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Und weiter im Meedia-Text: »Bei der Bewertung der Sachkunde von Reportern und Korrespondenten gab es allerdings einen Verlust: Hier sinkt der Wert um neun Prozentpunkte von 86 auf 77 Prozent.« Meedia lässt den NDR-Intendanten Lutz Marmor trotzdem sich selbst beweihräuchern: »86 Prozent Zustimmung für den NDR in dieser Kategorie sind ein Spitzenwert.« Meedia berichtet nicht, was sich hinter dem Kürzel TNS verbirgt: Der Laden gehört zur WPP Group, einem weltumspannenden Konzern von Medien- und Reklame-Unternehmen, verschachtelt in viele Geschwister-, Tochter- und Enkelunternehmen; Vettern und Basen nicht zu vergessen. TNS sitzt in Hamburg, ist eine deutsche Enkeltochtergesellschaft der britischen Kantar Group, der Marktforschungs-Sparte der WPP Group – oder wie sonst man ein solches Konstrukt zur Steuervermeidung und Profitsteigerung bezeichnen soll; man hätte nur gern gewusst, an wen denn nun eigentlich Rundfunk-Pflichtbeiträge für den hier so erfolgreichen Intendanten-Akt einer öffentlichen Selbstbeweihräucherung verjuxt werden. TNS erfüllte die Erwartungen seines Auftraggebers, des Intendanten Marmor, mit der Vorlage prachtvoller demoskopischer Daten. Die hatte er auch nötig. Denn das medienkritisches NDR-Magazin »Zapp!« hatte 2015 zu Jahresbeginn vermeldet, von tausend Befragten hätten 69 Prozent wenig oder gar kein Vertrauen mehr in die Medien – und damit auch keins mehr in den NDR. 63 Prozent gaben an, besonders wenig oder kein Vertrauen in die Ukraine-Berichterstattung hierzulande zu haben. Das geht nun mal eindeutig gegen ARD-aktuell, eine Hauptabteilung des NDR. Und jetzt: Ein Wunder im nüchternen Norden, die vollkommene Trendumkehr? Im Auftrag der »Zapp«-Redaktion – also nicht des NDR-Intendanten, der wusste davon vorher vermutlich gar nichts – hatte Infratest Dimap (Berlin) die vorherigen, wesentlich kritischeren Zahlen ermittelt. Infratest Dimap gehört auch zur Kantar Group. Die beiden Konzerngeschwister haben nun nicht etwa versäumt, ihre Befragungsergebnisse auszutauschen und die Statistiken abzugleichen. Nein. Sie erhoben ihre Daten zu unterschiedlichen Zeiten und folgten dabei den unterschiedlichen Vorgaben unterschiedlicher Auftraggeber. Die Ergebnisse von Infratest Dimap (Berlin) wurmten genug, um eine weitere, dem Selbstwertgefühl des Intendanten und seiner Führungsriege dienlichere Umfrage zu bestellen. Beim gleichen Konzern, aber bei einer anderen Tochter, die dem NDR seit einem Jahrzehnt innig gewogen ist: eben TNS Infratest (Hamburg). Von einer prima Geschäftsbeziehung wäre da zu berichten ... Infratest Dimap (Berlin) hatte auch die speziellen Ablehnungsgründe der Rundfunk-Kundschaft (also auch des NDR-Publikums) herausbekommen: So halten 31 Prozent die Berichterstattung zum Thema Ukraine für »einseitig«, weitere 18 Prozent sprechen von einer »bewussten Fehlinformation« und neun Prozent halten die Medienberichterstattung zum Thema sogar für »gesteuert«. Diese drei Punkte wurden in der Abfrage von Gründen für das Misstrauen am häufigsten genannt. TNS Infratest (Hamburg) blieb diesbezüglich erkenntnisfrei. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, einst eine Säule der bürgerlichen Demokratie, verspielt seine Glaubwürdigkeit als Gral realitätsgerechter Information. Zugunsten transatlantischer Gefolgschaftstreue und entgegen den vitalen deutschen und europäischen Interessen. Mittlerweile hagelt es Programmbeschwerden beim NDR, vorzugsweise gegen dessen Hauptabteilung ARD-aktuell. Hauptbeschwerdegrund ist die russophobe, kriegstreiberische und regierungskonformistische Arbeit von »Tagesschau«, »Tagesthemen« und tagesschau.de. Zunahme an Beschwerden, Verlust an Image: Das kann auf Dauer auch einen Spitzenmanager vom Schlage Lutz Marmors verunsichern, trotz dessen sicheren und mit 30.000 Euro monatlich weit überbezahlten Jobs. Wer seiner eigenen Sache nicht mehr trauen darf, kauft sich, das ist halt so im Kapitalismus, Bestätigung, formbare und interpretierbare Marktdaten. Wollte ein Intendant sich ernsthaft mit dem Problem »Vertrauensverlust« auseinandersetzen, wäre kritische Selbstbefragung anzuraten. Beispielsweise dann, wenn jeder Dritte der Ansicht ist, über den Ukrainekonflikt werde einseitig informiert. Können diese vom Glauben Abgefallenen wirklich allesamt Opfer russischer Propaganda sein? Die Chefredaktionen reagieren dagegen auf Publikumskritik entweder frech wie Oskar (alias Kai Gniffke von der Hohen Pforte der ARD-aktuell) oder ausweichend. In auffälliger Eintracht betonten deren Sprecher zwar, dass man »Fehler einräume«, wenn man denn einmal welche mache. »Aber ein Fehler ist keine absichtliche Falschinformation, Fehler passieren. Nicht nur bei uns, sondern bei allen Qualitätsmedien« (ARD). Entzückend, welch hohe Meinung die Herrschaften über sich selbst zum Besten geben. Als hätten sie noch nie von der Atlantikbrücke gehört und wüssten nicht, dass ihre Moderatoren und Korrespondenten den letzten Schliff plus ausreichende Mengen Schmierfett in den USA erhielten, ehe sie aufs deutsche Publikum losgelassen werden, nunmehr gebleckte Zähne zeigend wie Thomas Roth. Reden wir Tacheles über Befragungsdaten, die man selbst fälschen muss, um sie glaubhaft und werbewirksam in die Weltgeschichte pusten zu können. Es kommt zuerst auf die Formulierung einer Frage an, wie sie dem Befragten telefonisch serviert und intoniert wird; das beeinflusst das Ergebnis von Telefonumfragen entscheidend. Dazu kommt eine bedenkliche Abhängigkeit: Der NDR ist seit zehn Jahren ein vorzüglich zahlender Dauerkunde der privaten Hamburger Firma TNS Infratest. Für solche Kunden wird wunschgemäß geliefert. Was dachten Sie denn? Weit mehr als irgendwelche Prozentzahlen von Telefonbefragten sagen konkret gemessene Marktanteile über die Glaubwürdigkeit aus. Das Programm NDR hat verloren, sein Marktanteil ist innerhalb eines Jahres von 8,1 Prozent auf 7,8 Prozent gesunken. Das heißt konkret: Bei einer marktweit relativ hohen durchschnittlichen Einschaltquote (auf deren Basis werden die Marktanteile berechnet) hat Herrn Marmors NDR heute ungefähr so viel Zuschauer wie Hannover Einwohner: 500.000. Ein Klacks, wenn man bedenkt, dass die Reichweite des NDR die Grenzen Deutschlands überschreitet und allein in seinem ureigenen Sendegebiet, den vier Staatsvertragsländern Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Niedersachsen, 14 Millionen Menschen leben. Und aus diesen 500.000 Einschaltern und Gewohnheitsguckern, aus diesen 28 Prozent der Pflichtzahler, werden diejenigen ausgewählt, die ab und an mit mehr oder weniger suggestiven Befragungen beehrt werden.
Erschienen in Ossietzky 4/2016 |
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