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Botschaft der StilleWer weiß denn, Warm, satt und noch relativ Reisende hinterlassen Der Spur des gefräßigsten Renate Schoof Crimmitschauer ehren ZwerenzGleich zwei Vereine hatten die Idee, eine Straße nach Gerhard Zwerenz zu benennen. Neben dem Heimatverein Crimmitschau engagierte sich dafür auch der Gablenzer Heimatverein. Beide verständigten sich und unterbreiteten im Februar gemeinsam dem Oberbürgermeister schriftlich einen entsprechenden Vorschlag. Nach der klaren Entscheidung des Stadtrates, einen Weg nach Gerhard Zwerenz zu benennen, sorgten dann Warnungen des Vereins Beth Shalom und des Historikers Matthias Kluge, Zwerenz habe pornografische und antisemitische Schriften verfasst, zunächst für Irritationen. Ingrid Zwerenz spricht von »unqualifizierten Querschüssen«. Am 8. September erfolgte nun die Benennung des zuvor namenlosen Weges entlang der Teiche in Gablenz, der im Volksmund »Pfarrweg« genannt wurde, nach Gerhard Zwerenz. Der Weg führt direkt am Geburtshaus von Zwerenz vorbei.
K. K. Termine29. September17 Uhr, Berlin, GBM-Galerie, Weitlingstraße 89, Filmvorführung »Ein Leben mit Stahl. Achim Kühn«. Der Schöpfer dieses Dokumentarfilms, Hans Hickisch, sowie Helgard und Achim Kühn werden anwesend sein. Eintritt: 2 € 30. September - 2. Oktober, Berlin, Theater im Palais, Unter den Linden, »Hacks – und kein Ende!«. Unter Schirmherrschaft von Helga und Siegfried Matthus findet ein kleines Hacks-Fest mit hochkarätigen Gästen und in Kooperation mit der Peter-Hacks-Gesellschaft statt. Programm siehe: www.theater-im-palais.de/hacks/ 3. Oktober, 10.30 Uhr, Berlin, Haus der Demokratie und Menschenrechte, Ossietzky-Matinee zum Thema »Europäische Perspektiven« (s. Anzeige Umschlag) 5. Oktober, 20 Uhr, Dresden, Deutsch-Russisches Kulturinstitut, Zittauer Straße 29, Hannes Hofbauer liest aus »Feindbild Russland. Geschichte einer Dämonisierung«, weitere Termine s. unter mediashop.at 16. Oktober, 11 Uhr, Berlin, Deutsches Theater, Schumannstraße 13 A, Gregor Gysi trifft Walter Kaufmann Kultur-RivalitätIm Jahr 1478 nutzte der damalige Landesherr Ernst von Sachsen, der Erzbischof von Magdeburg, eine innerstädtische Auseinandersetzung zwischen der Pfännerschaft und den Handwerkerinnungen in Halle, um der städtischen Autonomie der Saalestadt für Jahre ein Ende zu setzen. So wurde der Roland, Sinnbild der Eigenständigkeit der Stadt, von 1481 bis 1513 in einem Holzhäuschen verschlossen. »Um die Stadt besser in Gehorsam, Unterwürfigkeit und Ruhe zu erhalten«, ließ Ernst außerdem ab 1484 die Moritzburg als bischöfliche Residenz innerhalb der halleschen Stadtmauer errichten – den Hallensern quasi direkt vor die Nase. Dieser historische Affront ist nur ein, vielleicht das spektakulärste Zwischenspiel in der jahrhundertealten Rivalität zwischen Magdeburg und Halle oder Halle und Magdeburg. (Als Autor werde ich auf den nächsten Zeilen die Aufzählung stets wechseln, um nicht in einen parteilichen Verdacht zu geraten.) Selbst nach über 500 Jahren setzen sich diese Ressentiments, man kann getrost von Feindseligkeiten sprechen, noch fort. Und das nicht nur durch die Fußball-Fans des FCM und HFC, die jedes Derby zu einem