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Damals zielten die kriegerischen Gelüste der deutschen Faschisten genau auf die Region, die heute wieder im Visier des westlichen Militärs und der sie steuernden Politiker liegt. Offenbar haben sie wenig aus der Geschichte gelernt. Der Terminkalender der NATO lässt keinen anderen Schluss zu. So lese ich im Spiegel online am 7. Juni, dass in Polen das Großmanöver »Anakonda« stattfindet, bei dem 31.000 Soldaten eine Attacke Russlands auf Polen simulieren. Allerdings sei das Manöver »viel zu plump auf Russland gemünzt«, wie es im NATO-Hauptquartier heißt. Da macht es unsere Verteidigungsministerin mit ihrer Erklärung vom 10. Juni geschickter, wenn sie sagt, die Bundeswehr müsse »wegen der geänderten Bedrohungslage« in den nächsten Jahren Brückenlege-Panzer, modernere Funkgeräte sowie Gerät zum Verlegen von Minensperren erhalten. Es geht nämlich um »die Vorne-Präsenz in den baltischen Staaten und in Polen«. Auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärt laut Spiegel online vom 14. Juni diplomatisch, dass die NATO jetzt unbedingt Handlungsfähigkeit beweisen will, weil »unsere Nationen mit ungeahnten Sicherheitsrisiken umgehen müssen«. Deshalb findet auch 150 Kilometer vor der russischen Grenze die internationale Militärübung »Saber Strike« mit 10.000 Soldaten aus 13 Staaten statt. »Wir werden Entscheidungen treffen, um unsere Abschreckung und unsere Verteidigung zu stärken, um die Allianz gegen Bedrohungen von allen Seiten zu schützen.« Bedrohungen von allen Seiten, ungeahnte Sicherheitsrisiken, eine geänderten Bedrohungslage, die Vorne-Präsenz – alles interessante Bezeichnungen und Wortschöpfungen, die etwas zu bemüht eine konkrete Zielrichtung vermeiden. Allerdings wird der NATO-Generalsekretär zwei Tage später deutlich deutlicher. Der Bild-Zeitung sagte Stoltenberg, das Bündnis beobachte eine massive russische Aufrüstung an der eigenen Grenze, in der Arktis, im Baltikum, im Schwarzen Meer bis zum Mittelmeer. Darauf müsse die NATO reagieren. »Russland versucht, mit militärischen Mitteln einen Einflussbereich aufzubauen.« Deshalb haben die NATO-Verteidigungsminister jetzt entschieden, je 1000 Soldaten in Polen, Lettland, Estland und Litauen zu stationieren. Allerdings sei damit keine Konfrontation mit Russland oder etwa ein neuer Kalter Krieg beabsichtigt. Ich lese all die Informationen und frage mich, ob Politiker und Militärs wirklich glauben, dass wir den angerichteten Braten nicht riechen? Die geopolitische Strategie, die Wurzel allen Übels, die die Hegemonialmacht USA mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln in den letzten Jahren und Jahrzehnten ohne Rücksicht verfolgt hat und verfolgt und die von Brzezinski, Friedman, Kagan, Barnett und anderen niedergelegt wurde, ist nicht geheim. Die fünf Milliarden Dollar, die eingesetzt wurden, um in der Ukraine einen regime change zu arrangieren, wurden von Victoria Nuland stolz öffentlich gemacht. Auch die Interviewaussage des amerikanischen Präsidenten, dass man den Umsturz in der Ukraine initiiert habe, ist im Netz zu finden. Auch, dass all die Maßnahmen das Ziel hatten, Russland zu schwächen, um die Verfügung über die dortigen Ressourcen zu erlangen, kann man bei Brzezinski nachlesen. Und doch versucht man, uns Glauben zu machen, dass Russland der Aggressor sei und andere Länder bedrohe. Die »russische Annexion« der Krim wäre ein unwiderlegbarer Beweis dafür. Der Vorwurf ist