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Es gibt im gesamten Programm keinen Abschnitt zum Thema Frieden. Das Wort taucht in keiner Überschrift oder Zwischenüberschrift auf und im Text nur im Zusammenhang mit »Sicherheit«. Ausführlich aber wird ein Aufrüstungsprogramm dargelegt: Wiedereinführung der Wehrpflicht, Stärkung der Bundeswehr, die »technisch mit der Weltspitze Schritt zu halten« hat, stärkere Berücksichtigung der dafür notwendigen Ausgaben im Finanzhaushalt. Während sonst der »schlanke Staat« beschworen wird, heißt es hier: »Finanzierung nach Kassenlage lehnt die AfD ab.« Mit welchem Ziel wird dieses Aufrüstungsprogramm verbunden? Die Antwort verdient mehr Gänsehaut als alle anderen Passagen dieses Textes. Nachdem davon die Rede ist, »die militärischen Fähigkeiten der deutschen Streitkräfte wieder [!! – M. S.] herzustellen, um Anschluss an die strategischen und operativen Erfordernisse zu finden«, heißt es weiter: »Diese … Wiederherstellung soll nicht nur die Landesverteidigung … sicherstellen, sondern die deutschen Streitkräfte auch in erforderlichem Maß zur Bündnisverteidigung und Krisenvorsorge befähigen.« Technisch »an der Weltspitze« kann eine Armee ohne Kernwaffen nicht mitspielen. Krisenvorsorge ist ein Synonym für weltweiten Truppeneinsatz. Wer eins und eins zusammenzählen und lesen kann, weiß, was da Programm geworden ist. Umso weniger begreiflich ist eine andere Stille: Während die Titelseiten und -kommentare von Welt bis FAZ sich intensiv mit der AfD einschließlich der bislang noch überwiegend abgelehnten Koalitionsmöglichkeit mit ihr befassten, ist diese Partei, die von einem Wahlerfolg zum nächsten zog, in den tonangebenden linken Medien auf die hinteren Seiten gerückt – bis hin zur Erwartung, mit der Zeit würden die von ihr gepfiffenen Melodien schon wieder »weiter unten in den ›Volksmusik‹-Charts« landen (junge Welt, 4.5.2016). Das unterschätzt die Wurzeln und vor allem die Gefahr, die dort am Horizont für unser aller Leben aufzieht. Wer versucht, die AfD als deutsche Erscheinung und als eine Bewegung, die wie Kai aus der Kiste gekommen ist, zu begreifen, begeht gleich zwei Fehler. Der erste Fehler ist, ihre vielfältigen Quellen aus weit zurückreichenden rechten Netzwerken zu übersehen. Um nur eine dieser Quellflüsse zu benennen: Alexander Gauland, einer ihrer prägenden Persönlichkeiten, und auch Albrecht Glaser, der Leiter der Programmkommission der AfD, sind Ziehsöhne von Alfred Dregger, der es, seit 1939 in der Wehrmacht und seit 1940 in der NSDAP aktiv, bis zum Bataillonskommandeur brachte und in der alten Bundesrepublik der wohl prominenteste Vertreter der mit einigem Recht so genannten »Stahlhelm-Fraktion« der CDU wurde. Die AfD ist die Wiedergeburt der Stahlhelm-Fraktion. Diese schreckliche Pflanze aus dem Irrgarten der deutschen Geschichte wuchert nun – und das macht ihre Gefährlichkeit aus – auf der Grundlage der zunehmend in das Stadium der Verwesung übergehenden kapitalistischen Weltgesellschaft. Verstehen, was sich da zusammenbraut, kann nur, wer gleichzeitig den Blick auf Trump, Le Pen und ähnliche Erscheinungen in anderen kapitalistischen Nationen richtet. So wie die Warlords von Afghanistan bis Tunesien und die Drogenbarone von Latein- und Südamerika die Zerfallsprodukte des kapitalistischen Systems an seiner Peripherie sind, so sind Trump, Le Pen und Petry seine Verwesungsprodukte in ihren Zentren. Ihre Funktion ist es, das parlamentarisch-politische Koordinatensystem so zu verrücken, dass zum Beispiel in Deutschland die CDU gegen den Willen ihrer gegenwärtigen Führung aus Koalitionen mit der rechten oder in Perspektive gar der linken Sozialdemokratie herausgeholt und -gehalten und in Koalitionen mit offen deutschnationalen Gruppierungen hineingezwungen wird. Damit wäre das Tor geöffnet nicht nur für einen Sozialabbau ohne Beispiel, sondern auch für ein Aufrüstungs- und Kriegsprogramm mit historischem Beispiel. Der Kampf gegen diese drohende Gefahr erlaubt keine Sekunde der Verniedlichung. Im Herbst erscheint beim Verlag PapyRossa vom Autor das Buch »Ein aufhaltsamer Aufstieg. AfD und andere – das Übel an der Wurzel packen«.
Erschienen in Ossietzky 11/2016 |
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