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Viel kleiner kann man es leider nicht sagen: es geht um Frieden, Sicherheit und Freiheit in Europa.« Eine so präzise Einschätzung des Kerns der Auseinandersetzung mit Russland und seinem Präsidenten kann nur von einem Ausnahmeaußenpolitiker stammen. Und in der Tat: Norbert Röttgen, Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses des Bundestages, ist solch ein Politiker. Ein Glück, dass wir ihn haben! Er war auf leichten Umwegen in sein gegenwärtiges repräsentatives Amt gekommen. Erst war er Chef der Jungen Union in Nordrhein-Westfalen dann Bundestagsabgeordneter, parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, Bundesumweltminister, Vorsitzender des stärksten CDU-Landesverbands NRW. Ungerechterweise warf ihn die Kanzlerin 2012 aus dem Kabinett, nicht weil er 2010 die Verlängerung der Laufzeiten für Kernkraftwerke »als das anspruchsvollste, klimaverträglichste, effizienteste, langfristigste Energieprogramm, das es je gegeben hat« bezeichnete, das war damals ja bekanntlich auch die Position von Frau Merkel, sondern weil er angeblich die Landtagswahl in NRW versemmelt hatte. Aber Röttgen wäre nicht Röttgen, wenn er sich nicht wieder hochgearbeitet hätte. Er erinnerte sich seines Naturtalentes, seiner diplomatischen Fähigkeiten, und so beschloss er, sich künftig der Außenpolitik zu widmen. Innerhalb von nur zwei Jahren stieg er vom stellvertretenden Mitglied des wichtigen außenpolitischen Bundestagsausschusses zu dessen Vorsitzenden auf. Im besonderen Maße galten und gelten seine Anstrengungen der Entwicklung konfliktfreier Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Russischen Föderation. Mit Augenmaß und notwendiger Klarheit bemüht er sich, dazu beizutragen, den russischen Staatspräsidenten auf den Pfad der politischen Tugend zurückzuführen. Doch schon vor einem Jahr musste er im »Debattenmagazin« The European konstatieren, dass diese Herkulesaufgabe alles andere als leicht zu lösen ist: »Unsere Russlandpolitik der vergangenen Jahre war von der Hoffnung geprägt, der wirtschaftlichen Annäherung würde ein politischer und gesellschaftlicher Wandel folgen. Doch das ist leider nicht eingetreten. Stattdessen zeigt sich Russland konservativer, restriktiver und nationalistischer als zuvor.« In dieser Einschätzung sah sich der Ausschussvorsitzende Röttgen auch auf der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz bestätigt. Im Interview mit den Ruhr Nachrichten fällte er ein vernichtendes Urteil über die Konferenzrede des russischen Ministerpräsidenten Dmitri Medwedew, die offenbar, und das sei nebenbei bemerkt, so miserabel und inhaltslos war, dass die deutschen Medien reinen Herzens darauf verzichten konnten, halbwegs objektiv über sie zu informieren. Völlig ausreichend ist doch die Einschätzung Röttgens: »Das sind Drohgebärden, mit denen Russland Angst schüren und den Westen einschüchtern will. Damit will der Kreml erreichen, dass er seine militärische Intervention und seine Bombardements der Zivilbevölkerung in Syrien ungestört fortsetzen kann. Das ist geradezu eine Perversion der realen Entwicklungen. Nicht der Westen und die NATO sind die Verursacher der Spannungen. Das Land, das Krieg in Syrien führt und mitverantwortlich für die humanitäre Katastrophe dort ist, ist Russland … Die Lage ist sehr ernst … Moskau setzt … auf Gewalt. Das führt dazu, dass in Syrien wieder Zehntausende fliehen und nach Europa wollen. Russland leistet hier keinen Beitrag zur Lösung der Krise, es verschärft sie noch und trägt zu einer humanitären Katastrophe bei. Hier werden Städte bombardiert und die Menschen ausgehungert.« Hier trifft Röttgen wieder einmal den Nagel auf den Kopf. Er lässt sich vom russischen Premier und seinen in München vorgetragenen »fünf Thesen für die Sicherheit« und den darin enthaltenen zahlreichen konstruktiven Vorschlägen nicht hinters Licht führen. Im Interview mit dem Deutschlandfunk stellte er klar, dass es Russland in Syrien darum geht, »die gesamte Bevölkerung und die Opposition wegzubomben«. Und zu Recht empört fügte er hinzu, dass es »ein Ausdruck des Zynismus, der menschenverachtend ist« sei, »dass dieser Sachverhalt auch noch bestritten wird«. Wenige Tage zuvor hatte er gegenüber der Welt bereits scharfe Kritik an den russischen Luftangriffen in Syrien geäußert: »Es ist die Realität russischer Machtpolitik: ein brutaler, menschenverachtender Zynismus. Und ja, auch der Tatbestand eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit ist erfüllt.« Und als erfahrener Politiker weiß er: »Putin wird dafür bezahlen müssen!« In Moskau ist diese mit dem schon erwähnten Feingefühl geübte Kritik, wie nicht anders zu erwarten, mit wenig Verständnis und leider auch mit Ironie aufgenommen worden. Der Chef des Auswärtigen Ausschusses der Staatsduma, Alexei Puschkow, twitterte: »Im Bundestag hat man die russischen Angriffe gegen die Militanten in Syrien als Ausdruck eines ›brutalen Zynismus bezeichnet‹. Eine ganz andere Sache sind die humanen Aggressionen von USA & Со. im Irak und Libyen!« Zugleich verwies Puschkow darauf, dass das Blutbad in Syrien lange vor Beginn des russischen Luftwaffeneinsatzes begonnen habe: »Vor dem 30.9.15 hat Russland keine Luftangriffe in Syrien geflogen. Nicht wir, sondern die US-Politik im Nahen Osten hat den Flüchtlingstsunami ausgelöst. Der Bundestag sucht also am falschen Ort nach den Schuldigen.« Das ist ein hundsgemeiner Vorwurf, zumal der Russe, wie es scheint, auch noch Recht hat. Laut einer Information des UNHCR (United Nations High Commissioner for Refugees) vom 9. Juli 2015, also mehr als zweieinhalb Monate vor dem ersten russischen Luftangriff, hatte die Zahl der Flüchtlinge, die wegen des Konflikts in Syrien in die Nachbarländer geflohen waren, die Vier-Millionen-Marke überschritten. Damit, so erklärte der damalige UN-Flüchtlingskommissar António Guterres, sei der Konflikt in Syrien Ursache der größten Flüchtlingskrise unter UNHCR-Mandat seit einem Vierteljahrhundert. Aber zu Röttgens Ehrenrettung sei die Möglichkeit eingeräumt, dass russische Kampfflugzeuge vom Typ Su-34 und Su-24M bereits Jahre vor dem 30. September 2015 in Syrien gebombt haben. Natürlich klammheimlich. Den Russen ist alles zuzutrauen!
Erschienen in Ossietzky 6/2016 |
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