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So beginnt Witold Gombrowicz‘ Komödie: »Yvonne, Prinzessin von Burgund« in einer Koproduktion mit der Theaterakademie Hamburg im Malersaal des Schauspielhauses. Regie: Samuel Weiss. Die Bühne (Daniela Herzberg) ein Halbrund mit abgerissenen Tapeten. An den Wänden kleine Kommoden mit Alkoholika – die genutzt werden – und ein alter Plattenspieler. In der Mitte ein Kanapee, das auch mal kopfsteht. Zyprian und Zyrill, die Freunde, versuchen, den Prinzen Philipp aufzuheitern, ihm »Untertaninnen« (so schon 1935 bei Gombrowicz) zuzuführen. Er ist uninteressiert. Eine Hofdame, Isa, im schwarzen Kleid zeigt ihm ihre Strapse. Er ist lustlos. Er hat etwas entdeckt – nicht so schön wie der Sonnenuntergang, nein, im Gegenteil, ein Mädchen aus dem Volk, provozierend hässlich, mit Brille. »Ein Scheusal« sagt Zyprian und »Heulsuse«. Sie hat die Bühne noch nicht betreten, sitzt vor mir, in der ersten Reihe. Mit kurzem, strubbeligem Haar, nicht blond. Ihr Gesichtsausdruck gelangweilt oder müde, in sich gekehrt. Der Prinz spricht sie an, stellt sich vor, sie antwortet nicht. Ihre Lethargie reizt ihn, »sie mit einer Nadel zu stechen oder sie nachzuäffen«. Sie ist das ganz Andere, sie ist nicht so wie die Hofdamen. Seine Freunde treiben ihre Späße mit ihr. Prinz Philipp behauptet, einer plötzlichen Eingebung folgend, dass er sie heiraten wird. Das wollen sie doch, König und Königin, aber nicht diese, eine »Repräsentantin der niedersten Gesellschaftssphären«. Eine »edelmütige Tat«? Oder Mitleid? Der Prinz spricht von »Verlobung« mit Yvonne. Der König sieht es als Witz. Alle befehlen ihr: »Verbeugen!« vor dem König, der Königin. Yvonne steht nur so da. Die anderen tun es, bemerken: »Da haben wir uns vor ihr verbeugt.« Der Kammerherr (der eine Kammerfrau mit Bart ist) urteilt: »Ist die Verlobte hässlich, muss das Handeln ja schön sein, Majestät. Es ist eine normale Extravaganz.« Der Prinz sagt von sich, er habe sich nie »so glänzend« gefühlt. »Augenscheinlich muss man jemand viel Schlechteres ausfindig machen, um das Bessere in sich zu erkennen.« Er tanzt durch den Raum: »diese Leichtigkeit …« Sie, Yvonne, möge doch ein Wort sagen. Nichts. Dann die Frage, warum sie der »Sündenbock, besser Sündenziege« sei? Yvonne spricht, sehr leise: »Und so immer im Kreis herum. Kreis – jeder immer alles immer.« Der Prinz versucht, sie zu verstehen – Mystik? Ob sie an Jesus glaube? Sie antwortet in verächtlichem Ton: »Natürlich«. Sonst nichts – und bringt alle mit ihrer Nicht-Reaktion zur Verzweiflung. Dann die Entdeckung Zyrills, dass sie den Prinzen mit den Augen verschlinge. Philipp: »Du wagst es, mich anzumachen, du Regenwurm? Wollen wir sie anschmoren?« Dann beschimpft er sie: »Du Pessimistin. Du – du Realistin …« Er steigert sich hinein: »Man muss dieses Wesen ausrotten …« Dieses Wesen trägt jetzt ein Kleid mit Volants, nicht ganz weiß, und setzt sich wieder vorn in die erste Reihe. Isa, die Hofdame mit Sex-Appeal kommt, sagt: »Alles nur, um mich zu beleidigen. Sie machen sich über mich lustig, Prinz.« Im Text von Gombrowicz erscheinen mehrere Hofdamen, die sich in die Haare kriegen wegen dieser Verlobten. Sie fühlen sich erwischt, ihrer verschwiegenen Gebrechen überführt. Im Stück fällt das weg. Auch jene Sätze? »Es gibt offenbar nichts Entsetzlicheres! Krieg, Feuer, Pest sind nichts, verglichen mit dem Schrecken eines ganz gewöhnlichen, kleinen, aber verborgenen Körperfehlers, der auch Defekt genannt wird.