Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Trumps Basis und NetzwerkKurt Stand »I suppose/ Old Man Trump knows/ Just how much/ Racial Hate/ He stirred up/ In the bloodpot of human hearts/ When he drawed/ That color line/ Here at his/ Eighteen hundred family project … « (Woody Guthrie) Vor dem Hintergrund seines Ursprungs als Handelsdrehkreuz, als Anlaufstelle für Immigranten und als Kulturzentrum war New York City in den 1970er Jahren das, was es seit hundert Jahren war: ein Zentrum der Leichtindustrie und des Transportwesens, gewerkschaftlicher Stärke und engagierter gesellschaftlicher Bewegungen. Die zahlreich vorhandenen radikalen und linken Organisationen waren untereinander zwar uneins und fielen bei Wahlen kaum ins Gewicht, trugen mit ihrer Widerstandskultur aber zur Förderung alternativer Politik bei. Zu schwach, um die vorherrschende Richtung der kapitalistischen Gesellschaft in Frage zu stellen oder dem sozialistischen Streben entscheidendes Gewicht zu verleihen, gelang es diesen Gruppierungen mit ihren unterschiedlichen, im Laufe von Jahrzehnten entwickelten Aktionsformen dennoch, wichtige Gewerkschafts- und Bürgerrechte durchzusetzen und zu verteidigen, die trotz der unentwegten Attacken des Kapitals und der konservativen Kräfte für ein gewisses Maß an ökonomischer und sozialer Gerechtigkeit sorgten. Früher oder später führt jedoch die Unfähigkeit einer Bewegung, größere Erfolge zu erzielen, zur Niederlage. Ende der 1970er Jahre war New York an seinem Tiefpunkt angelangt. Investitionsabbau von Unternehmen und Einschnitte in den Landes- und Bundeshaushalt führten zu galoppierender Armut, einem Anstieg der Kriminalität und zu Korruption in Politik und Polizeiapparat. Mehr noch: Eine allgemeine Depression hatte eingesetzt, die die Schwierigkeiten mit dem Verlust an Wohlstand, alten Idealen und Kultur reflektierte. Lange gewachsene Strukturen zerfielen in kurzer Zeit. Finanzkonzerne, Tourismusbranche, Dienstleistungsgewerbe und Immobilienwirtschaft begannen, die lokale Wirtschaft zu beherrschen, und zerstörten die industrielle Basis der organisierten Arbeiter und die zuvor noch intakten Nachbarschaftsbeziehungen. Unsicherheit wurde der neue »way of life« für die meisten Werktätigen. Der Rückkehr des offen zur Schau gestellten Luxus der ganz Reichen entsprach eine sozialdarwinistische Unterdrückung der Armen, verknüpft mit einem nie verschwundenen Rassismus. New York ging Pleite, wurde von Banken verwaltet. Die Stärke und das Selbstbewusstsein der Gewerkschaften wurden unterhöhlt, schwarze und lateinamerikanische Gruppierungen isoliert, unterdrückt oder vereinnahmt. Die Linke – sowohl die organisierte als auch ihre Sympathisanten – verlor ihre Ankerpunkte und wurde demoralisiert. Mit nur leichter zeitlicher Verzögerung zeigte sich dasselbe Bild andernorts: in anderen industriellen Zentren, anderen Universitätsstädten – und die USA als Ganzes personifizierten sich in Ronald Reagan. Die oben skizzierte Entwicklung hat viel zu tun mit Donald Trumps Aufstieg, dessen bisheriger Erfolg ist – was auch immer das Ergebnis seiner Präsidentschaftsbewerbung sein wird – eine während der kommenden Jahre anhaltende Bedrohung für die demokratische Verfasstheit der Regierung. Das bringt uns zu dem Lied, aus dem ich anfangs zitiert habe. Guthrie schrieb es 1950, als er entdeckte, dass das New Yorker Haus-Projekt, in dem er damals lebte, nur Weißen offenstand. Der Name des Hausbesitzers, der dies verfügt hatte, war Trump – nicht Donald, sondern dessen Vater, Fred. Er war ein Immobilienhai, der reich wurde, indem er in den 1950er Jahren seine politischen Kontakte nutze, um Häuser billig zu erwerben, die er dann an Familien aus der Arbeiterklasse vermietete, die im Boom nach dem Zweiten Weltkrieg in der Lage waren, höhere Mieten zu zahlen. Vom wirtschaftlichen Aufschwung profitierten viele. Offizielle Politik und Immobilienkonzerne waren sich allerdings einig in ihrer Entschlossenheit, nach Hautfarbe und Herkunft getrennte Wohnbezirke zu errichten oder beizubehalten. Die neoliberale Wende änderte die