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Ich hatte noch am Tag zuvor bei uns zu Hause die Überschrift des KPD-Organs Freies Volk gelesen: »Nicht KPD – Soldatenbünde verbieten«, daneben die Nachricht vom Tode Bertolt Brechts. Es hieß da: Die große Zahl seiner Werke sei »ein einziges Lied für den Frieden gegen das Völkermorden, für die Menschlichkeit und für den sozialen und sittlichen Aufbau der Welt«. Mit solch guten Worten verabschiedete eine als »linksextremistisch« geschmähte Partei sich und Brecht. Wie Brecht, so war bald meine feste Überzeugung, wirkt auch die Partei weiter. Fünf Jahre später wurde ich beim Ostermarsch von Genossen angesprochen, ob ich nicht Mitglied der nun illegalen Partei werden wolle. Ich wollte. Die Bild-Zeitung titelte einen Tag nach dem Spruch von Karlsruhe, am 18. August 1956: »KPD-Verbot – war das wirklich klug???« Darunter: »Keine Jagd auf die kleinen Mitläufer – sagt Schröder.« Bundesinnenministr Schröder (CDU, früher SA und NSDAP) log. Rund 10.000 Mitglieder der KPD wurden zwischen 1956 und 1968 eingesperrt, gegen hunderttausende »Verdächtige« wurde ermittelt. Ob es klug war, dass die Adenauerregierung die KPD verbieten ließ, das wurde heftig diskutiert. Viele Beobachter sagten damals und auch später: Die Partei war doch ohnehin am Ende, kein Bundestagsmandat mehr. Adenauer aber fürchtete nicht die Parlamentspartei, sondern die außerparlamentarische Kraft, die Partei der Friedensbewegung, eine linke Bewegung der Arbeiter und Gewerkschafter. Und er hasste die Kommunisten, weil sie sein Regime der Zusammenarbeit mit Nazis immer wieder anprangerten. Er brauchte die Nazis, um gegen den Osten aufzurüsten, und er verabscheute die Linken, die diese Strategie zu durchkreuzen versuchten. Am 30. Juni 1960 hielt der stellvertretende Vorsitzende der SPD, Herbert Wehner, – der Renegat, wie wir sagten – dann seine große Rede im Bundestag, um die Sozialdemokratie vollkommen auf die Nato-Linie, die Hochrüstung, die Bundeswehr einzuschwören und sich als »regierungsfähig« anzubiedern. Die KPD war nun der einzige friedensbewegte organisierte Faktor im Land westlich der Elbe, bis sich die pazifistischen Kräfte und gewerkschaftliche Friedensleute etwas erholt hatten. Bei der Erholung halfen wir mit. 1961 wurde die Deutsche Friedensunion geschaffen, ich engagierte mich dort. Als ich später ein Ermittlungsverfahren gegen mich gerichtet sah, las mir der Untersuchungsrichter in Wiesbaden, wo ich nun als Journalist arbeitete, aus »meiner Akte« des Verfassungsschutzes vor: »Er hat sich hervorgetan als Unterschriftensammler gegen den ›faschistischen Terror in Spanien‹, als Redner einer Geschwister-Scholl-Gedenkfeier und als Mitarbeiter der DFU« – »die Freunde Ulbrichts«, wie die SPD sie nannte. Die SPD hatte keine nennenswerten Einwände gegen das KPD-Urteil gehabt. Ihre Zeitung, das Hamburger Echo, titelte am 13. Februar 1963: »Hamburg ist einer der Schwerpunkte für die kommunistischen Agenten – Innensenator Schmidt (eben der; U. S.): »Spione leben zu Tausenden unter uns – 35 Tarnorganisationen!« Ja, ich war nun ein angeblicher Spion. Ich bekam heraus: Der SPD-Landesgeschäftsführer Dieter Blötz (später wurde er Vizepräsident des Bundesnachrichtendienstes) ist sehr fleißig. Wenn vom SPD-Landesvorstand die 95 Juso-Funktionäre und -aktivisten angeschrieben wurden, dann ließ Blötz für jeden eine extra Wachsmatritze anfertigen und ausdrucken, um herauszubekommen, wer der Informant der linken, gar DDR- Medien ist. Das war die Zeit, da in dem Betrieb, in dem ich Lehrling war, im Auerdruck-Verlag des Hamburger Echo, die SPD-Betriebsgruppe meine Entlassung forderte, weil ich noch immer Friedensarbeit mache. Ich war beim Verteilen von Flugblättern für den Ostermarsch gesehen worden. Und es war die Zeit, wo jede Geste der Verständigung unterdrückt wurde. Die da immer nach der