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ParolenIn der deutschen Hauptstadt soll gewählt werden. Zwischen welchen Parteien, Programmen und Kandidaten sollen wir uns entscheiden? Die Parteien kündigten unisono an, sie würden sich im Wahlkampf inhaltlich profilieren. Was kam dabei heraus? Als »zuverlässig, engagiert, konsequent« empfiehlt sich Tino Schopf (SPD), Klaus Lederer (Die Linke) hingegen als »unduldsam, beherzt, gerecht«, und AfD-Kandidaten präsentieren sich als »unbequem, echt, mutig«. Inhaltliche Unterschiede sind da nicht leicht zu erkennen. KandidatInnen der FDP lächeln uns von Bäumen und Verkehrsschildern als »FortschrittsbeschleunigerInnen« an. Die Botschaft erscheint mir in dieser Allgemeinheit sehr ähnlich wie die Verheißung der Linken: »Berliner speed – mehr Zug reinbringen«. Was soll beschleunigt werden: der Flughafenbau, der den Plänen jetzt schon Jahre hinterherhinkt? Der Straßenbau? Der Bus-, Taxi-, Tram- und U-Bahn-Verkehr? Demnächst vollautomatisch, so dass sich Tausende Fahrer auf ihre Entlassung freuen dürfen? Für mich ist das eine Grusel-Vorstellung. Bin ich zu alt für diese Wahl? Die SPD verspricht: »Berlin bleibt bezahlbar«; Was mag damit gemeint sein: höhere Steuern und Gebühren? Oder geringere Sozialleistungen? Die Linken bieten mehr: »Die Linke … und die Stadt gehört Euch!« Die NPD bietet ganz Deutschland an, aber nur »uns Deutschen«. Die AfD suggeriert: »Berlin braucht Blau«. Was man sonst von ihr erfährt, lässt eher an Braun denken. Am besten von allen Parolen gefällt mir diese von der FDP: »Riskieren wir, dass etwas funktionieren könnte«. Aber welches »etwas« soll das sein? Überall da, wo es konkret werden müsste, erfahre ich nichts. Welche Partei würde nicht auch die Parole der Grünen »Mut zur Freiheit« unterschreiben? Am Beginn des Wahlkampfs plakatierten die Grünen noch: »Freilandhaltung auch für Großstadtmenschen«. Kam das bei anderen Wählern nicht so gut an wie bei mir? War es zu verwechselbar? Ich schlage vor: Am Vorabend der Wahl versammeln sich alle Kandidaten aller Parteien und singen im Chor, was eine Bierbrauerei auf Großplakaten verkündet: »Berlin, du bist so wunderbar.« Eckart Spoo Unsere ZuständeEin Verrückter denkt anders als wir. Wieso aber maßen wir uns an zu behaupten, er denkt andersherum –? * So viele Pistolen existieren gar nicht, wie es Kriminalkommissarinnen und Kriminalkommissare im Fernsehen gibt. * Je höher ein Mensch steigt, desto dünner wird der Widerspruch um ihn. Wolfgang Eckert Tertium non daturDer andauernde Erfolg des Manichäismus verdankt sich der Tatsache, dass er das Leben erleichtert. Wenn es, wie im Märchen, nur Gut und Böse gibt, ohne Zwischentöne, ohne Differenzierungen, dann erspart man sich die Auseinandersetzung mit einer komplexen Wirklichkeit. Hat man sich für das Gute entschieden und das Böse verdammt, kann man nichts falsch machen. Denn die angebotene Alternative duldet keine Konkurrenz. Tertium non datur. Für die Manichäer existieren nur Christen und Antichristen, Demokraten und Schurken, Arbeiter und Kapitalisten, gedemütigte Frauen und patriarchalische Männer, Juden und Antisemiten. Was aber, wenn die schlichte Dichotomie des Manichäismus die Wirklichkeit doch nicht korrekt abbildete? Kann es der Bewältigung der Probleme, die das Leben an uns stellt, dienlich sein, wenn man von einer unzutreffenden Vorstellung seines Wesens ausgeht? Wie viel besser sähe unsere Welt doch aus, wenn ihre Vielschichtigkeit akzeptiert würde, wenn sich die Menschen darauf einließen, dass es zwischen Gut und Böse unzählige Schattierungen, jede Menge Varianten gibt. Was ließe sich nicht nur an Erkenntnis, sondern, wichtiger