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Das Parteiverbot wirke »ohne zeitliche Grenze als Feststellung der Verfassungswidrigkeit mit der Folge der Auflösung der KPD und des Verbots von Ersatzorganisationen«, erklärte die Bundesregierung im Jahr 2014 auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion. »Eine Aufhebung des Parteiverbots beziehungsweise ein Wiederaufnahmeverfahren ist im Bundesverfassungsgerichtsgesetz nicht vorgesehen.« Antikommunismus in Gesetzesform – auch in Form der immer noch möglichen Berufsverbote – besteht weiter als Mittel präventiver Konterrevolution. Doch die gesetzlichen Instrumente zur Verfolgung kommunistischer Bestrebungen sind inzwischen ausgebaut worden. Und sie können auch in Deutschland lebende Unterstützer ausländischer kommunistischer Organisationen treffen. Seit dem 17. Juni 2016 läuft vor dem Münchner Oberlandesgericht einer der größten Staatsschutzprozesse seit Ende der 1980er Jahre und sicherlich einer der größten Kommunistenprozesse seit den 50er/60er Jahren. Neun aus der Türkei stammende Männer und eine Frau sind angeklagt, Führungskader der Kommunistischen Partei der Türkei/Marxistisch-Leninistisch (TKP/ML) zu sein. Diese Anfang der 1970er Jahre in Folge der türkischen 1968er Studentenbewegung gegründete maoistische Partei ist in Deutschland allerdings – anders als etwa die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – nicht verboten. Und sie findet sich auch nicht auf der Terrorliste der EU. Doch nach Auffassung der Generalbundesanwaltschaft handelt es sich bei der TKP/ML, deren Guerilla eine Reihe von Anschlägen gegen Militär- und Polizeiposten, Staudammbaustellen und andere staatliche Institutionen besonders in der kurdisch-alevitischen Bergprovinz Dersim begangen hat, um eine »ausländische terroristische Vereinigung« nach dem Strafrechtsparagraphen 129 b Strafgesetzbuch. Verschärfend wird der Gruppe angerechnet, dass sie seit einigen Jahren militärisch mit der PKK kooperiert. So sind TKP/ML-Mitglieder heute auch in Nordsyrien am Kampf kurdischer Milizen gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) beteiligt. Alle im April 2015 verhafteten Angeklagten leben seit mindestens zehn Jahren mit legalem Aufenthaltsstatus in Europa. Zwei von ihnen arbeiteten als praktizierende Ärzte in Nürnberg. Die Mehrzahl von ihnen hatte nach Haft und Verfolgung in der Türkei politisches Asyl in verschiedenen europäischen Ländern erhalten, wo sie sich weiter in der legalen antifaschistisch orientierten »Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa« (ATIK) engagierten. Der von der Generalbundesanwaltschaft als »Rädelsführer« bezeichnete Hauptangeklagte, der 56-jährige Müslüm Elma, musste bereits 22 Jahre in türkischen Gefängnissen verbringen. Seine Gesundheit ist durch Folter und die Teilnahme an einem Hungerstreik schwer angeschlagen. Die Anklage unterstellt ihm, der Parteiführung anzugehören und vor allem Spenden für die Partei unter türkeistämmigen Migranten in Europa eingeworben zu haben. »Keinem unserer Mandanten wird – außer der Mitgliedschaft in der TKP/ML – eine Gewalttat oder irgendeine andere strafbare Handlung in Deutschland vorgeworfen«, betonen die Verteidiger, die das ganze Verfahren als politisch motiviert ansehen. Schon um überhaupt ein Ermittlungsverfahren nach dem Paragraphen 129 b Strafgesetzbuch einzuleiten, ist eine Verfolgungsermächtigung durch das Bundesjustizministerium notwendig. Mit dieser Regelung soll verhindert werden, dass die deutsche Justiz am Ende gegen bewaffnet kämpfende Gruppierungen ermittelt, die wie die »syrische Opposition« von der Bundesregierung aus außenpolitischen Interessen als »Rebellen« hofiert werden. »Wie sich derzeit an der Autokratie Erdoğans, der türkischen Unterstützung des IS und der Verfolgung Oppositioneller zeigt, ist die Türkei kein Staat, der die Würde des Menschen achtet«, meinen die Verteidiger. »Diese Strafverfolgung ist nur außenpolitisch zu erklären und als ein weiteres Zugeständnis an Erdogan und eine Verlängerung von dessen Verfolgungshandlungen zu sehen.« In Anbetracht der Tatsache, dass das Ermittlungsverfahren gegen die TKP/ML bereits seit dem Jahr 2006 läuft, darf dahinter noch eine weitere, über kurzfristige Zugeständnisse an Erdoğan im Rahmen des Flüchtlingsdeals weit hinausgehende Zielrichtung vermutet werden. So erklärte eine Sprecherin der Münchner Staatsanwaltschaft: »Es handelt sich um ein Pilotverfahren, in dem das Gericht die Frage klären muss, ob es sich bei der TKP/ML um eine terroristische Vereinigung handelt.« Im Klartext: Es wird ausgetestet, inwieweit sich die bestehenden Terrorparagraphen zur Kriminalisierung von Solidarität mit jeder beliebigen militanten sozialrevolutionären Bewegung weltweit verwenden lassen. Mit dem Münchner Kommunistenprozess gegen die vergleichsweise unbedeutende TKP/ML schärft der Staat seine Krallen für die Zukunft.
Erschienen in Ossietzky 16/2016 |
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