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Ins Auge fallen Zeitungsschlagzeilen wie »Mensa-Neubau nicht darstellbar« (NWZ vom 5.12.2015) – im Sinne von »zu teuer« – oder »Keul: ›[Erhöhung der Abgeordnetendiäten] politisch nicht darstellbar‹« (Schaumburger Nachrichten vom 27.2.2014)« in der Bedeutung »gegenüber den Wählern nicht vermittelbar/durchsetzbar«. Hier scheint die erwähnte juristische Verwendung durchgeschlagen zu haben. Die beiden Überschriften sind insofern bezeichnend, weil sie die Hauptanwendungsbereiche benennen: Politik und Wirtschaft. Den ausufernden Gebrauch stilistisch als »aufgeblähtes Deutsch« (www.pyrolim.de, vom 6.11.2015) zu kritisieren ist sicher berechtigt, reicht aber nicht aus. Kai Biermann und Martin Haase behandeln in ihrem lexikonartig aufgemachten Buch »Sprachlügen« (2013) auch den Ausdruck »(nicht) darstellbar«. Sie nähern sich ihm zunächst ebenfalls stilkritisch (»sprachliche Protzerei«) und reduzieren seine Grundaussage auf ein einfaches »Nein«. Zum psychologischen Hintergrund bemerken sie, er lasse »die Hoffnung, dass in irgendeiner Zukunft« sich etwas zum Guten wenden könnte. Als Motiv, aus dem heraus Politiker ihn verwenden, vermuten sie deren »Hang, niemanden enttäuschen zu wollen, und [die] Angst davor, unbeliebt zu sein«. Mit der Passivkonstruktion (-bar) werde verschleiert, wer die handelnden Personen seien. »Eine nicht näher genannte höhere Macht« wird für die jeweilige Unmöglichkeit verantwortlich gemacht. Hiermit ist allerdings nur die Verwendung im Bereich der Politik abgedeckt; doch spielt der Bereich der Wirtschaft eine viel bedeutendere Rolle. Im neoliberalen Verständnis hat die Politik die Aufgabe, die Erfordernisse der Ökonomie in adäquate Entscheidungen umzusetzen. Die Ökonomie wiederum sieht sich idealerweise als autonom, was unhinterfragt voraussetzt, dass der Unternehmenswert Vorrang hat. Was hiermit im Widerspruch steht, ist dann definitionsgemäß »nicht denkbar«, »nicht möglich«, »nicht erreichbar«, »nicht machbar«. Was aber zum Beispiel nicht denkbar genannt wird, existiert folglich auch nicht. Der Ausdruck »nicht darstellbar« beinhaltet in dieser Verwendungsweise die Negation von Teilen der Realität. Zum Beispiel: »Gänzlich ohne Einsatz öffentlicher Mittel sind öffentliche Investitionen nicht darstellbar.« (Positionspapier des Bankenverbandes zum Bericht der Expertenkommission »Stärkung von Investitionen in Deutschland« vom 22.4.2015) – »Der Entwicklungsstand der Fahrzeuge und der hohe Preis für Hybridfahrzeuge sind allerdings die Hemmnisse für eine Beschaffung. Ein wirtschaftlicher Betrieb ist daher derzeit nicht darstellbar.«(RatsInformationsSystem der Stadt München vom 11.7.2012) Es gibt allerdings auch Fälle, in denen sich die Interessen der Ökonomie denen der Politik unterordnen müssen; dann heißt es: »Bonuszahlungen der Hypo Real Estate ›nicht darstellbar‹.« (Deutschlandfunk 20.9.2010, Interview mit dem CDU-Finanzpolitiker Leo Dautzenberg) Hier heißt »nicht darstellbar« »gegenüber den Politikern nicht durchsetzbar«. Solche Fälle müssen aus der Sicht der Ökonomie selbstverständlich die Ausnahme bleiben. Ungewollte Komik schließlich kommt ins Spiel, wenn – direkt oder indirekt – von Menschen die Rede ist; zunächst der indirekte Fall, eine Gruppe von Menschen, eine Partei: Der Titel eines Films der Piratenpartei über ihren Wahlkampf in Niedersachsen (»Medial nicht darstellbar«) wird folgendermaßen erklärt: »Ein NDR-Redakteur nannte die Partei ›medial nicht darstellbar‹, dieser Dokumentarfilm probiert es dennoch.« (http://zuse-crew.de/exklusive-filmvorfuehrung-der-piratendoku-medial-nicht-darstellbar/) – Dann die Anwendung auf eine einzelne Person: Umgangssprachlich hört man sicher, jemand sei (als Arbeitskraft) »zu teuer«. Ist ein Profifußballer gemeint, wird daraus unversehens die Schlagzeile »Eintracht Frankfurt: ›Volland ist für uns nicht darstellbar‹«. Gemeint ist folgender Sachverhalt: »[Kevin Volland] wird von Topklubs gejagt. Und Hoffenheim gibt ihn sowieso nicht ab, die brauchen kein Geld, er ist ihr bester Spieler. Und er ist in eine andere Kategorie gerutscht, was Ablöse und Gehalt angeht.« (FR vom 19.4.2013)So existieren schließlich auch Fußballprofis nicht mehr – wenn auch nur für Vereine, die sie sich nicht leisten können.
Erschienen in Ossietzky 8/2016 |
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