noch, an Handlungsmöglichkeiten gewinnen, wenn Linke eingeständen, dass es Konservative gibt, die ganz fürchterliche Dinge zu verantworten haben und dennoch in der aktuellen Flüchtlingsfrage vernünftigere Positionen einnehmen als viele vermeintlich Linke, und wenn diese Linken nicht jeden einen Reaktionär nennten, der dies ausspricht; wenn Frauen Kritik übten an der simplifizierenden Dummheit von Feministinnen, die losgelöst von allen anderen Kriterien nur abzählen, ob eine Quote erfüllt wird, und jede und jeden als Frauenfeindin oder Frauenfeind brandmarken, die oder der Emanzipation an anderen Kriterien als an Statistiken festmacht; wenn Juden andere Juden anklagten, die mit unerbittlicher Sturheit die Ansicht vertreten, die ansonsten gültigen Normen würden für Israel nicht gelten, und wer Israel tadle, sei Antisemit. Kurz: Es wäre vieles zum Besseren bestellt, wenn die Kritik am eigenen Verein zumindest ebenso selbstverständlich wäre wie Loyalität und Parteidisziplin. Erschwert wird, wofür dieser Aufsatz plädiert, durch den Umstand, dass es ja tatsächlich Reaktionäre, Frauenfeinde, Antisemiten gibt, die zu bekämpfen nicht nur wünschenswert, sondern notwendig ist. Wenn dieser Kampf aber als Vorwand dient, um die eigene Bezugsgruppe gegen Kritik zu immunisieren, um alles von ihr abzuwenden, was die eigenen Interessen und Vorteile gefährdet, dann ist er nicht nützlich, sondern schädlich. Dann perpetuiert er den Schaden, den »die eigenen Leute« anrichten. Es stimmt, dass die Bourgeoisie den Aufstieg Hitlers gefördert hat, aber es ist damit nicht widerlegt, dass auch große Teile des Proletariats dem Nationalsozialismus gefolgt sind. Es entspricht der Wahrheit, dass es vorwiegend Männer waren, die die Kriege der Weltgeschichte zu verantworten hatten. Aber es trifft auch zu, dass Frauen, wenn sie erst einmal politische Machtpositionen erlangt haben, die Klasseninteressen nicht anders als Männer vertreten und, wenn es ihnen erforderlich erscheint, ihre Kinder in den Krieg schicken. Es lässt sich nicht leugnen, dass Juden durch die Jahrhunderte hindurch häufiger verfolgt und ermordet wurden als viele andere Schicksalsgemeinschaften. Aber das ändert nichts daran, dass sie gegenüber den Palästinensern zu Tätern wurden, während jene, deren Opfer sie gewesen waren, ihr Unrecht an den Palästinensern finanzieren und guter Dinge ihren Sekt trinken. Das Problem ist: Wie geht man gegen den Manichäismus in den eigenen Reihen an, ohne zum Renegaten werden, aber auch, ohne sich von der Furcht vor dem »Beifall von der falschen Seite« einschüchtern, mundtot machen zu lassen? Der Renegat tauscht ja sehr oft bloß einen Manichäismus gegen einen anderen, den komplementären Manichäismus aus und bleibt damit sich und seiner Denkfaulheit treu. Das ist die heikle Gratwanderung, die man jedoch als politisch und ethisch verantwortungsbewusstes Individuum wagen muss. Man kann zugeben, dass »die falsche Seite« im Einzelnen auch Richtiges äußern kann, ohne sich ihr gleich anzuschließen und mit ihr jene, denen man sich zugehörig fühlt, anzugreifen. Wer die Torheit von Linken, von Feministinnen, von Juden benennt, muss nicht zu deren Gegnern überlaufen. Im Gegenteil: Die das Kollektiv, dem sie sich verbunden wissen, vor Dummheiten zu bewahren versuchen, mögen sich mit größerem Recht Linke, Feministinnen, Juden nennen als jene, denen der Manichäismus das Weltbild liefert. Thomas Rothschild ErratumDer Unterschied zwischen einem Lumpen und einem Halunken ist manchmal sehr klein, so wie zum Beispiel zwischen einem Spitzbuben und einem Gauner. Dennoch, Fritz Graßhoff soll Gerechtigkeit widerfahren: Seine erstmals 1947 erschienene