Struktur der lokalen Ökonomie New Yorks in den 1980er Jahren und brachte mit dem Immobilienboom größere Profite auch für Hotels, Kasinos und ähnliche Wirtschaftszweige. Das waren Bereiche, in die Donald Trump das Vermögen investierte, das er von seinem Vater geerbt hatte. Dazu kam das Geld, das er seinen politischen Verbindungen und seinem Rassismus verdankte. Sein politisches Netzwerk verfügte über weit zurückreichende republikanische Verbindungen zu Roy Cohn, dem Berater von McCarthy, aber auch zu demokratischen Politikern, mit denen er ertragreiche geschäftliche Verbindungen pflegte. Rassismus, der tief in der US-Kultur und den institutionellen Strukturen verankert ist, ist ein nützliches Instrument politischer Demagogie, selbst im liberalen New York. Darüber hinaus ist er einkömmlich. Die rote Linie, »that color line«, wie Guthrie singt, beschreibt die Praxis der Banken, Schwarze aus Wohngebieten auszuschließen, um so den Wert der Grundstücke zu steigern. Sie trug zu Fred Trumps Reichtum bei, während sie gleichzeitig die Solidarität innerhalb der Arbeiterschaft unterminierte. Sie war ein Vorläufer der Gentrifizierung, durch die Familien mit niedrigem und mittleren Einkommen zugunsten luxuriöser Büros und Wohnungen für Wohlhabende vertrieben werden – eine Geschäftspraxis, die die Hauptquelle von Donald Trumps Reichtum ist und seine politische Stärke ausmacht. Die Zerstörung stabiler Nachbarschaften und sicherer Jobs durch die Gentrifizierung hat zur Atomisierung der Gesellschaft beigetragen und gibt einen Vorgeschmack auf eine Welt, die außer Kontrolle gerät. Eine Welt, die sich grundlegend von der unterscheidet, von der die arbeitende Bevölkerung glaubt, dass sie ihr versprochen worden sei. In dem Maße, wie die Möglichkeiten eines guten, sprich auskömmlichen Lebens für diejenigen, die sich an die Regeln der kapitalistischen Gesellschaft halten, schwinden, geraten immer mehr Menschen in Not, häufen Schulden an oder sind schlicht besorgt. Sie sind gezwungen, zu lange für zu wenig Geld zu arbeiten, schuften bis zum Zusammenbruch in zwei oder gar drei Jobs, erleiden Phasen immer längerer Arbeitslosigkeit, jonglieren, um die ständig steigenden Kosten für Kindererziehung, Gesundheitsvorsorge oder Miete bezahlen zu können. Auf diesem Nährboden gedeihen ein zunehmend giftiger Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Angesichts mangelnder vitaler Alternativen halten manche Menschen Ausschau nach einer Antwort in Form eines Anführers, der stark genug erscheint, um in diesem Chaos Ordnung zu schaffen. Diese Sehnsucht bedient Trump und nutzt sie gründlich. In seinen Büchern, die Bestsellerauflagen erreichten, und in Reality-Fernsehsendungen präsentiert er sich als Mann der Aktion, als Macher, nicht als Mann unnützer Worte. Er präsentiert sich als eine Person, die auch nach Niederlagen das Blatt wendet, als jemand, der erfolgreich, reich und daher unabhängig ist – als Siegertyp. Das erklärt die nicht unbedeutende Anhängerschar Trumps in der werktätigen Bevölkerung. Das trifft jedenfalls zu auf weiße Angehörige der arbeitenden Bevölkerung, bei denen Trumps Rassismus verfängt, weil sie Angst vor einem sozialen Abstieg haben. Trumps Hasstiraden und Beleidigungen gegenüber mexikanischen Einwanderern, Muslimen und Frauen (oder, um präzise zu sein, gegenüber ökonomisch und sexuell unabhängigen Frauen) verleihen Ängsten einen Ausdruck, die sonst überhaupt keinen Ausdruck finden würden. Das erklärt auch, warum Trumps Widersprüchlichkeit und das Fehlen einer politischen Vision ihm kaum schaden. Die Kombination einer mangelnden Klarheit der Botschaft und der Klarheit des Tons spiegelt die Befürchtungen und die Ängste von Menschen wider, die unfähig sind, sich selbst zu artikulieren. Das alles sind Gründe, Trump zu fürchten, weil er alle Merkmale eines autoritären Anführers hat, der kundig genug ist, um Anleihen bei Mussolini zu machen und vorhandene profaschistische Netzwerke der »White power« anzusprechen. Der Grund für diese Befürchtungen besteht auch dann weiter, wenn seine Kampagne nicht zum Ziel