Risikospiel mit erhöhtem Polizeieinsatz werden lassen. Jetzt sind die Stadtoberen von Magdeburg und Halle selbst in den Clinch getreten. Hintergrund ist, dass im Jahr 2025 eine deutsche Stadt berechtigt ist, den Titel der Kulturhauptstadt Europas zu tragen (gemeinsam mit einer slowenischen Stadt). Vor kurzem hat nun die Elbestadt ihre Bewerbung gleich mit einer Werbekampagne öffentlich gemacht. Das ruft selbstverständlich vehementen Widerspruch aus der Saalestadt hervor, denn schließlich ist man »Kulturhauptstadt Sachsen-Anhalts«. Ein Titel, der Halle nach der Wende, als Magdeburg Landeshauptstadt wurde, gewissermaßen »zur Beruhigung verliehen«, aber nirgends schriftlich festgehalten wurde. Also wollen die Magdeburger heute davon nichts wissen und fühlen sich selbst als Kulturhauptstadt des mitteldeutschen Bundeslandes. Ihre Trumpfkarte ist vor allem Otto der Große, während Halle Georg Friedrich Händel und die jährlichen Händelfestspiele ins Feld führt. Während Magdeburg die Bewerbung für 2025 schon seit geraumer Zeit betreibt, hat Halles Oberbürgermeister völlig überraschend den Hut in den Ring geworfen, obwohl Halle bereits 2010 mit seiner Bewerbung zur europäischen Kulturhauptstadt scheiterte – damals an Essen und Görlitz. Nicht nur dieser Stachel sitzt tief, vor allem mit der Rivalin an der Elbe hat man noch eine Rechnung offen. Zu DDR-Zeiten waren Halle und Magdeburg gleichberechtigte Bezirkshauptstädte, doch 1990 bei der Wahl zur Landeshauptstadt zog die Saalestadt den Kürzeren. Im Vorfeld hatten beide Kontrahenten ihre Vorzüge ins Feld geführt. Am Ende entschieden sich die Landtagsabgeordneten am 28. Oktober 1990 jedoch für Magdeburg – in einer geheimen Abstimmung ohne vorhergehende parlamentarische Debatte. In den Augen des Unterlegenen ein eindeutiges Indiz für einen angeblichen »Kuhhandel«. Nun also die Bewerbung zur europäischen Kulturhauptstadt 2025, die von Verbalattacken zwischen den beiden Städten begleitet wird, wobei die beiden parteilosen Oberbürgermeister Lutz Trümper (Magdeburg) und Bernd Wiegand (Halle) in diesem städtischen Konkurrenzkampf mit »bestem Beispiel« vorangehen. Diese Bewerbung ist jedoch nicht das einzige Schlachtfeld, auf dem in diesen Monaten um das kulturelle Selbstbewusstsein der beiden mitteldeutschen Städte gestritten wird. So gab es bei der Bildung der Landesregierung im Mai ebenfalls Zoff, denn der Hallenser Marco Tullner, als Kultusminister vorgesehen, musste schließlich die Kulturabteilung an den Magdeburger Staatsminister und Staatskanzleichef Rainer Robra abtreten, so dass er nur noch »schlichter« Bildungsminister wurde. Der Zündstoff für die jahrhundertalte Rivalität zwischen Halle und Magdeburg scheint auch weiterhin nicht auszugehen. Vielleicht sollte man sich bei diesem mitteldeutschen Kleinkrieg für die bevorstehende Bewerbung (bis 2019) zur europäischen Kulturhauptstadt 2025 wünschen, dass es noch andere Kandidaten geben wird. Und tatsächlich haben neben Lübeck und Nürnberg auch Dresden, Chemnitz und Leipzig ihr Interesse angemeldet. Also ich plädiere für … Manfred Orlick Weltraumthriller vs. PolizeirufZwei Filme, gezeigt in der zweiten Augusthälfte. Der eine, stark beworben und angekündigt auf dem