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Ihre Spitzenkandidaten in Magdeburg, Mainz und Stuttgart hatten punkten wollen, indem sie sich bei diesem Thema gegen die Kanzlerin positionierten und haben damit Stimmen nicht gewonnen, sondern verloren. Es lohnt also nicht, die AfD zu kopieren. Nebenbei ist Merkel mal wieder eine potentielle Konkurrentin losgeworden: Julia Klöckner. Die SPD ist in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt in die Trostlosigkeit abgestürzt. Dass es auch anders geht, zeigte Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz. Ihre positive Haltung gegenüber einer Politik größerer Öffnung für Flüchtlinge hat ihr ebenso wenig geschadet wie Winfried Kretschmann. In beiden Fällen kam ein Amtsbonus für die Ministerpräsidentin und den Ministerpräsidenten hinzu. Überall wurden die bestehenden Koalitionen abgewählt, auch in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, wo die Juniorpartner schwächelten. Die FDP, skeptisch gegenüber Merkels Flüchtlingspolitik, nimmt der marktradikalen AfD-Abspaltung »Alfa« die Vorfahrt und erholt sich dadurch ein bisschen. Wulf Gallert, der Spitzenkandidat der Linkspartei in Sachsen-Anhalt, erklärt deren Verluste damit, dass sie in der Zuwanderungspolitik dem Rechtspopulismus keinerlei Zugeständnis gemacht habe, und er steht zu dieser Entscheidung. Das ist ehrenwert und alternativlos, aber es fehlt wohl noch etwas: Die Linke hat sich seit Jahren in diesem Bundesland auf eine Regierungsübernahme vorbereitet, vor noch nicht langer Zeit schien Gallert Chancen zu haben, Ministerpräsident zu werden. Dabei hat man wahrscheinlich nicht mehr überlegt, ob man auch noch das Zeug zu einer sozialen Protestpartei hat. Diese Leerstelle füllte dann die AfD – mit fremdenfeindlichem Inhalt. Dass links noch Luft sein kann, zeigte sich eine Woche vorher bei den hessischen Kommunalwahlen. Auch da räumte die AfD ab, aber die Linkspartei legte ebenfalls zu. In zwei Gemeinden wurde sogar die totgesagte DKP zweistellig. Der Aufstieg der AfD ist der vierte Rechts-Abmarsch in der Geschichte der Bundesrepublik. Der erste war 1950. In der Landtagswahl von Schleswig-Holstein erzielte der Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) 23,4 Prozent der Stimmen. Er vertrat die Flüchtlinge und koalierte in der Folgezeit in den Ländern sowie im Bund jeweils mit der stärksten Partei (sei es die CDU, sei es die SPD), um die Interessen seiner Klientel durchzusetzen. Dies waren die Vertriebenen, aber wer waren die »Entrechteten«? Antwort: die alten Nazis, die, soweit sie Beamte waren, um ihre Rückkehr in den Öffentlichen Dienst kämpften. 1951 hatten sie Erfolg mit dem »Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen«. Hier wurde festgelegt, dass ehemalige Mitglieder und Funktionäre nationalsozialistischer Organisationen, die ab 1945 entlassen oder suspendiert worden waren, wieder einzustellen waren, sofern sie im Entnazifizierungsverfahren nicht zu der klein gehaltenen Gruppe der Hauptschuldigen oder Belasteten zählten. Der wirtschaftlichen Integration der Vertriebenen diente ein Gesetz, das einen Lastenausgleich zwischen ihnen und den westdeutschen Altbürgern regelte. Anfang der sechziger Jahre verschwand der BHE wieder, viele seiner Mitglieder traten den Parteien, mit denen er vorher koaliert hatte, bei. In der ersten – leichten – Wirtschaftskrise 1966/1967 begann der Aufstieg der NPD in mehrere Landtage und dauerte bis 1968. Als sich das westdeutsche »Wirtschaftswunder« bald wieder für ein paar Jahre fortsetzte, scheiterte die NPD 1969 in der Bundestagswahl und flog danach aus den Landtagen wieder raus, in die sie bis dahin gelangt war. 1988/89 begannen die Eliten an Helmut Kohl zu zweifeln: Er war ihnen nicht marktradikal genug. In diese Legitimationslücke der bürgerlichen Mitte drangen die Republikaner ein. Das geschah nicht dadurch, dass sie sich der neoliberalen Unzufriedenheit mit dem Kanzler anschlossen, sondern sie mobilisierten gegen Ausländer und traten sozialdemagogisch auf. So begann die Verlagerung der sozialen Frage nach rechts. Kohl wurde durch die Wiedervereinigung gerettet, aber die Republikaner hatten noch bis 1992 Erfolge, außerparlamentarisch flankiert durch Brandstiftung an Flüchtlingsheimen. 1993 demontierten CDU/CSU und SPD den Asylartikel des Grundgesetzes. Damit wurde den Wählern der Republikaner Genüge getan, und diese Partei stieg wieder ab. Nun also die AfD mit ihrer Vorfeldorganisation Pegida. SPD und CDU/CSU wollen sie in gleicher Weise loswerden wie einst den BHE und die Republikaner: indem sie der Ausländerfeindlichkeit entgegenkommen – Schließung des Schengen-Raums gegen Flüchtlinge, Öffnung nur so weit, wie es der Arbeitskräftebilanz und der Demografie dienlich ist. Diese Kalkulation geht (wahrscheinlich zutreffend) davon aus, dass die AfD Fleisch vom Fleisch der beiden Volksparteien ist und zumindest deren rechte Hälften ein noch unausgeschöpftes Stimmenreservoir für diese bilden. Sei die Grenze wieder dicht, versiege auch die Wählerzufuhr. Das könnte sich als Irrtum erweisen. Die AfD stieg nämlich schon vor der Flüchtlingskrise auf. Anfangs war der Kampf gegen den Euro ihr Thema. Ihr Sozialdarwinismus wird auch künftig genug Agitationsstoff finden, wahrscheinlich vor allem in der Angstmache vor dem Islam. Eine Grundlage dafür, dass die parteipolitische Verselbständigung von Rechtspopulismus wieder rückgängig gemacht werden konnte, war in der Vergangenheit neben dem freundlichen Entgegenkommen der anderen Parteien wirtschaftlicher Aufschwung. So konnte ab 1969 die NPD wieder dezimiert werden, obwohl ihr – anders als vorher dem BHE und später den Republikanern – keine Zugeständnisse gemacht wurden. Inzwischen sind die soziale Spaltung der Gesellschaft und die Verunsicherung der Mittelschicht so weit vorangeschritten, dass politische Integration schwerer geworden ist. Überdies wurde der Rechtspopulismus längst zum gesamteuropäischen Phänomen, einschließlich Russlands. Wird Zeit, dass die Linken sich etwas einfallen lassen.
Erschienen in Ossietzky 7/2016 |
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