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Den Kampf gegen »entartete Kunst«, eine politisch instrumentalisierende Bezeichnung, betrieben die Faschisten von 1933 an mit diffamierenden Schaustellungen aller künstlerischen Strömungen der Moderne seit dem Impressionismus, welche als »krankhafte Verfallskunst« galten. Sie bezeichneten die diffamierte Kunst als eine »Barbarei der Darstellung«, »grelle Farbkleckserei«, »Verzerrung«, »Dummheit der Stoffwahl«, »Hexenspuk«, »Abtötung des Rassebewusstseins« und »feindliche Kriegsgräuelpropaganda«, als einen »[Aufruf] zum Klassenkampf, zur bolschewistischen Revolution« und fanden noch andere Bewertungen im Begleitbuch zu der 1937 in München eröffneten Ausstellung »Entartete Kunst«. Die »entarteten« Künstler erfuhren existenzbedrohende Ausstellungs- und Berufsverbote, die Beschlagnahme ihrer Werke, von denen manche ins Ausland verkauft, andere vernichtet wurden. Die Faschisten trieben viele Künstler in die Emigration, einige wurden ins KZ geworfen und ermordet. Diese Schicksale zeigt die in 30 Jahren zusammengetragene Sammlung von Gerhard Schneider in einer repräsentativen Auswahl von 130 Gemälden und Grafiken im Kallmann-Museum Ismaning. Die Nazis diffamierten Hans Jürgen Kallmann (1908-1991) wegen seines Hyänen-Bildes, in der Ausstellung ist er mit »Witterndes Wildpferd« vertreten. Wie andere damals in Deutschland lebende Künstler legte Kallmann sich eine gewisse Anpassung beim Schaffen auf, malte Porträts berühmter Schauspieler. In den differenzierten Bildsprachen der Zeit nach 1933 äußert sich eine antifaschistische Zeitreflexion, wenn sich Künstler neben der und gegen die »Generallinie der Kunstdiktatur« bewegt haben. Erstes Moment des Widerstandes war die Bewahrung der künstlerischen Individualität, des Personalstiles, gegenüber der »Gleichschaltung« durch die nazistische Kunstpolitik. Das belegen die meisten Bilder, so die wunderbare Porträtzeichnung von Erna Schmidt-Caroll oder das abstrahierte Tempera-Bild der »Frau mit Vorhang« von Heinrich Maria Davringhausen. Mit zahlreichen Arbeiten gut vertreten ist der Münchner und Wiener Maler Carl Rabus, ein poetisches Gemälde zeigt ihn »Selbst mit Ernst Vogenauer«. Als »entartet« gebrandmarkter Künstler emigrierte er 1938 nach Brüssel, wurde 1940 verhaftet und interniert und musste später wegen der Verbindung zu seiner jüdischen Verlobten ins Gefängnis. Sein Gemälde und Linolschnitt »Selbst in Spiegelscherbe«, 1944/45, spiegelt auch die verzehrende Zeit des verzweifelten Wartens in der Haft. Die Nazis verspotteten satirisch aufgefasste Bilder, wie die »Halbweltdame am Caféhaustisch«, 1929, von Werner Scholz; denn für humorvolle Ironie und künstlerische Formreduktionen eines Richard Haizmann besaßen sie keinerlei Sinn; sie zerstörten seine Werkstatt, schlossen ihn aus der Reichskammer der bildenden Künste aus, prangerten ihn an. Von Rotstift durchstrichen und mit dem Vermerk »entartet« wurden Grafiken entwertet. Aber besonders standen George Grosz, Otto Dix, die kritischen Künstler insgesamt, vor allem die der KPD angehörten oder ihr nahestanden, im Schussfeld der Nazis. Darunter Jack Osterroth, Fritz Schulze, den die Nazis hinrichteten, und der – endlich wieder einmal zu sehende – Hans Grundig. Zu emigrieren lehnte er ab, weil er als Antifaschist in Deutschland gebraucht würde. Gebraucht? Er erhielt Berufsverbot, wurde mehrfach verhaftet und ins KZ geworfen. Trotzdem war seine Entscheidung zu bleiben wohl richtig, denn die im Verborgenen geschaffenen Gemälde oder die Radierfolge »Tiere und Menschen«, einige Blätter zeigt Ismaning, konnten so nur vor Ort entstehen und gehören zu den kostbarsten Zeugnissen der deutschen Widerstandskunst. Mit seiner expressiv-schonungslosen, parabelhaften Bildsprache seines »visionären Realismus« (Günter Feist) ließen sich die Nazi-Ideologie und ihre Folgen wiedergeben. In der Radierung »Kampf der Bären und Wölfe«, 1936, lässt Grundig bei der Gegenüberstellung von Bären (Sowjetunion) und Wölfen (Nazi-Deutschland) den Ausgang des noch nicht begonnenen Kriegs ungewiss. Gleichfalls visionär malte Georg Netzband das grandiose Symbolbild »Der Abgrund«, 1935, dem Sturz eines Jüngsten Gerichtes bei Rubens gleich, und vier Monate vor Kriegsbeginn als den Sieger des Krieges den Tod in Generalsuniform, der auf einem Leichenberg steht und triumphierend auf die Zerstörung blickt, darunter als Element der Kultur zeichenhaft den Eiffelturm. Und als ebenso visionär dürfte der »Liegende Hirte« von Karl Kluth aus dem Jahre 1929 zu verstehen sein, der niedergestreckt im Blute zu liegen scheint. Die Menschlichkeitszerstörung, die der Nazi-Krieg über die Welt gebracht hat, symbolisiert das Gemälde »Die Irre im Luftschutzkeller«, 1943, von Eduard Hopf. Viele der als entartet verfemten Künstler gerieten in Vergessenheit. Im Westen blieben sie durch die Doktrin der Ungegenständlichkeit verschollen; im Osten teilweise durch Formalismus-Vorwürfe. Manche in der DDR geehrte Künstler trieb die »Einheit« in eine erneute Verschollenheit. Ein bescheidenes, doch bedeutendes Dokument zeigt Otto Nagels »Berliner Straßenszene«, die er 1934-38 gemalt hatte. Es kann von einem Strom der Ausstellungsbesucher gesprochen werden, die sich im Besucherbuch auch lobend äußern: »Eine lohnende und ergreifende Ausstellung.« – »Regt zum Denken an!« – »Gut, dass es diese Sammlung gibt!! Beeindruckend und mahnend!« »›Entartete‹ Kunst. Verfolgung der Moderne im NS-Staat«. Kallmann-Museum Ismaning, Schlossstraße 3b (mit S-Bahn-Linie S8 von München zu erreichen). Bis 11. September, Di-So 14.30-17 Uhr, Eintritt 4/2,50 €, ausführlicher Katalog wird bald erscheinen.
Erschienen in Ossietzky 13/2016 |
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