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Nunmehr kann sich der Leser über die von K. verantwortete und maßgeblich gestaltete »Außenwirkung« seines Lektorats ein facettenreiches Bild machen. Der Verfasser hat den neuen Band »…aber der Wagen, der rollt. Literatur- und Zeitgeschichtliches in hundertzwanzig Rezensionen« seiner 2014 verstorbenen Frau Charlotte gewidmet, also auch ein sehr persönliches Buch. Einen Gutteil ihres Lebens – bis ins hohe Alter – war Ch. K. eine unwandelbare professionelle Mitstreiterin ihres Mannes, hat sie als begnadete Übersetzerin aus dem Russischen in wunderbarer Weise dafür gewirkt, dem DDR-Leser unter anderem das Œuvre solcher literarischer Größen wie Tschingis Aitmatow und Daniil Granin zu erschließen. In seinem neuen Buch berichtet K., wie er selbst schreibt, über literarische Erwartungen und zeitgenössische Denkanstöße. Er unterbreitet reiches Material über Entwicklungen und Prozesse in der einstigen Sowjetunion – künstlerisch erfasst, gespiegelt, dargestellt, manchmal überhöht, manchmal verstörend, von schon bekannten und anerkannten Meistern des Wortes oder gerade die Bühne der Literatur Betretenden –, das literaturkritisch sowie in Übersetzung für die Öffentlichkeit (in der DDR) aufbereitet wurde. Seine Bedeutsamkeit und Relevanz ist infolge der gesellschaftlichen Umwälzungen seit dem Zerfall der Union, sowie umgekehrt auch durch das Verschwinden der DDR, also des »Rezipienten«, in einem analogen Vorgang Geschichte geworden. Eine Tatsache, die den Verfasser mit seinem scharfen Blick für historische wie aktuelle Geschehnisse permanent beschäftigt und das Entstehen dieses Bandes gleichsam begleitete. Was Kossuth auch immer wieder seinen Lesern vermittelt, beispielsweise wenn er über die aktuellen Ereignisse in den früheren baltischen Sowjetrepubliken nachdenkt, einst ein besonders üppig sprudelnder Quell literarischer Neuentdeckungen (die psychologischen Romane der Litauer Mykolas Skuckis und Justinas Marcinkevičius, seinerzeit von Volk und Welt sogleich für die DDR »entdeckt«). So gesehen hat der Band den Charakter einer Publikation historischer Quellen, deren Haupterzeuger eben der Verfasser ist. Er hat durch seine rastlose Rezensententätigkeit, Literaturpropaganda im besten Wortsinne, für ein wertvolles Konvolut gesorgt, das – welch ein Glücksumstand – nicht in einem Archiv abgelegt, sondern hier nun in Buchform der literaturinteressierten Öffentlichkeit anvertraut wird. Namentlich sei auf Kossuths fast anderthalb Jahrzehnte währende regelmäßige Medienpräsenz als »Kritiker am Mikrophon« verwiesen (1973 bis 1987, Radio DDR II; Nachdruck der Beiträge größtenteils in der Berliner Zeitung). Das Ergebnis: über 60 Beiträge von je etwa dreieinhalb Druckseiten, in denen die (zumeist von Übersetzern des Volk-und-Welt-Verlags verfasste) deutsche Ausgabe soeben entstandener Werke von Autoren aus der multinationalen Sowjetunion besprochen wird. Und zwar dergestalt, dass der Leser – freilich mit einem hohen geistigen Anspruch — jedes Mal eine kleine »Literaturgeschichte« geboten bekam. Mühelos kann man über 100 Autoren herausfinden – von Fjodor Abramow und Wassil Bykau über Paul Kuusberg, Valentin Rasputin, Juri Rytcheu bis Otar Tschiladse und Arvo Valton. Über sie wird Kenntnis gegeben: über das gesellschaftliche Sein, das sie umgab, das sie beschrieben, über ihren Schaffensprozess mit all seinen Problemen, ihre Einordnung in kulturelle Entwicklungen, über Bezüge zur nahen und ferneren historischen Vergangenheit. Für K. bot sich – davon kann man wohl ausgehen – mit dieser medienmäßigen Einbindung eine großartige Möglichkeit, seine Intentionen, sein Maßstäbe setzendes Mitwirken an der verlegerischen Rezeption literarischer Werke aus der nationalen Vielfalt sowjetischer Literatur, so wie sie sich im damaligen zeithistorischen Umfeld mit all ihren Widersprüchen entfaltete, für das Lesepublikum in seinem Land erlebbar zu machen, das ja für ähnliche oder gleichartige gesellschaftliche Ziele stand. Der Verfasser bekennt, dass er für sich nicht Anspruch nimmt, »die Multinationalität der Sowjetliteratur ... entdeckt zu haben«, es ihm aber in seiner verlegerischen Methodik explizit um die »Erschließung der Nationalliteraturen der UdSSR« ging, darin eingeschlossen die Kenntnisnahme der jeweiligen Geschichte und kulturellen Spezifik. Und – als Methodik – die zielgerichtete Recherche. Es fällt nicht schwer, diese Grundsätze in den genannten Rundfunkrezensionen und gleichgearteten Texten nachzuvollziehen. Auch unter den veränderten historischen Bedingungen, aus der Perspektive einer tiefgreifenden Niederlage aller Versuche, neue gesellschaftliche Verhältnisse zu schaffen, ist K. diesem Credo verpflichtet geblieben. Immer und immer wieder meldet er sich mit informativen publizistischen/literaturpublizistischen Beiträgen, stellt Bezüge zu literarischen Erwartungen der jüngsten Vergangenheit her, gibt – aus seinem reichen Erfahrungsfundus und den noch immer intensiven freundschaftlichen Verbindungen zu Literaturschaffenden in Russland und selbständigen Nachfolgerepubliken wie Kasachstan und Kirgisistan schöpfend – Denkanstöße und ganz einfach Mitteilung. Seine Beiträge in linksorientierten Schriftenreihen wie Blättchen und Ossietzky, gleichfalls im Band veröffentlicht und bis an den Anfang Jahres 2015 reichend, künden vom Wirken des einstigen Verlegers, Herausgebers, des Übersetzers und Nachdichters. Auch mit dem vorliegenden Buch nimmt er Bewahrenswertes vor dem Vergessen (und Verfälschen!) in Schutz. Man sollte es unbedingt im Kontext mit den vorangegangenen Publikationen aus seiner Feder, die ja alle das legendäre DDR-Verlagshaus Volk und Welt aus der Sicht dieses Akteurs betreffen, zur Kenntnis nehmen. Leonhard Kossuth: »… aber der Wagen, der rollt. Literatur- und Zeitgeschichtliches in hundertzwanzig Rezensionen. Zum Gedenken an Charlotte Kossuth«, NORA Verlagsgemeinschaft, 612 Seiten, 36 €
Erschienen in Ossietzky 1/2016 |
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