Hochglanzpapier einer dickleibigen Fernsehzeitschrift, mit der Höchstpunktzahl für »Action« und »Spannung« auszeichnet; der andere, bescheiden untergebracht in einer Spalte der kostenlosen wöchentlichen Briefkastenwurfsendung »Einkauf aktuell« mit Fernsehteil, nicht bewertet. Jener gezeigt zur besten Sendezeit auf dem führenden (kommer-ziellen) Spielfilmsender Pro 7, dieser nach 22 Uhr in einem Regionalprogramm. »Ender‘s game« (Regie/Drehbuch Gavin Hood) ist ein Science-Fiction-Thriller, in dem pubertierende Jugendliche die Hauptrolle spielen. Sie sollen die Welt retten, doch die Größe der Aufgabe lässt sie nur steif, mit eingefrorenen Gesichtszügen agieren, wie die ebenso starr und mühsam beherrscht auftretenden gealterten Drillmaster Harrison Ford und Ben Kingsley. Die Jugendlichen wirken überfordert. Mit schmächtigen Körpern und Stimmchen versehen, kommen die sich um die Rolle des Anführers kabbelnden Jugendlichen nur aus sich heraus, wenn – computeranimiert – herumgeballert wird, besonders im schießwütigen Finale, in dem die Alien-Raumschiffe selbstverständlich vernichtet werden. Ganz anders präsentiert sich der Polizeiruffilm »Tödliche Illusion« (Regie Peter Vogel, Drehbuch Otto Bonhoff, Franz Ritschel) aus dem Jahr 1979. Zeitlich entzerrt, mit musischen Elementen, gibt er der »Entwicklung« der Protagonisten Raum. Die Hauptfigur, Armin (Volkmar Kleinert), ein angesehener Ingenieur und Familienvater, unterhält – aus männlicher Eitelkeit, Abenteuerlust, Langeweile, … (der Gründe könnte es viele geben) – eine zweite Beziehung zu einer jüngeren Frau, Beate. Solange die es zulässt, genießt er die Unverbindlichkeit der Treffen, beim Abschied stets eine Ausrede parat. Doch bald will sie mehr, drängt ihn zu einer Entscheidung. Man spürt die sich anbahnende »Katastrophe« – ein echter Lebenskonflikt. Der äußert sich tragisch. Beate täuscht eine Schwangerschaft vor und nimmt in ihrer Verzweiflung Schlaftabletten, um ihn an sich zu binden. Als Armin die schon Bewusstlose vorfindet, versagt er. Seinen Problemen zu entrinnen hoffend, flüchtet er. Beate stirbt. Damit wird der Fall zum Kriminalfall, für den der Täter wegen unterlassener Hilfeleistung zur Verantwortung gezogen werden muss. Der Polizeiruf hat mich nachdenklich zurückgelassen. In einer auf die Spitze getriebenen »Lösung« thematisiert er Mitmenschlichkeit, Verantwortung. Die Produzenten sind davon ausgegangen, dass sich der Mensch – durch Mitleid oder Furcht, der klassischen »Katharsis« – erziehen, zum Besseren hin beeinflussen lässt. Das war in der DDR gesellschaftlicher Anspruch. Von »Ender‘s game« habe ich bloß noch die harten, unnatürlich verzerrten Gesichter der angespannten Akteure und die beim Abschießen der UFOs in Spielleidenschaft verzückten Gesichter der Kinderdarsteller in Erinnerung. Mit welchem Anspruch wurde dieser Film eigentlich gedreht? Uwe Meißner Arbeit und nochmals ArbeitDer bestimmte Artikel im Titel – »Die Briefe« – weist auf die hohen Ansprüche der Herausgeber. Das ist kein mit heißer Nadel gestricktes Projekt wie die Briefauswahl vor weiland zweiundzwanzig Jahren. Hier arbeiten Fachleute an einem Werk, dem Briefschaffen Franz Fühmanns, das immens, monströs und wichtig nicht nur für das