führt, weil sehr gut irgendjemand anderes diese Lücke füllen könnte – wenn nicht bei diesen Präsidentschaftswahlen, dann bei den nächsten. Trumps Fähigkeit, so weit zu kommen, hat viel damit zu tun, dass die Republikaner ihre eigene Integrität und ihre Verbindungen zur Bevölkerung unterminiert haben. Dieser Nachteil ist weder durch Unterdrückung von Wählergruppen noch durch unbegrenzte Wahlspenden von Unternehmen komplett auszugleichen, obwohl beides eine Rolle spielt. So kann das Bestreben, zivile Freiheitsrechte im Namen der Freiheit zu unterdrücken, ganz unterschiedliche Formen annehmen – wie das Netzwerk wohlhabender Geschäftsleute zeigt, das von den Brüdern Koch gestrickt worden ist. Sie stecken maßgeblich hinter der Tea-Party-Bewegung, hinter Aktivitäten gegen die organisierte Arbeiterschaft und sind aufgrund ihres Organisationsgrades möglicherweise eine größere Gefahr als Trump. Unterschiede zwischen Cruz und Trump oder Kasich und Bush und all den anderen sind zwar real vorhanden – aber nicht weniger real ist das gemeinsame Streben, wieder Schwung in eine stagnierende Ökonomie und Ordnung in eine zerbrochene Gesellschaft zu bringen, indem zivile Freiheitsrechte und soziale Rechte eingeschränkt werden. Angriffe auf demokratische Errungenschaften, unterstützt von Unternehmen, sind immer ein Faktor in der US-Politik gewesen. Die Gefahr aber ist größer geworden in einer Zeit, in der sich die strukturelle Schwäche des US-Kapitalismus, wie eingangs beschrieben, vertieft hat. Diese Schwäche und der damit einhergehende Militarismus ist einer der Gründe, warum die Reaktion in den Vereinigten Staaten von heute so viel stärker ist als in den meisten anderen wohlhabenden Nationen – ganz anders als in den 1930er Jahren. Weil die Rechte in den USA nicht in der Lage war, sich hinter einem Kandidaten zu versammeln, wird sie bei der Wahl in diesem Jahr wahrscheinlich nicht triumphieren – obwohl es keine Garantie dafür gibt. Kritischer ist, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese Kräfte in naher Zukunft zu größerer Einheit gelangen. Gegenkräfte existieren. Und so stark Trumps Anhängerschaft in einigen Bereichen der arbeitenden Bevölkerung ist, so kraftvoll wird er in anderen bekämpft. Progressive Grundeinstellungen sind weiter vorhanden, die Arbeiterbewegung ist nach wie vor in der Lage, zu mobilisieren, und bevölkerungsübergreifende Organisationen stellen sich dem Hass weiter entgegen. Die Wahl Obamas und der große Widerhall der Occupy-Wall-Street-Bewegung beweisen das ebenso wie die Hartnäckigkeit der »Black Lives Matter«-Bewegung oder die Resonanz auf die Bernie-Sanders-Kampagne. Dennoch: Um Trump oder jemanden wie ihn auch in Zukunft zu verhindern, bedarf es besserer Organisation, eines präziseren Programms und einer weiterreichenden Vision. In John Steinbecks Roman »Früchte des Zorns« verzweifelt ein kleiner Pächter aus Oklahoma, weil er nicht weiß, auf wen er seine Knarre richten soll, um zu verhindern, dass die Bank ihm sein Land wegnimmt. Im Verlaufe des Romans kristallisiert sich eine Vision von dem heraus, was sich entwickeln sollte oder könnte – eine Vision, die sich in den sozialen Bewegungen der damaligen Zeit ausdrückte. Diese Vision ist eingefangen in den Zeilen eines anderen Liedes von Woody Guthrie, das er für die Verfilmung des Buches schrieb. Seine »Ballad of Tom Joad« handelt von den Werten der damaligen radikalen Arbeiterbewegung – und sie drückt nach wie vor die Wertvorstellungen einer alternativen, wirklichen Demokratie auf der Höhe der heutigen Zeit aus: »Ever’body might be just one big soul,/ Well it looks that a-way to me./ Everywhere that you look, in the day or night,/ That’s where I’m a-gonna be, Ma,/ That’s where I’m a-gonna be.// Wherever little children are hungry and cry,/ Wherever people ain’t free./ Wherever men are fightin’ for their rights,/ That’s where I’m a-gonna be, Ma,/ That’s where I’m a-gonna be.«Kurt Stand lebt und arbeitet in den USA. Übersetzung: Manfred Sohn.
Erschienen in Ossietzky 9/2016 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |