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Ihre Autorität schwindet, der Scheinfriede von Karlsruhe, der CDU-Jubelparteitag, kann darüber nicht hinwegtäuschen. Ihr wichtigster Partner, Finanzminister Schäuble, der nicht müde wird, seine Loyalität zur Regierungschefin zu betonen, sägt an ihrem Stuhl. Selbst der überforderte Innenminister de Maizière muckt zuweilen auf. Wirtschaftsminister Gabriel springt ihr nicht zur Seite. Er hat mit seinen eigenen Parteigenossen und seinen sechs Stellvertretern, Olaf Scholz, Hannelore Kraft, Thorsten Schäfer-Gümbel, Manuela Schwesig, Ralf Stegner und Aydan Özoğuz, sowie mit den Jusos mehr als ausreichend zu tun. Der Zwist mit seiner Generalsekretärin Fahimi führte zu deren Rücktritt. Aus Bayern stehen die Berliner Regierung und Merkel persönlich unter Dauerbeschuss. Der Münchner Landesfürst Seehofer brüskiert die Bundeskanzlerin trotz freundlicher Worte auf der Bühne bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit. Auf dem CSU-Parteitag hatte er sich nicht gescheut, sie wie ein unartiges Schulmädchen abzukanzlern. Im eigenen Bundesland muss er sich der Ränkespiele der karrieregeilen potentiellen Nachfolger Söder und Aigner erwehren. Kurz gesagt: In der Bundeshauptstadt, in der bayerischen Landesmetropole und zwischen beiden herrscht ein ziemliches Tohuwabohu, das lediglich in der festlichen Zeit des Gedenkens an die Geburt des Erlösers Jesus Christus vorübergehend abgeklungen war. Im fernen New York beobachtet ein Adliger mit den langen Vornamen Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester und dem Familiennamen Freiherr von und zu Guttenberg die Vorgänge in seinem Heimatland leicht amüsiert, aber höchst aufmerksam und mit dem Gedanken, ob er nicht schneller als angenommen gebraucht werden könnte. Nach seinem wegen der bekannten Plagiatsaffäre und dem noch peinlicheren Umgang mit ihr erfolgten Rücktritt vom Amt des Bundesverteidigungsministers Anfang März 2011 hatte er sich eilig aus dem Schussfeld und in die USA zurückgezogen. Seine Blitzkarriere vom Vorsitzenden des CSU-Verbandes seines Heimatortes Guttenberg sowie später des CSU-Bezirksverbandes Oberfranken zur Anfang 2009 erfolgten Ernennung zum Bundesminister für Wirtschaft und Technologie und der kurz danach überraschenden Übernahme des Amtes des Bundesverteidigungsministers fand ein jähes Ende. In seiner Rücktrittserklärung bezeichnete er die Aufgabe dieses Amtes als den »schmerzlichsten Schritt« seines Lebens: »Ich gehe ihn nicht allein wegen meiner so fehlerhaften Doktorarbeit … Der Grund liegt im Besonderen in der Frage, ob ich den höchsten Ansprüchen … noch nachkommen kann.« Am Schluss seiner zu Herzen gehenden Erklärung gab er sogar seinen »Gegnern Recht«, dass er »nicht zum Selbstverteidigungs-, sondern zum Minister der Verteidigung berufen wurde … Ich war immer bereit zu kämpfen, aber ich habe die Grenzen meiner Kräfte erreicht.« »Amen!«, sagte er nicht, doch mit seinem Rücktritt aus dem genannten Grund, so schien es, war der adlige Strahlemann und Betrüger politisch tot. Aber der Karl-Theodor war zu jung – er war gerade einmal 40 Jahre alt –, um sich aufs Altenteil zurückzuziehen, obwohl er das angesichts seines Vermögens hätte tun können, und zu ehrgeizig, um der Politik dauerhaft zu entsagen. Schritt für Schritt baute er sich eine neue Karriere auf. In New York gründete er ein Beratungsunternehmen, die Consultingfirma Spitzberg Partners, zu deren Chairman er sich ernannte. In dieser Eigenschaft ist er immer wieder in Europa und dabei auch in Deutschland unterwegs. In wichtigen Zukunftsfragen gibt er als Mitglied in einem neunköpfigen Beirat für den »Innovation Hub« der Lufthansa Ratschläge. Die Europäische Kommission berät er in Fragen der Internetfreiheit, wozu er einen reichen Wissensschatz einbringen kann, schließlich wurde er mit Hilfe des Internets aus dem Bundesverteidigungsministerium vertrieben. Im Kontakt mit namhaften Persönlichkeiten der EU und der USA unterstützt er die für Internetfreiheit eintretenden oppositionellen Kräfte in Russland, China und in arabischen Ländern. Einen bisherigen Höhepunkt in seiner zweiten politischen Karriere erreichte der Freiherr, als Seehofer ihn in sein Wahlkampf-Kompetenzteam aufnahm, in dem er die CSU zur Sicherheitspolitik und bei der Digitalisierung beraten soll. Der CSU-Chef lobte ihn dabei als »herausragenden Kopf«, der sein »Wissen und Können« themenbezogen einbringen soll. Die bislang aussichtsreichen Anwärter auf die Nachfolge des bayrischen Regierungschefs, Söder und Aigner, wurden in das Team nicht aufgenommen. Deren Freude dürfte groß sein. Mit seiner Aufnahme in das Kompetenzteam zur Vorbereitung der Bundestagswahl 2017 und der Landtagswahl 2018 gelingt Guttenberg nach knapp vier Jahren ein politisches Comeback der Sonderklasse. Überraschend kommt die Entwicklung nicht. Unmittelbar nach dem Rücktritt hatte Seehofer angekündigt, alles daran setzen zu wollen, den nun Ex-Verteidigungsminister zurückzuholen. Und auch die Kanzlerin meinte, dass ihm »die Türen zur Politik« aus ihrer Sicht »nicht verschlossen« seien. Man kann es drehen und wenden wie man will, der politisch zu Grabe Getragene feiert Wiederauferstehung. Totgesagte leben länger. Politisch totgesagt von vielen, wird er zum Wiedergänger, der in das Reich der lebenden Politiker zurückkehrt. Im dunklen und finsteren Mittelalter gehörte die Furcht vor Wiedergängern, die aus dem Totenreich wieder auftauchten, zu den Urängsten der Menschen. Angst vor dem über kurz oder lang in sein Vaterland zurückkehrenden Freiherrn von und zu Guttenberg brauchen wir nicht zu haben, aber im Auge sollten wir ihn behalten – gleich ob er wieder Minister werden oder gar nach Höherem streben sollte. Auf gut Deutsch gesagt: Holzauge sei wachsam!
Erschienen in Ossietzky 1/2016 |
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