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Man machte sich in Bonn und Karlsruhe auch mit der Behauptung lächerlich, dass es überhaupt keine Entführung gegeben habe, sondern die Koreaner freiwillig nach Seoul geflogen seien. Der amerikanische, damals in der Schweiz lebende Dirigent Francis Travis, der dem Generalbundesanwalt mit eingeschriebenem Eilbrief angeboten hatte, über sein Wissen von Yuns unfreiwilligem Verschwinden auszusagen, wurde nicht einmal einer Antwort gewürdigt. Auch dramatische Berichte über die erzwungene Abreise anderer in der BRD lebender Koreaner wurden in der Residenz des Rechts ignoriert. Man war in Karlsruhe offensichtlich an einer Aufklärung der Entführungen nicht interessiert. Auch ein Bericht der Frankfurter Rundschau vom 6. Juli 1967, wonach 116 asiatische »Bergleute« in Castrop-Rauxel in ihrem Wohnheim unter »politische Quarantäne« gestellt und »zu strengstem Stillschweigen vergattert« worden seien, fand in Karlsruhe kein Interesse. Solche Vorgänge aufzuklären, wäre wohl kaum ohne Offenlegung der Komplizenschaft von Diensten möglich gewesen, mit denen die Bundesanwaltschaft eng zusammenarbeitete. Ein weiteres wichtiges Indiz für die Mitwirkung eines bundesdeutschen Geheimdienstes bei der Entführung kann ich hier nur in Kürze erläutern. Wäre die Entführung wirklich ohne Wissen und Mitwirkung eines deutschen Dienstes nur vom südkoreanischen Geheimdienst auf deutschem Boden durchgeführt worden, wäre das eine Verletzung der deutschen Souveränität gewesen. Das hätte einen völkerrechtlichen Anspruch der Bundesregierung auf »Rücküberstellung« ausgelöst, für den es historische Beispiele gibt, an die ich die Bundesregierung in meinen Eingaben erinnert habe. Aber dort faselte man nur von den guten Beziehungen zu Südkorea, die nicht gefährdet werden dürften, und spiegelte der Öffentlichkeit vor, man habe alles getan, was diplomatisch geschehen konnte, um eine Freilassung und Rückführung Isang Yuns zu erreichen. Doch das hatte man nicht getan. Ein dem völkerrechtlichen Begriff Rücküberstellung entsprechender Antrag ist nicht gestellt worden. Und dafür gibt es nur eine Erklärung: Die bundesdeutsche Souveränität war gar nicht verletzt worden, weil ein deutscher Geheimdienst bei der Entführung mitgewirkt hatte. Hätte man wirklich einen Rücküberstellungsantrag gestellt, wäre zu befürchten gewesen, dass die südkoreanische Seite die deutsche Mitwirkung an der Entführung offengelegt hätte. Und das sollte um jeden Preis vermieden werden. Darum konnte man auch eine Forderung der Opposition im Bundestag nicht erfüllen, die Entwicklungshilfezahlungen an Südkorea einzustellen. Eine blamable Zwangslage für die Bundesregierung, die nur durch Desinformation der Öffentlichkeit vernebelt werden konnte. Man begnügte sich mit einer Protestnote, in der die »Erwartung« ausgesprochen wurde, »dass sich derartige Vorkommnisse nicht wiederholen«. Das peinliche Spektakel wurde mit Worten und Taten des christdemokratischen Bundespräsidenten Lübke geschmückt, der den Botschafter Choi mit einem Orden und schönen Worten in den koreanischen Folterkeller verabschiedet hatte und bei einem Staatsbesuch in Südkorea auf Vorschlag des BND auch hohe Beamte des dortigen Geheimdienstes mit deutschen Orden behängte. Präsident Park erhielt das Bundesverdienstkreuz. Park wurde übrigens später, nachdem er Yun im März 1969 nach 21 Monaten Haft und zwei eiskalten Wintern in ungeheizter Zelle »begnadigt« hatte, von dem Chef seines eigenen Geheimdienstes ermordet. Yun musste unterschreiben, dass er niemals über die Entführung, die Folter und den Prozess berichten dürfe, andernfalls müssten seine Verwandten in Korea mit Sippenhaftung rechnen. Szenen aus dem Zusammenspiel zweier im »Bekenntnis zu gleichen Werten« verbundener Staaten, die sich als Rechtsstaaten verstehen. Kein Wunder, dass ein Bremer Anwalt, der es wagte, die Öffentlichkeit über die Verwicklung deutscher Politiker und Juristen in dieses Geheimdienstverbrechen zu informieren, mundtot gemacht werden musste. Und so fand ich eines Tages bei einem dem Fall Isang Yun gewidmeten Vortrag in Hamburg eine für mich ziemlich alarmierende Situation vor. Die von einer studentischen Gruppe organisierte Veranstaltung war von dieser durch Plakate und Stellschilder in der ganzen Stadt angekündigt worden. In einer der Nächte vor der Veranstaltung waren alle Stellschilder beseitigt und die Plakate abgerissen worden. Das konnte nicht das Werk von Einzeltätern sein. Und nach der Veranstaltung fand ich hinter dem Scheibenwischer meines Autos, das ich auf einem Parkplatz abgestellt hatte, eine anonyme Morddrohung vor, die mit der Aufforderung verbunden war, weitere Vorträge zum Fall Isang Yun zu unterlassen. Eine Drohung, die durchaus ernst zu nehmen war, denn ich wusste nun, dass auch die Morddrohung nur das Werk einer Organisation oder Behörde sein konnte, die über den nötigen Apparat verfügte, den man brauchte, um die Ankündigung meines Vortrags in der ganzen Stadt zu beseitigen und meinen Wagen und den gewählten Parkplatz zu beobachten. Seitdem weiß ich, dass es hierzulande immer noch gefährlich ist, von Kriminaltaten der Staatsgewaltigen zu viel zu wissen und darüber zu reden.
Erschienen in Ossietzky 25/2015 |
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