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Ihre tausend Rundbögen sollen, so heißt es, die Verbundenheit der Menschen untereinander, die Verbindung von allem mit allem, die göttliche Unendlichkeit symbolisieren. Mitten hinein haben die allerchristlichsten Herrscher nach der Reconquista, der Wiedereroberung des Landes von den Mauren, eine goldstrotzende Kirche gepflanzt. Sie kann einem so vorkommen wie eine frühe Feier des kapitalistischen Prinzips der Reichtumsvermehrung. In der Tat hat Spanien ja seinerzeit als Kolonialmacht Massen von Gold und Silber aus Südamerika geraubt, was den Handelskapitalismus in Europa antrieb. Oder ist das hier eine ungewollte und unbewusste Illustration der antiken Midas-Sage, dass man Gold nicht essen kann, dass es auch nicht den spirituellen Hunger stillt? Vor einem der süßlichen Seitenaltäre mit christlicher Propaganda regen sich zwei deutsche Touristen auf: Da rede man von der kulturellen Überfremdung Europas durch den Islam, der zu Zeiten Andalusiens überhaupt erst die antike Philosophie und Wissenschaft in diese Breitengrade gebracht hat. Während man in der ehemaligen Moschee von Córdoba den Versuch der Störung und Zerstörung einer Kulturleistung sehen könne. Über das Thema Flüchtlinge fangen wir gar nicht erst an zu reden. Vielleicht hätten sich diese gutmeinenden Bildungsbürger dann von einer anderen Seite gezeigt, vielleicht auch nicht. Durch Zufall entdecken wir beim Gang durch die Straßen an einem Schaufenster einen bescheidenen Anschlag, der für eine Versammlung der Partei Podemos (deutsch: Wir können es) in einem eher abgelegenen Saal warb. Wir gingen hin. Podemos gilt als Teil der populistischen Welle, die Europa erfasst hat. Wobei die Mainstream-Medien keinen großen Unterschied zwischen Rechts- und Links-populismus sehen und machen. Könnte sein, dass sich Angela Merkel oder ihre Spin-Doktoren von Podemos zu dem Spruch »Wir schaffen das« anregen ließen. Podemos wiederum scheint Barack Obamas Erfolgs-Slogan »Yes we can« geklont zu haben. Im vollen Saal junge bis mittelalte Leute, wenig Ältere. Eine Stimmung wie bei Teach-ins Ende der 60er Jahre. Auf dem Podium werden Ab- und Neuzugänge von Rednerinnen und Rednern mit herzlichen Umarmungen quittiert. Rhythmisches Klatschen bei besonders kämpferischen Passagen. Angel, ein Soziologe, erklärt uns auf Englisch, dass Podemos nach den im Dezember stattfindenden Wahlen hoffentlich die stärkste Partei sein werde. Wie Syriza in Griechenland. An einer Regierung werde man sich nur beteiligen, wenn man deren Agenda stark bestimmen könne. Podemos ist dann bei der Wahl nur dritter Sieger geworden (s. Ossietzky 2/2016). Aber die Hauptsache war doch, dass das sklerotische System der konservativen und der sozialdemokratischen Partei, die sich seit Jahrzehnten abwechselten und die Macht teilten, abgelöst wurde. Und dass rechtspopulistische Gruppierungen, im Unterschied zu anderen europäischen Ländern, auch zu Deutschland, keinen Fuß auf den Boden bekommen haben. In der Ausgabe der Frankfurter Rundschau zum Jahreswechsel schrieb Martin Dahms unter dem Titel »Spanische Vitamine« dazu: »Man male sich aus, dass in Spanien eine ›Nationale Front‹ oder eine ›Alternative für Spanien‹ oder die ›Wahren Spanier‹ bei den Wahlen kurz vor Weihnachten 20 oder 25 Prozent der Stimmen auf sich vereint hätten. Dann würden wir klugen Analysten kluge Analysen liefern: Massenarbeitslosigkeit! Korruption! Abgekoppelte Eliten! Viele Ausländer! Der schlimmste islamistische Terroranschlag auf europäischem Boden! Das sind ja so die üblichen Verdächtigen, wenn ein Land nach rechts abdriftet – sich also von der Politik verabschiedet. Spanien aber antwortet auf die Krise mit neuen politischen Angeboten, einem dezidiert linken (Iglesias' Podemos) und einem klassisch liberalen (Riveras Ciudadanos). Für die Politikverweigerer interessiert sich hier niemand.« Warum ist das so? Weil die übliche Antwort zu einfach erscheint: Soziale Abstiegsängste, Furcht vor »Überfremdung« und vor Terroranschlägen würden den Rechten quasi automatisch Wasser auf die Mühlen treiben, seien der Grund für ihren Erfolg. In Wirklichkeit kommt es vielmehr darauf an, wie auf diese Ängste und Befürchtungen von den etablierten politischen Kräften oder von neu entstehenden Bewegungen reagiert wird. Es kommt darauf an, wie sie interpretiert werden und was aus ihnen folgt. Was wäre beispielsweise in der jetzigen Situation dringend nötig? Die Flüchtlingsfrage müsste offensiv mit der Verteilungsfrage verknüpft werden. Dann würde es in der öffentlichen Debatte nicht mehr nur um Grenzen der Belastbarkeit gehen, sondern auch darum, wer belastet werden soll. Die Angst ist ja berechtigt, dass wieder einmal die kleinen Leute die Zeche zu zahlen haben. Schon war von Industrielobbyisten zu hören, der Mindestlohn solle gesenkt oder von ihm sollten Ausnahmen gemacht werden, damit die Flüchtlinge möglichst schnell in Lohn und Brot kommen können. Die Migranten als industrielle Reservearmee und als demografische Lückenbüßer – das hätte man gern. Dabei ist Geld übergenug da im Land, es müsste nur abgeholt werden, bevor es in weltweite spekulative Umlaufbahnen geschossen wird. Dazu müssten die Steuern auf hohe Einkommen, Vermögen und Erbschaften endlich erhöht werden – im Sinne eines Lastenausgleichs. Zwei Drittel der Bundesbürger finden die gegenwärtige Einkommens- und Vermögensverteilung ungerecht. Die Basis für ein Umsteuern ist also gegeben. Als Begründung dafür kann auch das Verursacherprinzip geltend gemacht werden. Wer jahrzehntelang in der Exportweltmeister-Liga spielt, auch gerade was den Waffenexport angeht, muss irgendwann einmal für die »Kollateralschäden«, die »Risiken und Nebenwirkungen« und »ungeplanten Folgen« aufkommen. Für die Kosten müssten vor allem diejenigen zur Kasse gebeten werden, die davon am meisten profitiert haben: die Besitzer von Aktien der Exportindustrie, die Inhaber von großen Vermögen, deren Verzinsung durch spekulative Geschäfte in aller Welt gewährleistet wird, die Bezieher von Gewinneinkommen aller Art.
Erschienen in Ossietzky 3/2016 |
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