Lyriksammlung heißt »Halunkenpostille« (siehe Ossietzky 17/2016, S. 621). K. N. Walter Kaufmanns LektüreImmer, oder so gut wie immer, waren es die Ehefrauen, die die Schaffenskraft all dieser russischen Genies beflügelten: die Frau Tolstois, Dostojewskis, Tschechows, Rachmaninows, Bulgakows, Prokofjews, Malewitsches, Kandinskys, Nabokows, Solschenizyns und andere. Und fiel deren Ehezeit in die Stalinjahre, erlebten und durchlebten sie durchweg die Gewitter über dem Wirken ihrer Männer, erlebten die Bedrohung und Verbannung, und oft auch die Flucht ins Ausland – ob nun ihre Männer für oder gegen die Revolution gewesen waren. Fraglos gehört dies zu den bittersten Wahrheiten, die Tatjana Kuschtewskaja in ihrem »Am Anfang war die Frau« zu bedenken gibt. Erschütternd das Schicksal der Frau Solschenizyns, die dreißig Jahre aufs treueste zu ihrem Mann gehalten hatte und nicht lange nach dessen Entlassung aus zehnjähriger Haft einer Jüngeren weichen musste, die Solschenizyns Ruhm und Reichtum teilen durfte und – dies die letzte Schmach! – der inzwischen erkrankten und verarmten einstigen Ehefrau Solschenizyns die Arzt- und Krankenhauskosten zu bezahlen sich bereit erklärte. Und wer würde der jungen, bildschönen Antonia Tschaikowskaja angesichts ihrer gescheiterten Ehe das Mitgefühl versagen – nur vierzehn Tage an der Seite des großen Musikers waren ihr beschieden, danach ließ er sich Opernaufträge schicken, gab vor, nach Italien reisen zu müssen und – kehrte nie zu ihr zurück. Gegen das Schicksal von Stalins Ehefrau verblassen all die anderen Schicksale: Schied Nadeschda Allilujewa mit nur einunddreißig Jahren durch Selbstmord aus dem Leben oder hat Stalin sie getötet? So ungeklärt das auch bleibt, es ist an der Zeit, ja höchste Zeit, von der Selbstaufopferung wie auch der Selbstbehauptung der achtzehn neben Nadeschda Allilujewa vorgestellten Ehefrauen so anrührend zu erfahren. W. K. Tatjana Kuschtewskaja: »Am Anfang war die Frau. Die Frauen russischer Genies«, aus dem Russischen von Ilse Tschörtner und Steffi Lunau, Grupello Verlag, 297 Seiten, 19,90 € AusgegrenztZelters Roman legt Zeugnis ab über das, was man den Arbeitslosen in diesem Land noch nicht oder schon zumutet. Ähnliches findet sich im Bericht »Erlebnisse eines schwer erziehbaren Langzeitarbeitslosen« (in: »Kritische Theorie in der Provinz«, herausgegeben von Marvin Chlada und Jochen Zimmer, 2001). Auch wenn es nicht direkt ausgesprochen wird, die Schule im Roman ist eine der Desolidarisierung, der Barbarisierung; nur der Erfolg soll zählen, die Kosten für den Sieg werden anderen in Rechnung gestellt. Schon ABBA sang 1980: »The winner takes ist all.« Das Züchten dieser Mentalität erfolgt in der Schule »Sphericon« und nicht nur dort, auch in den vielen Maßnahmen der Agentur für Arbeit und der »Jobcenter« und natürlich nicht nur dort. Viele verdienen inzwischen an den Arbeitslosen, ohne sich freilich bei ihnen, ihrem Arbeitgeber im strengen Sinne, zu bedanken. Das Thema, der Skandal der Massenarbeitslosigkeit, wird mit Statistik zum Verschwinden gebracht, die Konjunkturaussichten werden von den »Wirtschaftsweisen« (eher Wirtschaftswaise) je nach Wetterlage passend gemacht. Auch das klingt im Roman an. Das Ende des Romans ist ein mögliches, selbstverständlich darf der Autor hier Optionen vorstellen, die im Rahmen des Denkbaren liegen. Auch anderes ist möglich, wenn man sich ein zweifelhaftes halbes Jahrhundert und mehr in die Vergangenheit zurückdenkt. Die Regierungen haben es gut verstanden, die Massenarbeitslosigkeit politisch unter Kontrolle zu halten, sie zur Disziplinierung/Einschüchterung der (noch) arbeitenden Menschen zu benutzen. Das