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NachbastlerZugegeben, die Nachricht verwirrte mich ein wenig. In der Landeshauptstadt Potsdam gelang es, eine »Bittschriftenlinde« am nachgebauten Stadtschloss genau an der Stelle in die Erde zu bringen, an der sie 1949 gefällt worden war. Bis dahin, so hieß es, stand dieser Baum unterhalb des Arbeitszimmers von Friedrich II. im Stadtschloss, dem heutigen Sitz des Brandenburger Landtages. Unterm Geäst der Linde soll sich zu alten Zeiten Volk versammelt haben, um Gesuche an Friedrich zu richten. Der »Sanierungsträger« hätte mitgeteilt, dass es sich um eine »Nachzüchtung der Bittschriftenlinde« handele, 50 Jahre alt, elf Meter hoch, mit einem Stammumfang von 80 Zentimetern. Die DDR konnte nicht gedeihen, wenn man sich mit solchen Nachzüchtungen, legal oder illegal, beschäftigte. Nicht mitgeteilt wurde, ob die Linde telefonisch oder online mit dem Landtag verbunden ist. Was mag bei dem Berliner Schlossnachbau alles über uns kommen? Denn: Zur gleichen Zeit war zu vernehmen, dass es Wissenschaftlern gelang, aus versteinerten Knochen eines 80 Millionen Jahre alten Sauriers Blutgefäße zu extrahieren. Gerhard Hoffmann MärchenpresseGrimms Märchenzeitung berichtete neulich, dass sich Assad und Putin bei einem Treffen in wesentlichen Punkten einig waren – bis auf einen. Assad nämlich war im Gegensatz zu Putin der Auffassung, dass Hollande unmöglich Präsident Frankreichs bleiben könne und eine Zusammenarbeit mit ihm unvorstellbar sei. Auf den Protest Assads hin, dass er nie so eine törichte Forderung erhoben habe, weil es allein Sache der Franzosen sei, wen sie zum Präsidenten haben wollen, gestand die Zeitung einen Fehler ein. Es sei vielmehr so, dass Hollande bei einem Treffen mit Putin die Auffassung geäußert habe, Assad sei als Präsident Syriens untragbar. Günter Krone NOlympia in HamburgDie Absage an Olympia zeichnete sich bereits Tage vor dem Referendum ab. In den Medien der Stadt, der NDR eingeschlossen, wurde derweil unverhohlen Werbung für ein »Ja« bei der Abstimmung geworben. Die Hansestadt wendete für die Werbung rund sechs Millionen Euro auf. Was die privaten Sponsoren gaben ist nicht bekannt. Mit dabei im Kampf für »Ja«-Stimmen die Hamburger Sparkasse, der Verkehrsverbund mit Hamburger Hochbahn und S-Bahn und auch der Landesbetrieb Stadtreinigung. Einzig dagegen in der Hamburger Bürgerschaft: die Linke. Mit einem geringen finanziellen Aufwand hat die Initiative NOlympia geworben und dem Werbespruch der Befürworter »Feuer und Flamme für Olympia« ein Ende beschert. Florian Kasiske von der NOlympia Initiative: »Die Menschen sehen, dass es Sachen gibt, wo das Geld besser angelegt ist.« Zum Aus für die Hamburger Olympiabewerbung hat auch beigetragen, dass die Gesamtkosten der Spiele nicht bekannt waren und es aus Berlin keine Zusagen zur finanziellen Beteiligung gab. Eine Schweizer Tageszeitung schrieb zur Olympia-Bewerbung 2024 von Hamburg – die Stadt wollte sich mit Hilfe von Olympia einen neuen Stadtteil schenken. Karl-H. Walloch Unsere ZuständeEiner der ersten Aufklärer ritt auf einem Esel unter das Volk. Die heutigen Aufklärer werden in einer gepanzerten Luxuskarosse heran- und vorbeigefahren. Der frühe Aufklärer wurde ans Kreuz genagelt. Die heutigen Aufklärer legen andere aufs Kreuz. * Alte Füchse gleichen ihren Mangel an Schnelligkeit durch Schläue aus. An den Aussagen mancher Politiker sieht man, dass sie von den alten Füchsen gelernt haben: Sie gleichen ihren Mangel an Schläue durch Schnelligkeit aus. * Demokratie ist eine gute Sache, wenn nicht wie bei uns die Demokratie ständig in die Demokratie hineinredet. * So weit darf es nicht kommen, dass du erschrickst, wenn dich einer anlacht. Wolfgang Eckert »Eiszeit« vor fünfzig JahrenDas berüchtigte 11. Plenum des SED-Zentralkomitees vom 15. bis 18. Dezember 1965 in Berlin war eine Zäsur in der Kulturpolitik der DDR. Die Partei blies zur Generalattacke auf kritische Künstler. Dabei hatten die Kulturschaffenden der DDR nach dem Mauerbau 1961 auf ein offeneres Klima im Innern gehofft. Und tatsächlich mehrten sich nach dem VI. Parteitag 1963, auf dem Walter Ulbricht eine tiefgreifende Reform der ineffizienten Planwirtschaft anstieß, die Anzeichen für eine innenpolitische Liberalisierung. Mit dem Neuen ökonomischen System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft (NÖS) sollte der Versuch unternommen werden, durch mehr Selbstverantwortung der Betriebe und eine gewisse Entbürokratisierung die ungenügende Effizienz der Produktion zu erhöhen. Außerdem versuchte die DDR, sich damit aus der wirtschaftlichen Umklammerung durch die Sowjetunion zu befreien. Auch im Kunst- und Kulturbereich ließen sich Ansätze einer Übernahme von NÖS erkennen. Die Parteikontrolle über Literatur und Kunst war gelockert worden, und den Künstlern und Intellektuellen wurden größere Freiräume zugestanden. So konnten die Schriftsteller ihre Werke freier und kritischer gestalten. Doch es war nur ein »kurzer Sommer« – auf dem 11. Plenum wagten sich die Partei-Hardliner aus der Deckung. Noch heute ist es nicht schlüssig nachvollziehbar, wann im Laufe des Jahres 1965 und unter welchem Einfluss die Abkehr vom NÖS-Prinzip vonstattenging. Lag es am Machtwechsel 1964 in der Sowjetunion, wo der neue Erste Sekretär des ZK der KPdSU Leonid Breschnew einen härteren Kurs verfolgte und dies bei einem DDR-Besuch auch von der SED-Führung einforderte, oder sah die Parteiführung ihr Machtmonopol gefährdet? Fest steht, dass die SED-Führung bereits im Sommer 1965 damit begann, die künstlerischen Freiräume wieder einzuengen. Ein Gespräch Walter Ulbrichts mit Schriftstellern am 25. November, also wenige Tage vor dem Plenum, im Staatsrat der DDR war gewissermaßen der Testfall für die bevorstehende rigorose Ausrichtung des geistig-kulturellen Bereichs. »Unsere Deutsche Demokratische Republik ist ein sauberer Staat. In ihr gibt es unverrückbare Maßstäbe für Ethik und Moral, für Anstand und gute Sitte« – mit diesen Worten eröffnete Erich Honecker, damals Sekretär für Sicherheitsfragen im Politbüro, auf dem 11. Plenum das Exempel gegenüber undogmatischen Künstlern und Intellektuellen. Was ursprünglich als Wirtschaftsplenum gedacht war – selbst die Tagesordnung ließ dies zunächst noch vermuten –, entwickelte sich zu einer »Kahlschlag-Diskussion« der Jugend- und Kulturpolitik. Von den angegriffenen Künstlern, die als Sündenböcke für die gravierenden Widersprüche in der Gesellschaft missbraucht wurden, wagte allein die Schriftstellerin Christa Wolf, damals als Kandidatin Mitglied des ZK, einen Einspruch: »Ich bitte nur darum, dass versucht wird, die Errungenschaften, die wirklich da sind, dass die auch gesehen werden und dass man sie aufrechterhält. Ich finde, unsere einzige Aufgabe ist in der nächsten Zeit, dass wir durch gute Bücher zeigen, durch Filme usw., dass unsere Gesellschaftsordnung, unsere Weltanschauung es ist, die den Schriftstellern die größten, die tiefsten Einblicke in die Gesellschaft gibt. Damit haben wir schon begonnen, und auf diesem Wege sollten wir weitergehen; das wird am meisten wirken bei uns und anderswo.« In seinem Schlusswort machte Walter Ulbricht unmissverständlich klar: »dass es nicht um Literatur geht und auch nicht um höhere Philosophie, sondern um einen politischen Kampf zwischen zwei Systemen … Also worum geht es? Um die Gewährung der Freiheiten in der DDR, die in der bürgerlichen Gesellschaft des Westens üblich sind? – Aber wir haben viel weitergehende Freiheiten; wir haben nur keine Freiheit für Verrückte, sonst haben wir absolute Freiheiten überall.« Was folgte, waren destruktive Maßnahmen in der Kulturpolitik. Zahlreiche Auftritte, Aufführungen und Veröffentlichungen wurden verboten. Im Zentrum der Kritik standen Wolf Biermann, Robert Havemann, Stefan Heym, Heiner Müller und Volker Braun – darüber hinaus jede Spielart »westlicher Unkultur«. Die Zensur griff hart durch. Besonders Filme unterlagen der staatlichen Kontrolle, einige verschwanden bis 1989/90 in den Archiven – darunter Frank Beyers »Spur der Steine«, »Das Kaninchen bin ich« von Kurt Maetzig oder »Denk bloß nicht, ich heule« von Frank Vogel, fast die komplette DEFA-Jahresproduktion an Gegenwartsfilmen. Das 11. Plenum betraf jedoch nicht nur die Kunst. Jegliche Modernisierungsgedanken in der Gesellschaft wurden über Jahre hinweg als »konterrevolutionär« verschrien und im Keim erstickt. Manfred Orlick SolidarpackDie Solidarität ist eine von den schönsten Gaben./ Die ganze Welt gelangt mit sich ins Reine,/ wenn alle eine und dieselbe Meinung haben,/ nämlich meine. Günter Krone KriegWenn es um das Verhältnis zu Mädchen geht, lesen sich die Tagebuchnotizen wie die eines etwas verklemmten romantischen Siebzehnjährigen. Wenn es dagegen den Alltag betrifft, wird schnell klar, dass hier kein Gymnasiast oder Lehrling schreibt, sondern ein Mann, der sehr jung in den Krieg zog und manchmal staunend die Querelen in der Gruppe oder die mangelnde Qualität des unmittelbar Vorgesetzten beschreibt. Er ist der Jüngste in der Sondergruppe der Politverwaltung der Transkaukasischen Front, und sie haben ihn genommen, weil er als Sohn deutscher Emigranten für das Verfassen von Flugblättern und das Verhören von Kriegsgefangenen geeignet ist. So erlebt Konny den Krieg bis zum bitteren Ende in Berlin, und das Erstaunliche an diesem Tagebuch ist: Der da schreibt, der Schlimmes erlebt, bleibt ein Humanist, ja Träumer, der an das Gute glaubt und mit seinem Kriegseinsatz ganz diesem Humanen verpflichtet bleibt. Krieg ist Gewalt, der Verlust von Kameraden, Blut, Vernichtung, ist Schlaflosigkeit, Warten, Essensbeschaffung, ein Kampf um gute Stiefel und ein richtiges Bett, ist Befehlserfüllung und Träumen von zu Hause. Schnörkellos beschreibt es einer, der noch vor kurzem ein Kind war. Zum 90. Geburtstag endlich wurde das Kriegstagebuch Konrad Wolfs veröffentlicht. Als Filmregisseur hat Wolf seine Kriegserlebnisse in großartigen Filmen dargestellt. So sind dem Buch ein Treatment »Heimkehr 1945«, Grundlage für den Film »Ich war 19«, sowie Briefe und Verhörprotokolle beigefügt. Das sind beeindruckende Dokumente, deren Veröffentlichung heute, da wieder Soldaten für Kriege rekrutiert werden, umso dringender ist. Christel Berger Konrad Wolf: »Aber ich sah ja selbst, das war der Krieg. Kriegstagebuch und Briefe 1942 – 1945«, mit DVD »Ich war neunzehn«, hg. von Paul Werner Wagner, Edition Die Möwe, 360 Seiten, 29,80 € Zuschriften an die LokalpresseIn den Reaktionen – Pardon, Redaktionen natürlich – der Tageszeitungen sitzen auch nur Menschen, die vor dem Dreckfehlerteufel – Pardon, Druckfehlerteufel natürlich – nicht gefeit sind. So empfiehlt die Ostthüringer Landeszeitung »Naturhaarbrüste« für die Behandlung von Schuhen mit Echt- und Kunstfell. »Das Fell am Schuh wird mit dem Strich gekämmt und vom Schmutz befreit«, erklärt dazu eine Frau Schulz vom Deutschen Schuhinstitut in Offenbach. Ebenfalls in der Ostthüringer Zeitung wird dem erstaunten Leser Anfang Oktober mitgeteilt, dass die Polizei »Tausende Pariser aus dem Verkehr« gezogen habe. Wie und wo unsere Ordnungshüter die corpora delicata – Pardon, delicti – aufgespürt haben und aus welchem Verkehr sie gezogen worden sind, wird schamhaft verschwiegen. Aber man muss ja auch nicht alles wissen. – Norma Dinkel – Pardon, Dünkel –, Stylistin, 56472 Fehl-Ritzhausen * Endlich mal ein vernünftiger Vorschlag, und sogar von ganz oben! Wie der Berliner Kurier am 11. Dezember mitteilte, wollen »prominente CDU-Politiker um Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Ex-Familienministerin Kristina Schröder einen politikfreien Sonntag durchsetzen«. Ich kann mir zwar noch nicht so richtig vorstellen, wie das funktionieren soll, aber die Durchführungsbestimmungen müssen wohl auch erst noch erarbeitet werden. Derweil mache ich mir über die Folgen Gedanken: Bedeutet der Vorschlag, dass in der »Tagesschau« sonntags statt über politische Themen nur noch über Kochrezepte, Brustvergrößerungen und das Wetter berichtet wird? Bleiben sonntags die Kasernen geschlossen und die deutschen Piloten überall in der Welt im Hangar? Werden Waffenlieferungen an Schurkenstaaten durch eine Sonntagsruhe unterbrochen? Unterbleiben Parteitage an den Wochenenden? Wird sonntags auf Sicherheitskontrollen an Flughäfen verzichtet? Werden die Regierungsgeschäfte an den Sonntagen durch ehrenamtliche Elferräte besorgt? Wird der Eintopfsonntag wieder verbindlich eingeführt? – Kaspar Kauderwelsch (53), Lebensberater, 55758 Sonnschied Wolfgang Helfritsch
Erschienen in Ossietzky 25/2015 |
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