ihr, angeregt durch Musik, ruhig, voller Harmonie, zum Beispiel eine »Kleine Landschaft in B-Dur« (1985) und »Mondnacht in Wustrow« (1988). Mit ersten großen Bildern, unter anderem »Spielendes Kind« (1974) und kurz darauf »Kind und Eltern« (1976), schreckt sie die Ausstellungsbesucher auf; eine tragische Gleichgültigkeit und Vereinsamung lässt den Betrachter frieren. 1995 greift sie dieses Thema in »Falle der Einsamkeit« wieder auf. Von großer Einfühlung und Sorge getragen ist »Die Mutter mit dem Kinde« (1984/85). Zärtlich drückt die Frau – ein Selbstbildnis der Malerin – ihr Neugeborenes an sich, ein Fadenkreuz zerschneidet das Bild. Die sparsame, kostbare Farbigkeit verstärkt den Eindruck. Dieses Kreuz taucht auch in »Prometheus bemerkt das Spiel mit dem Feuer« (1986) wieder auf, Metapher für die wachsende Bedrohung durch die Atombombe in einer unsicheren Welt. Die Künstlerin kann nicht stillschweigen, alles schreit in ihr, sie will ins Gewissen reden und warnen – gleich ihrer Kassandra (»Kassandra sieht ein Schlangenei« von 1981). Sehen die Menschen die Gefahr nicht, die furchtbare faschistische Verblendung und ihr vernichtendes Ziel? Im »Tanzmeister, ein Bild über die falschen Töne« (1980/81) wiederholt sie eindringlich diesen Ruf. Es beunruhigt sie, in welchem Maß Rassismus und Brutalität zunehmen (»Mein schwarzes Kind« von 1990 und »Der Ausländer« von 1991) und wie Menschen schweigend wegsehen. In ihrer farbigen Kreidezeichnung »Drogen-Pietà – FURIOSA« (1990) hält eine Mutter ihr Kind den Betrachtern anklagend entgegen, fordernd: Tut doch etwas, wehrt euch! Lasst nicht zu, dass junge Menschen keine Perspektive haben und den falschen Ausweg suchen. Dieses Pietà-Motiv, bezogen auf die christliche Ikonographie, eignet sich ebenso wie die antike Mythologie, um intensive Aussagen zur Gegenwart zu machen. Es ist bedauerlich, dass das beeindruckende Gemälde »Die Rosa« (1987), ein Ganzkörperporträt der Rosa Luxemburg, nach 1990 nur in einer Ausstellung im Berliner Ephraim-Palais und in einer kleinen Bilderschau des Klubs »Spittelkolonnaden« zu sehen war und dann wieder im Depot des Schweriner Staatlichen Museums verschwand. Heidrun Hegewalds Graphiken und Zeichnungen sind oft schroff und sperrig; sie springen den Betrachter an, unter anderem die »Kassandra. Der verschluckte Schrei« (1983) oder »Freiheit, das deutsche Schindluder« (1991). Es gibt Blätter, die man nicht vergisst, die einen verfolgen. Dazu gehören die aufrüttelnden Illustrationen zu Bruno Apitz’ Novelle »Esther«. Viele solcher Bilder sind aus den großen Kunstausstellungen der DDR in Dresden bekannt. Nach der Wende gab es zahlreiche Ausstellungen, so in der Willi-Sitte-Galerie für realistische Kunst in Merseburg, in der Ladengalerie der jungen Welt und in der GBM-Galerie Berlin. Der unendliche Reichtum des Schaffens Heidrun Hegewalds darf nicht in den Depots verschwinden. Diese Künstlerin hat unübersehbare Zeichen gesetzt. Sie geht auch heute konsequent ihren Weg als Warnerin und Mahnerin. Bleibt zu wünschen, dass Kraft und Lebensmut noch für viele Jahre reichen.
Erschienen in Ossietzky 21/2016 |
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