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In den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg gab es keine politische Kraft, die in der Lage gewesen wäre, antifaschistischen Widerstandskämpfern ihr Recht auf Entschädigung zu nehmen. Ein derartiger Versuch wäre noch auf den geschlossenen Widerstand der Gewerkschaften und beider Arbeiterparteien gestoßen. Von vielen Menschen in den Ländern der Anti-Hitler-Koalition wäre dieses Vorgehen gegen Menschen, die gerade erst den faschistischen Konzentrationslagern entkommen waren, zu Recht als eine Fortsetzung der Politik des Nazistaates verstanden worden. So enthält keines der Entschädigungsgesetze aus dieser Zeit eine Diskriminierung irgendeiner Gruppe von Widerstandskämpfern – weder das von der Militärregierung in der US-Zone, noch das Hamburger, noch das in Westberlin im Jahre 1950 erlassene Entschädigungsgesetz. Die Wende kam mit der Gründung der beiden deutschen Staaten und der Herausbildung des feindlichen Gegensatzes zwischen den beiden Systemen. Ausgerechnet in Berlin, dem organisatorischen und geistigen Zentrum des Nazistaates, kam der erste Rückschlag, als in das (Westberliner) Entschädigungsgesetz im Jahre 1951 die Vorschrift aufgenommen wurde, dass »Personen, die als Anhänger eines totalitären Systems die demokratische Staatsform bekämpfen, von der Anerkennung als politisch Verfolgte auszuschließen« sind. In der SPD gab es zunächst noch Widerstand. Das beweist der Entwurf der SPD-Bundestagsfraktion für ein Entschädigungsgesetz vom 18. Juni 1952. Mitten in einer Zeit, in der die Gesetzgebungsmaschine Kommunisten bereits ausgeschlossen hatte oder darauf hinarbeitete, konzipierte die SPD noch ein Entschädigungsgesetz, das keinen Ausschlusstatbestand enthielt. Dafür standen Politiker wie Adolf Arndt und Martin Hirsch. Das war bis heute das letzte politische Aufbäumen der SPD in dieser Angelegenheit. Drei Jahre später verabschiedete der Bundestag mit den Stimmen der SPD das Bundesentschädigungsgesetz, nach dem von der Entschädigung ausgeschlossen ist, »wer nach dem 23. Mai 1949 die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekämpft hat«. Damit verloren viele Verfolgte Rentenansprüche und Ansprüche auf Heilverfahren. Auch Ansprüche von Hinterbliebenen wurden dadurch hinfällig. Den Zweck des Gesetzes offen zum Ausdruck bringend, wurde als Dreingabe bestimmt, dass Entschädigungsleistungen zurückzuzahlen sind, wenn einem Widerstandskämpfer auf Grund seiner politischen Aktivität nachträglich die Anerkennung wieder entzogen wird. Mitte der 80er Jahre versuchten die Alternative Liste Berlin und die Bundestagsfraktion der Grünen, jene Ächtung politisch Verfolgter des Naziregimes rückgängig zu machen, scheiterten aber am Widerstand der anderen Parteien. Hinter dieser Initiative standen Leute wie Hilde Schramm und Christian Ströbele. In der Praxis der Entschädigungsbehörden und der Gerichte wurde der Ausschlusstatbestand des BEG auf das Äußerste ausgereizt. Einige wenige Beispiele: Heinz Schröder, seit frühester Kindheit in der Arbeiterbewegung: 1924 Eintritt in die Sozialistische Arbeiter-Jugend, in der SPD seit 1928; 1939 Eintritt in den Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold; illegale Arbeit für die SPD nach deren Verbot im Juni 1933: von der Gestapo verhaftet, im Februar 1937 vom Kammergericht zu zwei Jahren Zuchthaus und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt; in eine Militäreinheit für »Wehrunwürdige« eingezogen; seit dem Vereinigungsparteitag 1946 Mitglied der SED; aus dieser Partei 1950 ausgeschlossen; später Vorsitzender der VVN. Seine Ansprüche wurden wegen politischer Tätigkeit für die SED abgelehnt. Eine Berliner Jüdin – ihren Namen kenne ich nicht – verliert 1943 den Schutz der »Mischehe«, als ihr Mann, ein Schuhmacher, wegen seiner Tätigkeit für die KPD verhaftet und ermordet wird. Sie wird nach Auschwitz deportiert. Sie überlebt. Nach dem Krieg tritt sie dem Demokratischen Frauenbund bei und wird dort Kassiererin. Damit verwirkt sie ihren Anspruch auf Entschädigung. Die Witwe des Kriminalsekretärs G. – dessen voller Name ist nicht verzeichnet – verlangt Versorgung als Hinterbliebene nach folgendem Tatbestand: Ihr Mann wurde zu einer in Jugoslawien stationierten Einheit des Sicherheitsdienstes abgeordnet. Aus politischer Überzeugung half er slowenischen Partisanen. Er übergab ihnen eine Pistole mit Munition; erklärte sich bereit, ihnen Informationen zu verschaffen; versuchte einen Partisanen zu befreien. Er wurde vom obersten Gericht der SS zum Tode verurteilt und in Dachau hingerichtet. Ein Oberlandesgericht gab der Witwe Recht. Der Bundesgerichtshof hob diese Entscheidung auf (RzW 1959, S. 280). Es stellte den Grundsatz auf, »dass Opfer und Erfolg objektiv in einem nach allgemeiner Rechtsüberzeugung gebilligten Verhältnis zueinander stehen müssen«. Dies sei im Falle Gs zu verneinen. Es ließe sich nicht erkennen, dass »G. durch die Unterstützung jugoslawischer Partisanen irgendeine Aussicht hatte, die Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus zu beeinträchtigen oder den gegenüber dieser Herrschaft bestehenden Widerstand zu stärken«. Deshalb sei es auch nicht zu rechtfertigen gewesen, dass G. »unbeteiligte Soldaten oder Polizeibeamte in Gefahr gebracht habe«. Womöglich saß in diesem Senat des BGH auch so ein unbeteiligter deutscher Soldat. Von damaligem Alltagsverstand ähnlichen Kalibers zeugt die Bemerkung eines Richterkollegen mir gegenüber. Beim Rückzug durch Polen habe er sich gesagt, arme Polen, jetzt haben wir beide den Krieg verloren.
Erschienen in Ossietzky 19/2016 |
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