Leiden an der Ausgrenzung, der Armut und am Elend wird den Ausgestoßenen überlassen. Die anderen machen munter oder gehetzt weiter. Der Autor des Romans dankt dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg für die Unterstützung der Arbeit an dem Buch. Wenn das keine Satire ist, dann könnte das ein Hinweis darauf sein, dass die einzig Helle in diesem Roman eine »romantische« Frau ist, die sich aber auch ihrem Schicksal ergibt. Weder Kriminalität als primitive Form des Sozialprotestes noch gar so etwas wie gewerkschaftlicher Protest werden im Buch thematisiert. Marx kommt nur als trübe Entspannungsübung eines Umgefallenen vor. Ich wiederum kenne einige, die eine dramatische Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen dem genannten Ministerium verdanken beziehungsweise ihre Arbeitslosigkeit (zum Beispiel Staatsgalerie Stuttgart). Rosa Wacholder Joachim Zelter: »Schule der Arbeitslosen«, Roman, Klöpfer und Meyer, 200 Seiten, 19,90 € Vor dem großen KriegMit diesem Titel veröffentlichte Michael Mäde ein kleines Gedichtbändchen. Auf dem Umschlag ist die Plastik »Requiem« von Alexander Polzin zu sehen; ihm widmet der Autor das Gedicht »Für A. P.« Da steht eine Figurengruppe – zunächst in Holz geschaffen, dann in Bronze gegossen – mit beängstigend deformierten Gesichtern. »Ein Scheiterhaufen für die Wesen, / die da Engel waren, vielleicht, … Die Flügel Staffage«. So entsteht eine furchtbare Vision: Engel sehen dann so aus – »mit offenen Schädeln und Augenhöhlen«. Michael Mäde spielt auf Lavaters Physiognomie-Lehre an. Das erregt Aufmerksamkeit und reizt zum Entschlüsseln der poetischen Bilder. Der Titel des Bändchens weckt Erinnerungen an Arnold Zweigs Romanzyklus »Der große Krieg der weißen Männer«. Ein Gedicht aber ist innere Wirklichkeit (Čapek); das wird in jedem Vers des Autors deutlich. In freier Metrik erschließen sich dem Leser nicht sofort seine Visionen und Metaphern. Mäde macht es ihm nicht leicht, er fordert ihn. Es gibt eine Gliederung: I Periodische Fluchten, II Fluchten, III Perspektiven, IV Alles wird gut, V Vor dem großen Krieg. Erschienen ist das Bändchen im Verlag Wiljo Heinen. Im August beging der Verlag sein zehnjähriges Bestehen. Ein kleiner, tapferer Verlag, der sich mit seinem Programm der linken Literatur, Kunst und Politik verschrieben hat. Mädes Reflexionen entstehen aus Überlegungen zu Fragen unserer Zeit. »Ich hatte Hoffnung und dachte auch / noch alles in der Hand. / Doch dann verschwand mein Land.« Das ist das Land, dem die Liebe des Autors gehört und um das er sich Sorgen macht. Da tauchen (»Alp in B.«) Formulierungen auf wie »meinungssimulatoren«, »bildungsbürgerratten« und »das wälzt sich über das event des tages / das verblödet ganz nach plan. / das leckt verstohlen sich die lippen / und kotzt sich schließlich selber an«. Erschütternd die Zeilen über »Meister M.« oder über »Harry«: »Er. Ein Kostenfaktor. / Er ist übrig.« Der Autor bezieht sich auf Roland Bergers Graphikzyklus »Deutsche Blätter«. Eine besondere Beziehung gibt es zum Dichter Jakob Michael Reinhold Lenz (»Lenzen kehrt zurück«). Prophetisch wird der Autor im letzten Teil: »Der Aufstand kommt … Der kommende Aufstand wird nicht schön«, denn »Denen, die alles besitzen, den Mördern / wird diesmal Gnade nicht zuteil.« Doch in »Perspektiven« sagt er: »Da sind wir aber immer noch … Das uns mögliche Maß. Optimismus.