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Die Geschichte der KdF-Wagen-Stadt beginnt damit zwar 1938 – sonst wären rechnerisch die 75 Jahre ja noch nicht zustande gekommen –, aber die Grundsteinlegung und die folgenden sieben Jahre unter faschistischer Herrschaft spielten bei den Feierlichkeiten im Jahr 2013 keine Rolle. Da gab es auch nichts zu feiern, denn diese Jahre sind untrennbar verbunden mit Zwangsarbeit und Rüstungsproduktion für einen verbrecherischen Krieg mit 60 Millionen Toten, die es ohne die Mordmaschinerie der deutschen Industrie nicht gegeben hätte. Und das Volkswagenwerk und die Verwaltung der Zwangsarbeiter- und KZ-Lager in der damaligen Baracken-Stadt waren ein nicht unwesentlicher Teil davon (*). Der neben Hitler zweite Hauptakteur bei der Grundsteinlegung, Ferdinand Porsche, Wehrwirtschaftsführer und ab 1942 als SS-Oberführer im Rang fast einem Generalmajor gleichgestellt, war bis 1945 Geschäftsführer des Volkswagenwerkes. Dann setzte er sich nach Österreich ab (s. Ossietzky 3/2016). In der auf Anweisung der Militärregierung im Mai 1945 in Wolfsburg umbenannten »Stadt des KdF-Wagens« hat der Mythos vom »genialen Konstrukteur« die Niederlage der Nazis überdauert. Bereits Hitler selbst hatte bei der Grundsteinlegung des Volkswagenwerkes dafür die Basis gelegt: »Dank dem genialen Konstrukteur Porsche« (A. Hitler, 26.5.1938). Daran wurde vom »Führer« anlässlich der Auszeichnung von Porsche als »Pionier der Arbeit« am 1. Mai 1942 ausdrücklich angeknüpft: »Und wenn das Wörtchen »genial« mitunter auch allzu leichtfertig in den Mund genommen wird, – für eine Kennzeichnung der Arbeitsleistung Dr. Porsches kann man ohne diesen Begriff nicht auskommen« (*). Diese Porsche-Legende vom genialen, einzig und allein dem Auto ergebenen Konstrukteur, dem Erfinder des Käfers, lebt bis heute in den Köpfen vieler, wenn nicht gar der Mehrheit der WolfsburgerInnen fort. Ausdruck dieser mythischen Verehrung war, dass der Rat der Stadt schon wenige Stunden nach Porsches Tod am 30. Januar 1951 beschloss, die Hauptgeschäftsstraße nach ihm zu benennen. Im Jahr darauf beschließt der Verwaltungsausschuss, ihn auch noch durch ein Denkmal zu ehren. Das Denkmal, eine Büste auf hohem Sockel, erhält im Jahr 1958 anlässlich der Rathaus-Einweihung seinen endgültigen Standort vor diesem städtischen Mittelpunkt. Dort steht es noch heute. Später wurden dann auch ein Stadion und eine Schule nach Porsche benannt. An all dem hat sich bis heute trotz zahlloser gegenteiliger Bemühungen von Wolfsburger DemokratInnen nichts geändert. Bis heute gilt die Positionierung der CDU, der damaligen Mehrheitsfraktion im Rat, als über die Umbenennung der Ferdinand-Porsche-Realschule abgestimmt wurde: »Das Positive, was Porsche für Wolfsburg geleistet hat, schätzen wir viel höher ein, als die kleinen dunklen Schatten in seinem Lebenslauf«, so die Fraktion in einer Presseerklärung vom 6.11.1997. Es gebe keine Beweise gegen Porsche, die es rechtfertigen, den Namen zu ändern. Aber die Wolfsburger lassen auch »kleinere« Nazianhänger, Profiteure und Nazi-Claqueure nicht fallen. Beispiel Agnes Miegel: Die Dichterin von Elegien auf Adolf Hitler – »Du und wir, nie mehr zu trennen, stehn ein für unser Vaterland« – hatte bis zu ihrem Tod 1964 keine Reue gezeigt. Die Nachbarstädte Braunschweig und Celle hatten deswegen Ende des letzten Jahrzehnts die nach ihr benannten Straßen umbenannt, die Umbenennung des Agnes-Miegel-Rings in Wolfsburg scheitert. Beispiel Walter-Flex-Weg: Dass der im Ersten Weltkrieg gefallene nationalistische Offizier Kult-Dichter der Hitlerjugend war, ist in Wolfsburg kein Problem. Da stört es auch nicht, dass an dem Weg ein vielgenutztes Jugendzentrum liegt. Beispiel Hugo-Bork-Platz: Der langjährige VW-Betriebsratsvorsitzende und zeitweilige Oberbürgermeister der Stadt hatte seine NSDAP-Mitgliedschaft bis zu seinem Tode verschwiegen. Nach ihm ist der zentrale Platz in der Innenstadt benannt, übrigens an der Porschestraße gelegen, die die Magistrale in der Innenstadt bildet. Vor einigen Jahren wurde seine NSDAP-Mitgliedschaft bekannt. Konsequenzen: keine. Aktuelles Beispiel Hinrich Wilhelm Kopf: Der nach dem ersten niedersächsischen Ministerpräsidenten benannte Platz vor dem Landtag in Hannover war 2015 in Hannah-Arendt-Platz umbenannt worden. Grund: Nachdem bereits kurz nach dem Krieg Kopfs Auslieferung von den Staatsorganen Polens erfolglos verlangt worden war, um ihn als Kriegsverbrecher zur Rechenschaft zu ziehen, gibt es 70 Jahre später auch in der Bundesrepublik keinen Zweifel: Es steht fest, dass sich Hinrich Wilhelm Kopf während der NS-Zeit in Berlin an der »Arisierung« jüdischen Eigentums profitabel beteiligte. »Für seine Verdienste bei der ›Entjudung‹ und ›Deutschmachung‹ des besetzten Polens erhielt Kopf satte Provisionen« (Süddeutsche Zeitung vom 11.7.2013). Im Unterschied zu anderen NS-Mittätern zeigte Kopf nach 1945 keine Reue, übernahm keine Verantwortung, bot keine Entschuldigung an, sondern stritt seine auf Gewinnsucht beruhenden Nazi-Taten ab und belog dabei Parlament und Öffentlichkeit. In Folge der Umbenennung in Hannover fasste der für die Hinrich-Kopf-Straße in Wolfsburg zuständige Ortsrat Detmerode den Beschluss, die Straße in Horst-Weiß-Straße umzubenennen. (Horst Weiß ist ein ehemaliger Ortsbürgermeister, der sich um die deutsch-polnische Aussöhnung verdient gemacht hat.) Aber wieder zeigte sich, dass die Wolfsburger BürgerInnen von ihren Nazis nicht lassen wollen: Nach wütenden Protesten der Anwohner mit dem altbekannten Argument »Das ist ja alles noch gar nicht geklärt« wurde der Beschluss im Ortsrat zurückgenommen: Die Hinrich-Kopf-Straße bleibt. »Fehler können passieren, aber man muss sie korrigieren« (Wolfsburger Allgemeine vom 29.1.16), meint der zuständige Ortsbürgermeister zum ersten Beschluss, die Straße umzubenennen. Die Wolfsburger hängen eben an ihren Nazis! *) Zitate und Zusammenfassungen aus: »75 Jahre ›Stadt des KdF-Wagen‹/Wolfsburg«, Stephan Krull (Herausgeber), Ossietzky-Verlag 2013, 164 Seiten, 14,95 EUR zzgl. 1,50 EUR Versandkosten (ossietzky@interdruck.net). Der Band enthält unter anderem Beiträge von Mechthild und Alfred Hartung.
Erschienen in Ossietzky 5/2016 |
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