Verständnis von Franz Fühmann ist. Geplant sind sieben Bände. Der erste Band, der Briefwechsel zwischen dem Autor und seinem Hinstorff-Verlag-Lektor Kurt Batt (1931–1975) bringt, ohne dabei etwas kommentieren zu müssen, das Besondere voll zum Ausdruck: Beide waren Ausnahmegestalten, Arbeitsbesessene, Hühnen im Grübeln, Lernen, Wissen. Wenn sie über Mythos, literarische Genres, Widersprüche, Literaten, Philosophen fachsimpeln können, sind sie ganz bei sich. Wenn es um fertigzustellende Bücher geht, hätte Fühmanns Ringen um den geeigneten Ausdruck den Lektor zur Verzweiflung bringen können. Doch daran verzweifelte Kurt Batt nicht, wieder und wieder werden Änderungswünsche, Terminverschiebungen akzeptiert. Äußerste Strenge und äußerster Ernst. Dabei redet keiner dem anderen zum Munde. Wenn der Lektor wenig mit einer Geschichte anfangen kann, gesteht er es (zwar vorsichtig), und wenn er das Gelesene interpretiert, erkennt sich der Autor besser verstanden, als es der Text seiner Meinung nach hergab. Sie mochten und verstanden sich, doch nie sollte es einem unterlaufen, sich gehen zu lassen und nicht »durchformuliert« zu schreiben. Sarkastisch sind zuweilen ihre Bemerkungen zum Literaturbetrieb und zur gesellschaftlichen Situation allgemein. Beide sind viel zu früh daran gestorben. Christel Berger Franz Fühmann: »Die Briefe«, Band 1. Briefwechsel mit Kurt Batt, herausgegeben von Barbara Heinze und Jörg Petzel. Hinstorff Verlag, 205 Seiten, 22 € Buzzwords, unbedingtEndlich! Der Journalist, das Mitgliedermagazin des Deutschen Journalisten-Verbands, fragt in seiner Mainummer (S. 28f) besorgt: »Mit welchen Buzzwords müssen sich Journalisten in diesem Jahr unbedingt beschäftigen?« Ja, liebe Leser und liebe Kollegen, das hat mich schon längst nicht mehr schlafen lassen: Mir fehlen die Buzzwords! Bin halt immer etwas spät dran. Aber Journalist liefert sie nach, die unerlässlichen, äh, Buzzwords. Endlich mal die richtig schicke Schreibe – nicht zu fassen, was einem sonst alles entgeht. Ich gebe sie unten weiter, solidarisch, nix zu danken. Die Erklärungen spare ich mir aber. Da sind so viele deutsche Wörter drin, das bringt einen aus dem Konzept. Erklärt sich ja eh alles von selbst. Also einfach downloaden, »unbedingt« und noch in »diesem Jahr«, und bei Bedarf uppicken: »Chatbolts«, »Conversational Journalism«, »Virtual Reality/VR«, »Immersive Journalism« (für Taucher?), »360 Grad Videos/360 Grad Roller Coaster« (klingt ja fast deutsch?), »Vertical Videos«, »Homeless Media« (nee, hat anscheinend nix mit Flüchtlingen zu tun), »Instant Article« (Schreibt man beim instant coffee?), »AMP/Accelerated Mobile Pages« (Motorsport, denk’ ich mal), »Native Ads« (Indigene wieder in?), »Facebook Live« (War’s denn schon dead ..., zu schön um wahr zu sein?!), schließlich »Periscope«, »Twitch«, »YouNow«, »Snapchat« und »Podcast« (schon mal gehört ...) mit der erlösenden Nachricht »... lassen sich ganz einfach streamen«, na also! Uff, wir sind wieder upgedatet, der Qualitätsjournalismus wird’s uns danken. Ganz unter uns: Ich male mir schon ein Stipendium aus ... von der Atlantik-Brücke! Wolf Gauer
Erschienen in Ossietzky 19/2016 |
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