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Ossietzky 2/2016). Das hatte er schön und, wie es seine Art ist, überzeugend gesagt. Dummerweise hat einen reichlichen Monat später, und auch hier wieder genauer: am 17. Januar, die WDR-Journalistin Claudia Zimmermann in einer Talkrunde des niederländischen Radioprogramms »De Stemming« (Die Stimmung) das glatte Gegenteil behauptet. Im Verlauf der Diskussion über die Auswirkungen der Silvesternacht in Köln auch auf die Berichterstattung in den deutschen Medien erklärte sie, angewiesen zu sein, pro Regierung zu berichten. Im Sendeprotokoll ist festgehalten: »Moderator: War das irgendwo festgelegt, oder haben Sie irgendwann eine Mail bekommen: ›So sollen Sie berichten?‹ Claudia Zimmermann: Grundsätzlich nicht, aber wir sind natürlich ein öffentlich-rechtliches Medium. Das heißt, dass es verschiedene Kommissionen gibt, die bestimmen, wie unser Programm aussehen soll. Wir sind natürlich angewiesen, das einigermaßen ›pro Regierung‹ zu berichten.« Ob dieses empörenden Eingeständnisses erhob sich in einigen selbstverständlich völlig unabhängigen Medien ein Sturm des Protestes. Die stellvertretende WDR-Unternehmenssprecherin Ingrid Schmitz distanzierte sich umgehend. Die Falschinformation entspreche in keiner Weise der Haltung, den Werten und dem Programmauftrag des Senders. »Die Berichterstattung des WDR und seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgt nach höchsten journalistischen Standards und auf einer klaren gesetzlichen Grundlage – ausgewogen und unabhängig. Das gilt für die gesamte Berichterstattung, auch für die über Flüchtlinge.« Und siehe da, flugs geschah das Wunder. Die seit zwei Jahrzehnten als freie Journalistin für das Fernsehen arbeitende Frau Zimmermann ruderte zurück und streute Asche auf ihr Haupt. Nach einem Gespräch mit Verantwortlichen des WDR erklärte sie reuevoll, »Unsinn« geredet und »totalen Quatsch« verzapft zu haben, was ihr »ungeheuer peinlich« sei. Wörtlich bekannte sie: »Der WDR steht für einen ausgewogenen und unabhängigen Journalismus. Unser breit aufgestelltes Programm zeigt besonders in diesen Tagen, wie umfangreich, unabhängig, kritisch und differenziert wir über die Flüchtlingsproblematik berichten.« Ob sie diesen vorzüglichen Text selbst formuliert oder lediglich unterschrieben hat, ist bisher nicht mitgeteilt worden. Claus Kleber hätte es nicht besser formulieren können! Aber wie das Leben so spielt, meldete sich nicht einmal zwei Wochen nach der Abbitte der reumütigen Sünderin, genauer: am 29. Januar, ein Fernseh-Schwergewichtler zu Wort, der auf eine beachtliche Karriere in diesem Medium zurückblicken kann. Er war Redakteur für »Report München«, »Tagesschau« und »Tagesthemen«, in den 1980er Jahren stellvertretender Hauptredaktionsleiter Innenpolitik beim ZDF und Leiter des Bonner Hauptstadtstudios, in dem er für die Konzeption und Moderation der Politmagazine »Bonn direkt« und »Was nun, Herr …« verantwortlich zeichnete. Von 2000 bis 2015 schließlich war er Redaktionsleiter und Moderator der ZDF-Kultursendung »aspekte«. Sein Name ist wahrlich nicht unbekannt: Wolfgang Herles. Im sogenannten Medienquartett des Deutschlandfunks machte er höchst bemerkenswerte Ausführungen, die es verdienen, im Wortlaut zitiert zu werden: »Wir haben ja das Problem, dass – jetzt spreche ich wieder überwiegend vom Öffentlich-Rechtlichen – dass wir eine Regierungsnähe haben. Nicht nur dadurch, dass überwiegend so kommentiert wird, wie es der Großen Koalition entspricht, dem Meinungsspektrum, sondern auch dadurch, dass wir vollkommen der Agenda auf den Leim gehen, die die Politik vorgibt. Das heißt, die Themen, über die berichtet wird, werden von der Regierung vorgegeben …« Als der Moderator Christian Floto ihn an dieser Stelle unterbrechen wollte, fuhr er, einmal in Fahrt gekommen, fort: »Also wir gehen der Agenda auf den Leim. Und es gibt tatsächlich, das muss ich jetzt an der Stelle doch nochmal sagen, weil es ja in der öffentlichen Diskussion ist, es gibt tatsächlich Anweisungen von oben. Auch im ZDF sagt der Chefredakteur: Freunde, wir müssen so berichten, dass es Europa und dem Gemeinwohl dient, und da braucht er in Klammern gar nicht mehr dazu[zu]sagen, wie es der Frau Merkel gefällt. Solche Anweisungen gibt es. Die gab es auch zu meiner Zeit. Es gab eine schriftliche Anweisung, dass das ZDF der Herstellung der Einheit Deutschlands zu dienen habe, und das ist was anderes, als zu berichten, was ist. Wir durften damals nichts Negatives über die neuen Bundesländer sagen. Heute darf man nichts Negatives über die Flüchtlinge sagen. Das ist Regierungsjournalismus, und das führt dazu, dass Leute das Vertrauen in uns verlieren. Das ist der Skandal.« Soweit also der namhafte Sachverständige Herles, der es wissen muss. Ein weiterer Skandal besteht wohl darin, dass ganz im Gegensatz zu dem empörten Lärm um die Erklärung der unbekannten, nahezu namenlosen freischaffenden Journalistin Zimmermann das Eingeständnis des namhaften Fernsehjournalisten keinerlei Widerhall in den meinungsbildenden Medien fand – weder in der Welt und in der Frankfurter Allgemeinen noch in der Süddeutschen Zeitung und im Spiegel. Schlussbemerkung: Wolfgang Herles ist liberal-konservativ. Mein Herzensfreund ist er wahrlich nicht; spätestens seit er einen untergegangenen Staat, die DDR, von der er keine Ahnung hat, ein »Scheißland« nannte (s. Ossietzky 9/2012). Von öffentlich-rechtlichem Rundfunk und Fernsehen aber hat er mehr als nur eine Ahnung. Er war und ist ein Insider, er weiß sehr gut, wie der Hase läuft.
Erschienen in Ossietzky 7/2016 |
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