« So stellt sich Michael Mäde in die Reihe der Warner und Mahner – wie der Bildhauer Klaus Schwabe im »Rufer«, einer Figur aus der Skulptur »Aufbruch«, oder wie Heidrun Hegewald in ihren Kassandra-Arbeiten. Michael Mäde hat Filmwissenschaften und Dramaturgie studiert. Er veröffentlicht seit 2001. Es erschienen unter anderem sein Roman »Spiel mit Maurice« und einige Gedichtbände. Maria Michel Michael Mäde: »Vor dem großen Krieg«, Gedichte, Verlag Wiljo Heinen, 94 Seiten, 15 €, www.gutes-lesen.de Bitte haben Sie VerständnisMan will es einfach nicht glauben …, aber in den letzten Wochen flatterten fast täglich irgendwelche Entschuldigungsschreiben ins Haus. Sie begannen meist freundlich: »Sehr geehrte Kunden« oder »Lieber Teilnehmer«. Doch dann kam das dicke Ende: »Aufgrund der Gemeindeordnung …«, »aufgrund von notwendigen Baumaßnahmen…«, »aufgrund der Deckung unseres Aufwandes …«, »aufgrund der Vereinheitlichung der Tarife …« »kommt es zu einer Entgeltanpassung«, auf gut deutsch: Es steigen die Preise und die Gebühren. Und wie zum Hohn lautet der Schlusssatz: »Wir bitten um Ihr Verständnis.« Nun bin ich ein durchaus verständnisvoller Mensch, doch frage ich mich: Muss ich wirklich für alles und für jeden Verständnis haben? Verständnis für die steigenden Energiekosten, für höhere Abfall- oder Friedhofsgebühren, für höheres Kabelentgelt und so weiter. Verständnis für die armen Stadtwerke, Verständnis für die Verkehrsbetriebe und die Versicherung und so fort. Gestern kam ein Schreiben von unserer Tageszeitung – Sie erraten es sicher – mit der Bitte um Verständnis für eine notwendige Preis-erhöhung des Abonnements. Verständnis hinten und Verständnis vorne! Manchmal bereits im Voraus, in der Art: »Für Unannehmlichkeiten bitten wir schon jetzt um Ihr Verständnis!« Überall erwartet man von mir Entgegenkommen, Opferbereitschaft und Edelmut. Ich finde diese ganze Verständnisheischerei hinterhältig: Schließlich möchte ich ungern als verständnisloser Mitmensch dastehen. Mir geht das Süßholzraspeln auf meine Kosten aber gewaltig gegen den Strich. Und ich sage es allen, dem Finanzamt, den Damen und Herren im Rathaus, der Krankenkasse, dem Stromwerk, der Bundesbahn: Schluss mit diesen Verständnisfloskeln! Verdammt noch mal, wer hat für mich Verständnis?! Manfred Orlick Zuschrift an die LokalpresseIn verschiedenen Tageszeitungen wurde darüber berichtet, dass die Anzahl der Wohnungseinbrüche gerade in den schwülen Augustwochen weiter zugenommen hat. Dagegen ist die Aufklärungsquote verschwindend gering geblieben. So verrät die Berliner Morgenpost, dass »nur in jedem 20. Fall mutmaßliche Täter ermittelt werden können«. Mutmaßlich? Eine Beweislage sieht nach meinem primitiven Verstand anders aus. Aber jetzt hat die Polizei, flankiert vom Innensenator, in einer Pressekonferenz eine Prognose-Software präsentiert, die Vorhersagen darüber anbietet, »wo die Täter möglicherweise in näherer Zukunft zuschlagen« werden. Ei der Daus! Die Software – unser Hoffnungsträger! An so etwas Ähnliches kann ich mich aus meiner Schulzeit auch noch erinnern, da gab es allerdings noch keine Software und noch keine Digitalverfahren, da hieß das schlicht und einfach »Wahrscheinlichkeitsrechnung«, und manchmal hat‘s sogar etwas gebracht. Und noch etwas macht die Neuerung so bemerkenswert: Der »Charme« der Wunderwaffe besteht laut Presse darin, »dass sie kaum etwas kostet«. Ja, wie geht denn sowas? Nach den Höhenflügen der BER-, der Staatsoper-, Schloss- und Geheimarsenalkosten in der Chausseestraße? Das verdirbt doch völlig die Preise! Da traut sich doch kein Ministerium mehr an irgendein Projekt heran, von den Fachleuten ganz zu schweigen! Wenn die Behörden schon ein Sommerloch füllen müssen, dann soll man es auch bis zur Obergrenze zuschippern! – Edeltraute Buchela Ebenholz, Wahrsagerin, 01683 Wunschwitz Wolfgang Helfritsch
Erschienen in Ossietzky 18/2016 |
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