« Von der Bühne ein Love-Song und rotes Licht. Zypriano sagt, er habe sich verliebt – oder war es Innozenz? In sie! Bei ihr könne man »sich erholen – von diesem unaufhörlichen, ununterbrochenen Wettbewerb – von dem Paradieren auf dieser Welt«. Zu Yvonne gewandt, sie habe sich in ihn (den Prinzen) verliebt, in ihn? Sie reagiert, schreit: »Fort, fort, raus!« unaufhörlich, schrill. Warum wird hinten auf der Bühne der Feuerlöscher zertrümmert? Der Prinz bekennt, er stecke in ihr wie in einer Falle und küsst sie. Yvonne biegt sich weit weg von ihm. Sie verschwinden. Neue Szene. König Ignatz erinnert sich an eine Näherin, damals. Der Kammerherr weiß es. »Eine haben wir doch schon mal umgebracht«, sagt der König – der Kammerherr half. Na ja, sie sei ins Wasser gegangen. Hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit seiner Frau Margarete, der Königin. Ihre »Schlabbrigkeit«, nicht wahr? Schon kommt sie. Die beiden verstecken sich. Die Königin holt ihr Gedichtbüchlein aus dem Sofa hervor und rezitiert ihre albernen, kitschigen Verse. Dann zerreißt sie das Heft, findet es selbst »furchtbar«. Darauf könne man nur »urinieren«. Sie tut es. Merkwürdige Idee des Regisseurs, die ablenkt. Die Königin sieht in den Spiegel, fühlt sich ertappt, denn auch sie denkt an Mord – mit einem Giftfläschchen. Spricht mit sich selbst. Sieht man es ihr an? »Erst muss ich aus meinen Zügen meine gesamte Hässlichkeit herausholen, dann kann ich gehen.« Was tut sie? Die wohlfeile Schlagsahne fürs eigene Gesicht. Yvonne bringt alle dazu, sich ihrer wahren – hässlichen – Natur bewusst zu werden. Philipp, der Prinz, will sie nun auch loswerden, wendet sich der Hofdame Isa zu, nennt sie seine »jetzige Verlobte«. Zu Yvonne: »Du stehst da wie ein Gewissensbiss.« Beschimpfungen folgen. »Mit ihr kann man sich alles erlauben.« Alles. Der Prinz rennt mit einem Messer herum. »So ein sieches Ding zu töten ist ganz leicht. Sie schreit ja selber förmlich danach.« Freund Zyrill soll ihn unterstützen. Bis morgen will sich Philipp »die bequemste Art einer Liquidation überlegen«. So steht es im Text. Fraglich, ob das alles tatsächlich auf der Bühne gesagt wurde. Auf jeden Fall fiel wieder einmal eine Wand um, wie bei allen Emotionen. Einen Menschen als ein »Es« zu bezeichnen, macht einen Mord leichter. »Es ist so schüchtern«, sagt die Königin, »so lieb und still.« Der König: »Es hat Angst.« Sie protestiere nicht, bemängelt der Prinz. Alles könne man tun mit ihr. Der Kammerherr hat die Idee: ein natürlicher Tod. Die vorgesehene Verlobung mit Yvonne könne nicht mehr abgesagt werden. Aber: Zum Festmahl müssen »Karauschen« serviert werden, in Sahne, das macht die vielen Gräten unsichtbar. Gräten! Das ist die Lösung. Es wird Sekt gereicht. Yvonne isst nur kleinste Häppchen. Dann lässt sie das Besteck fallen und krächzt, stöhnt, würgt – wie geplant. Die junge Schauspielerin (Jördis Margarethe Trauer) – sie macht es ausgezeichnet, so als kenne sie das Ersticken. Stellvertretend für alle, denen sonst viel Klamauk auf der Bühne gestattet wird. Der Tod braucht Anerkennung. »Niederknien« ist jetzt die Parole. Dann versammeln sich alle geordnet zum Sonnenuntergang, um der Schönheit zu huldigen. Die Ordnung ist wieder hergestellt.
Erschienen in Ossietzky 9/2016 |
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