Freizügigkeit über die Grenzen hinweg riefen, die genehmigten sie uns nicht. Gegen Ostkontakte der Jugend, gegen Buchenwald-Fahrten von Gewerkschaftern – vor allem gegen »Frohe Ferien für alle Kinder« – wurde hart vorgegangen. Es kam zu grotesken Szenen. Die Frauen, die für die Kindererholung in der DDR die Listen anfertigten und mit auf die Reise gaben, wurden wegen »staatsgefährdender Nachrichtenvermittlung« für mindestens ein Jahr eingesperrt, und sie bekamen fünf Jahre »Ehrverlust«. Weil zwölf Jahre nach dem Karlsruher Urteil die DKP gegründet wurde, erschien es vielen als eine abgeschlossene Sache, aber 1968 und dann auch 1990 hatte es seine Hauptwirkung als Damoklesschwert nicht nur über linken Parteien, sondern über jeglichen linken Bewegungen. Es öffnete den Innenministern die Möglichkeit, sie von Fördermitteln auszuließen, ihnen die Gemeinnützigkeit zu entziehen, sie in den Verfassungsschutzberichten anzuprangern – bis hin zu Vereins- und tausendfach angewendeten Berufsverboten, die immer noch drohen können. Als perfides Instrument staatlicher Verfolgung der Linken erwies sich die Gleichsetzung von links und rechts. Der Journalist Gerd Deumlich sagte einmal: Die Extremismusformel der Gleichsetzung sei abscheulich, allerdings wäre es ja mal etwas Positives, wenn die Kommunisten wie die Nazis behandelt würden. Letztere brauchten Verfolgung nicht zu fürchten, »ihr Verein wird nicht verboten, ihre Partei ist der Staat.« Und dort sitzen sie noch immer, jetzt ihre Nachfahren. Und sie bespitzeln die Linken und schreiben Schwarze Listen, die sie den Betrieben zuspielten – sollte sich ein Linker bewerben. Wir forderten lange Zeit die Aufhebung des Verbotsurteils von 1956. Das war wohl nie realistisch. Das Urteil sah jedoch durchaus ein Ende des Verbots vor, und zwar im Falle der Wiedervereinigung. Dann sollte Chancengleichheit für alle gelten, und die Kommunisten sollten sogar ihr Parteivermögen zurückerhalten. Da wir aber nie an die Wiedervereinigung glaubten, besannen wir uns auf diese Möglichkeiten der Verbotsurteilsschrift nicht oder zu spät. Im Oktober 1990 war dann alles gelaufen, und die Wirkungen des Verbots blieben größtenteils bestehen. Neben der Türkei ist die BRD das einzige europäische Land mit einem KP-Verbot. Wenn es kein Ende des Urteils gibt, wäre es da nicht sinnvoll, das Ende der einzelnen Strafprozessurteile anzustreben und eine Rehabilitierung, ja Entschädigung für die Verurteilten beziehungsweise ihre Nachkommen zu verlangen? Die Opfer des Paragraphen 175 haben so etwas versucht, indem sie als verurteilte Schwule die Aufhebung der einzelnen Unrechtsurteile verlangten. Vereinzelt wurde dies auch für verurteilte Kommunisten gefordert. Doch die Urteile wurden nicht aufgehoben. Der Justizminister von Niedersachsen beschied 1989 eiskalt: Kommt nicht in Frage. Es habe doch 1968 ein Straffreiheitsgesetz gegeben, das verhängte Urteile aufhob, wenn die Haft noch nicht angetreten war. Rückwirkend gebe es die Möglichkeit nicht für jene, die ihre Strafe abgesessen haben. Rolf Gössner, der Streiter gegen die politische Verfolgung, schrieb kürzlich: »Das höchstrichterliche Verbotsurteil von 1956 hatte verhängnisvolle Auswirkungen auf die Entwicklung der Bundesrepublik und zeitigt Fernwirkungen bis in unsere Tage. Es rechtfertigte und bestärkte die nazibelastete politische Justiz gegen Kommunisten und deren Bündnispartner. Und es trug dazu bei, das antikommunistische Bollwerk gegen den Osten, die Westintegration und die Wiederaufrüstung Westdeutschlands abzusichern.« Daher bleibe die Notwendigkeit bestehen, sich damit zu befassen. Es ist eine Aufgabe zur Verbesserung der politischen Kultur, zur Schaffung von Gerechtigkeit und zur wirkungsvollen Fortsetzung antifaschistischer Erinnerungsarbeit.
Erschienen in Ossietzky 16/2016 |
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