allerdings nicht richtig und verkürzt die grundsätzliche Besonderheit der Situation unzulässig. Nach dem von den USA gepuschten politischen Umsturz in der Ukraine beantragte die mehrheitlich russischstämmige Bevölkerung der Krim ein Referendum, bei dem im März 2014 bei einer Wahlbeteiligung von 83,1 Prozent dem amtlichen Endergebnis zufolge 96,77 Prozent der Abstimmenden für einen Anschluss an Russland votierten. Damit ist dieser Prozess, bei dem kein Schuss fiel, eben keine Annexion, sondern nach dem im Völkerrecht verankerten Prinzip der Selbstbestimmung eine Sezession. Das interessiert aber die westlichen Politiker und ihre medialen Sprachrohre nicht, weil die Kriegspropaganda einen handfesten Fakt braucht. Nun ist es eine Tatsache, dass die Krim aufgrund des Referendums und der Entscheidung der russischen Duma jetzt zur russischen Föderation gehört. Das genügt, um in der Öffentlichkeit Russland als Aggressor zu brandmarken und Russophobie zu schüren. Die Drohkulisse der zahllosen Manöver der westlichen Gemeinschaft und ihres militärischen Arms NATO an der russischen Grenze muss ja irgendwie begründet werden. Seit 2014 finden sie nahezu ständig statt. Bereits im März 2014 operierte der Atomkreuzers »USS Truxtun« gemeinsam mit bulgarischen und rumänischen Seestreitkräften im Schwarzen Meer, es folgten im Juli 2014 die Übung »Brise 2014«, im Juli 2014 das Manöver »Rapid Trident« in der Ukraine, das Manöver »Sea Breeze 2014« und im Februar 2015 paradierte das US-Militär in der estnischen Stadt Narva, nur wenige hundert Meter von der russischen Grenze entfernt. Im Juni 2015 gab es in Polen das Manöver »Noble Jump«. Laut Spiegel online vom 28. Juni 2015 folgten im Sommer 2015 weitere NATO-Großübungen in den Nachbarländern zur Ukraine oder Russland, und im Herbst 2015 fanden erneut umfassende Manöver in Osteuropa statt. Das alles gehört offensichtlich zur aktiven Friedenspolitik der NATO. Auch Deutschland folgt diesem Kurs bedingungslos, die in Estland stationierten Eurofighter fliegen mit voller Kriegsbewaffnung. Und Präsident Obama startete eine »Initiative zur Beruhigung der Europäer« (Süddeutsche Zeitung, 3. Februar): Mit militärischem Gerät im Wert von 3,4 Milliarden Euro soll Europa beruhigt und Russland abgeschreckt werden. Dass eine komplette Panzerbrigade mit 4200 Soldaten, 250 Panzer, außerdem Haubitzen, Kampffahrzeuge und weiteren 1700 zusätzlichen Fahrzeugen an die Ostflanke der NATO verlegt werden sollen, wie Spiegel online am 31. März meldete, dient selbstverständlich auch der europäischen Beruhigung und ist keine Bedrohung für Russland. Deshalb ist es völlig unverständlich, dass Russland nun seine Ausgaben fürs Militär erhöht hat. Das allerdings ist eine ernste Bedrohung! Der Westen ist alarmiert, und Stoltenberg und die USA fordern alle NATO-Staaten auf, ihre Rüstungsausgaben nun ebenfalls zu erhöhen. Dass der deutsche Außenminister Steinmeier jetzt die NATO-Manöver in Osteuropa moderat kritisiert und statt dessen mehr Dialog und Kooperation mit Russland fordert, mag eine Hoffnung sein. Aber vielleicht war das auch nur ein wahltaktisches Manöver, um vor den anstehenden Wahlen wenigstens etwas Profil zu zeigen. Schon lange ist die Lage außerordentlich ernst. Die einzige Hoffnung, die es gibt, liegt in der Besonnenheit Putins. Möge er sich diese, auch in unser aller Interesse, möglichst lange erhalten.
Erschienen in Ossietzky 14/2016 |
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