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Dieses Grellorange kam aus der Pop-Art, galt in Ost und West als hochmodisch, einige Jahre lang zumindest, dann verschwand es auf Nimmerwiedersehen. Verschwunden war leider auch der Fön; war weder im Bad zu finden, wo er eigentlich hingehörte, noch in meinem großen Schrank und nicht einmal im Keller. Egal, sagte ich, auf alle Fälle haben wir noch diesen ganz alten, garantiert deutsche Wertarbeit. Eine Tante mütterlicherseits, die wusste, dass ich vielerlei sammle, hatte ihn mir vor Jahren geschenkt: einen Efbe-Haartrockner aus Bad Blankenburg, Güteklasse 1 zum Preis von 35,25 DM, viel Geld für jene Zeit, mit Garantieschein und in der Originalverpackung aus dem Jahre 1957. Dass sie auch den Karton aufbewahrt hat, dafür muss ich sie besonders loben. Denn es lohnt sich oft zu sehen, wie man den Inhalt, seien es nun Dinge, seien es Verhältnisse, verpackt hat, um ihn oder sie zu verkaufen. Hier ziert ein Mädchen den Deckel, doch nicht irgendeines, sondern ein blondes und blauäugiges mit einem kleinen schwarzen Hund auf dem Schoß. Und vor dem Mädchen schwebt riesenhaft der Fön in der Luft und bläst ihr, wie es sich gehört, auf den Kopf, dass die blonden Locken flattern. Der Fön selbst ist handlich und von graziler Gestalt, nur in Betrieb nehmen ließ er sich nicht: Sein Stecker ist nicht anschlussfähig, ihm fehlt der dritte Pol, der Schutzkontakt. Nanu, dachte ich, mein Westbügeleisen ist doch fast genauso alt – hat das schon einen Schukostecker? Ich hatte in all den Jahren seit dem Sommer 1989 nie darauf geachtet. Weshalb mein Vater, Rentner zu jener Zeit schon, sich damals aus dem Nachlass meiner Westberliner Großtante nebst einigen anderen Haushaltsgegenständen gerade dieses Bügeleisen erbeten hatte, und zwar für mich, der ich nur höchst selten bügele, wundert mich. Ich kann ihn aber nicht mehr danach fragen. Wenn ich mich recht entsinne, waren es alles AEG-Produkte, mit denen er zurückkam; bei dieser Firma nämlich hatte der Mann der Großtante als Ingenieur gearbeitet. Auch sie hat ihren Kauf in der Originalverpackung belassen. Es ist darauf aber keine blonde Schönheit beim Bügeln zu sehen, sondern einfach nur dieses Bügeleisen, das selber eine Schönheit ist: Elfenbein und Ochsenblut sind die Farben der Plasteteile, der Textilumspannung des Kabels, ochsenblutfarben ist auch der Stecker, ein Schukostecker selbstverständlich. Und der Griff wölbt sich in kräftiger Rundung vorn hoch wie eine Elvis-Tolle, Motto: mit Volldampf voraus. Dagegen wirkt die braune Plastepistole aus dem VEB Elektro-Heizgeräte-Werk Bad Blankenburg doch recht bieder. Aufbewahrt hat meine Großtante auch die Gebrauchsanweisung mit dem Druckvermerk 5.58 und den Garantieschein. Er macht aber nicht viel her, dieser Schein – hier hat sich der kleine VEB wiederum ersichtlich mehr einfallen lassen als die Weltfirma aus dem Westen: Man hat, was es mitzuteilen gibt, nicht einfach auf ein Stück Papier gedruckt, sondern man sieht auf diesem Schein etwas, das ein mittelalterliches Urkundenpergament nebst Siegel darstellen soll, und auf diesem bedeutsamem Untergrund erst steht der Text; die Kopfzeile, passend dazu, in Schnörkelschrift. Mancher wird vielleicht fragen, wie sich all dieses graphische Zubehör, der reizende Blondschopf mit Hund etwa oder das falschen Urkundenpergament, mit der klassenkämpferischen DDR der fünfziger Jahre zusammenreimt? Und was diese Altertümelei (zum Beispiel) überhaupt zu bedeuten hatte? Stand sie symbolisch für die Verlässlichkeit der Garantie? Sollte sie uns sagen, dass in Bad Blankenburg noch auf mittelalterliche Weise produziert wird? Oder könnte man damals gar gemeint haben, sie passe zum Charakter der neuen Verhältnisse im Lande? Was es mit denen auf sich hatte, klingt an einer Stelle im Urkundentext zumindest an: Heißt es in der AEG-Garantie »Eine weitere Haftung wird nicht übernommen«, so in der des VEB: »Jede weitere Haftung wird abgelehnt.« Das sollten sich allenfallsige Supplikanten gefälligst hinter die Ohren schreiben! Wahrscheinlich haben, um noch einmal aufs Graphische zu kommen, Kind, Hund und Pergament mit der Bilderwelt des Kleinbürgertums zu tun. Ich will aber, statt weiter zu rätseln, lieber einen praktischen Erfolg vermelden: Nach längerem Suchen habe ich zwei Zwischenstecker gefunden, mit denen sich der Fön ans Netz anschließen lässt, und siehe da, er funktioniert. Leider ist diese Konstruktion etwas wacklig, und so hat sich B. doch wieder im Drogeriemarkt das gleiche Modell wie zuvor gekauft. Einziger Unterschied: Statt sechs Euro kostete es nun acht.
Erschienen in Ossietzky 6/2016 |
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