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Dem Tag der Unterzeichnung des Friedensabkommens (26. September) ging ein annähernd vierjähriger Verhandlungsmarathon und ein 52-jähriger, zumeist blutig geführter Bürgerkrieg voraus. Wichtige Abschnitte des Abkommens zur Beendigung des Konfliktes, in dem es keinen Gewinner gibt, sind darauf gerichtet, die Kämpfer des FARC-Lagers wieder in die Zivilgesellschaft einzugliedern. Weitere Textteile wollen Konfliktursachen ausschalten. Dazu gehören eine Landreform, die künftige Teilhabe der FARC-Mitstreiter am politischen zivilen Leben. Ansätze für die Bekämpfung des Drogenunwesens sind formuliert, wie auch die Entschädigung der Opfer. Intensiv verhandelte Punkte waren die Entwaffnung der FARC-Kämpfer sowie eine spezielle Gerichtsbarkeit zur Aufarbeitung der Verbrechen, die im Verlauf des Konflikts von beiden Seiten begangen wurden. Die Führung der FARC erklärte in einem Kommuniqué den Willen zum Frieden und ihre Bereitschaft »ausschließlich das Wort als Waffe für den Aufbau der Zukunft zu nutzen«. Sie bat alle Opfer um Entschuldigung (www.pazfarc-ep.org). Der kolumbianische Staatspräsident, Juan Manuel Santos, wollte sich nicht mit der Unterschrift zum Abkommen begnügen und ordnete die Durchführung einer Volksbefragung an. Unerwartet votierten 50,2 Prozent der abgegebenen Stimmen gegen das Abkommen, bei einer Wahlbeteiligung von mageren 37 Prozent. Setzt man die Nein-Stimmen mit der Zahl der Wahlberechtigten ins Verhältnis, so bleiben als Nein-Stimmer 18,8 Prozent. In den ländlichen Gebieten, wo der Bürgerkrieg hauptsächlich tobte (zum Beispiel in El Choco, Vaupés, Cauca, Putumayo, La Guajira), sprechen die Zahlen noch eine andere Sprache zu Gunsten des Friedens. Hinfällig jedoch ist das Friedensabkommen damit nicht. Das vor der Abstimmung vom Präsidenten angerufene Verfassungsgericht Kolumbiens hatte festgelegt, dass das Plebiszit rechtlich nicht bindend sei. Es könne, falls erforderlich, nachverhandelt werden. Das Lager der Nein-Stimmen verbreitete im Vorfeld der Befragung Angst vor Enteignungen und vor Verhältnissen, wie sie im Nachbarland Venezuela aktuell herrschen. Der frühere kolumbianische Präsident Álvaro Uribe Vélez, ein Verfechter des Neoliberalismus à la USA, trat voll auf die Bremse. Er übt starken Einfluss über die Medien aus. Schon die Rolle Kubas und Venezuelas als Mediatoren der Friedensverhandlungen war Uribe suspekt. Der UNO-Generalsekretär, die Direktorin des Internationalen Währungsfonds, der Papst und die Präsidenten vieler Länder der Welt würdigten das Abkommen als bedeutsam für die ganze Welt. Das Friedensnobelpreiskomitee fasste am 7. Oktober den Beschluss, Präsident Santos für seine Initiative und für die Suche nach einem Ausweg aus der Gewaltspirale mit dem Friedensnobelpreis auszuzeichnen. Der Preis soll im November überreicht werden. Hoffentlich nicht zu große Vorschusslorbeeren. Der kolumbianische Friedensvertrag stützt sich auf Traditionen lateinamerikanischer Politiker, Humanisten, die ein besonderes Verhältnis zu Krieg und Frieden entwickelt haben. Der geschichtliche Verlauf belegt, dass Lateinamerika vom Grundsatz her ein Kontinent des Friedens zwischen seinen Ländern ist und war. Im Gegensatz zu Europa oder Afrika gab es im 19. und 20. Jahrhundert nur in wenigen Fällen Eroberungskriege zur Macht- und Gebietserweiterung. Überwiegend bestimmten Bürgerkriege, als Ausdruck innerer Spannungen und unterschiedlicher Interessenslagen, die kriegerischen Konflikte. Tragende Gruppen für Umwälzungsversuche waren oftmals Militärs, die die Länder in Diktaturen führten. Die 2011 gegründete Organisation der 33 Staaten Lateinamerikas und der Karibik (CELAC) versteht sich nach der Vision Simón Bolívars zusammengehörig als ein großes Vaterland (Patria Grande) und als ein Kontinent des Friedens. Besonders bemerkenswert ist, dass Lateinamerika, dank des Vertragswerkes von Tlatelolco (Mexiko) der einzige atomwaffenfreie Kontinent der Welt ist. Die vom Aussterben bedrohten kleinen weißen Friedenstauben flattern auch in Lateinamerika, und nicht vergessen: Das Friedenslager Kolumbiens benötigt für die Durchführungsphase des Abkommens internationale Solidarität, auch aus Deutschland.
Erschienen in Ossietzky 21/2016 |
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