Monatsrückblick: In Pudding gemeißelt

Jane Zahn

Nun wissen wir es: »Deutschland wird Deutschland bleiben.« Das versprach jedenfalls Bundeskanzlerin Merkel bei der Generaldebatte des Bundestags zum Haushaltsentwurf 2017. »Ein Satz wie in Pudding gemeißelt!« kommentierte Manfred Idler in der UZ vom 16. September.

Unsere Kanzlerin wackelt wie Götterspeise. Ihr »Wir schaffen das« fliegt der Frau gerade um die Ohren, obwohl der Satz auch nicht vor zu viel harter Realität strotzt. Und außerdem unvollständig war, denn sie meinte ja: »Wir schaffen das Asylrecht ab.« Aber als Leerformel will sie ihn nicht verstanden wissen.

»Manchmal denke ich aber auch, dass dieser Satz etwas überhöht wird, dass zu viel in ihn geheimnist wird. So viel, dass ich ihn am liebsten kaum noch wiederholen mag, ist er doch zu einer Art schlichtem Motto, fast zu einer Leerformel geworden.« (Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Wirtschaftswoche online vom 17. September)

Eine Leerformel, die Wählerstimmen kostet. In Mecklenburg-Vorpommern und Berlin ist die CDU geradezu abgestürzt. Aber mit Anstand! So meint jedenfalls der Berliner CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel am 19. September zum Wahlergebnis und zu den Reaktionen der regierenden Parteien: »Wir haben unsere Niederlage mit Anstand und Würde akzeptiert. Das unterscheidet uns auch von der SPD hier in Berlin, die sich an diesem historischen Desaster auch für die Sozialdemokratie hier in Berlin ziemlich besoffen gefeiert hat.« (jW, 20.9.16)

Kein Grund, nüchtern zu werden! Die SPD kann sich selbst nur noch besoffen ertragen. Der Pudding-Mann an ihrer Bundesspitze hat es zwar geschafft, trotz überwältigend großer Demonstrationen gegen CETA und TTIP in sieben Städten seinen Sonderparteitag auf die Zustimmung zu CETA zu trimmen, aber die Bauch- und Kopfschmerzen bleiben.

Da gibt’s doch sicher was von Bayer? Oder Monsanto? Oder von Baysanto? Bayer hat jedenfalls die US-Braut heimgeholt und ist zum Weltmarktführer nicht nur bei Agrochemie, sondern auch beim Saatgut geworden. Liebe hungernde Kinder in Afrika, tut uns leid, aber die Geschäfte gehen prima!

Und in der Bundesrepublik gibt es keine Kinderarmut, dagegen 90 minderjährige Multimillionäre. Die lieben Kleinen haben den Reichtum ihrer Eltern schon jetzt geschenkt bekommen, damit die Erbschaftsteuer später nicht zuschlägt. 29,4 Milliarden Euro in Kinderhand!

Dabei wäre es gar nicht nötig, zum Erbschaftsteuerflüchtling zu werden. Firmenerben werden weiterhin nicht versteuern müssen, was ihnen in den Schoß fällt. Der Entwurf der Bundesregierung sieht vor, dass für 99 Prozent aller vererbten Firmen keine Erbschaftsteuer gezahlt werden muss, weil ihr Wert unter 26 Millionen Euro liegt. Der Rest von einem Prozent zahlt auch nur aus der Portokasse.

Ob die Richter am Verfassungsgericht auch aus Pudding sind, wird sich zeigen. Sie hatten die Bundesregierung verpflichtet, das Erbschaftsteuergesetz der Verfassung anzupassen und für Gleichheit vor dem Gesetz zu sorgen.

Nicht aus Pudding sind die Bomben, die auf Aleppo fallen. Die syrische Großstadt, eine der ältesten der Welt, wird gerade IS-frei gebombt. Unter Protest der westlichen Wertegemeinschaft, die weiter fein säuberlich zwischen Islamisten und gemäßigten Rebellen unterscheiden will. Obwohl die Grenzen zwischen beiden wie in Pudding gemeißelt sind. Macht nichts, der Assad wird verbrannt – und der Russe ist schuld! Zwei Sätze, die in Granit gemeißelt, immer wieder wiederholt werden.

Denn der Russe wird immer der Russe bleiben.

Erschienen in Ossietzky 20/2016