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Ein freundlicher älterer Herr gibt Erläuterungen, beispielsweise zu den Adlern: Auf einem Sims des Schlossgebäudes werden demnächst 47 Adler nebeneinander sitzen, jeder zwei Meter breit, fast keiner einem anderen gleich, alle kampfbereit, beutegierig. Der Adler, muss man wissen, war das Wappen-Raubtier der preußischen (borussischen) Herrscher. In Gips stehen die Vögel schon bereit. Aus Sandstein gehauen werden sie am Bauwerk befestigt werden. Seit Juni ist der Rohbau fertig. Man erkennt die Ausmaße, und staunend erfährt man, dass das Schloss 513 Fenster haben wird. Die ausliegenden Werbeschriften enthalten vieles, worüber man nur staunen kann. Eine der 16 Skulpturen im Innenhof wird eine stattliche Borussia sein. Die Steinmetzen benötigen dafür einen 16 Tonnen schweren Sandsteinblock. Beeindruckend auch die barocke Pracht einer Allegorie auf den Ruhm des Königs in einer Ecke des Gebäudes. In einem Mitteilungsblatt des Fördervereins Berliner Schloss e.V. liest man dazu: »Zwei göttliche Famen (Ruhmverkünder) verkünden mit ihren Fanfaren die Anbringung der Kartusche mit den Initialen des Königs am Schloss. Damit wurde das Schloss symbolisch das Haus der Götter und der Monarch göttlich.« Das Volk, vermute ich, sank gläubig auf die Knie, rackerte sich ab und zahlte. Allein die Wiederherstellung der Fassade kostet nach derzeitigen Schätzungen 105 Millionen Euro. Dafür will der Förderverein aufkommen. Nach seinen Angaben ist knapp die Hälfte dieses Betrages schon gespendet. Fürs bundesweite Einsammeln von Spenden wurden regionale Freundeskreise gegründet, unter anderem in Düsseldorf, Halberstadt, Lüneburg, Hameln und Pyrmont. Die Spender erhalten nicht nur einen Stifterbrief, sondern der Förderverein verspricht ihnen auch eine dauernde Namensnennung im Schloss. Schon für 500 Euro kann man aber auch – beispielsweise – Mitglied der »Spendergemeinschaft 25 Jahre Mauerfall« werden, die mit 180.000 Euro ein Kollossalkapitell im Hof finanziert. Eine Volksbewegung? Als »unsere Partner in der Wirtschaft« nennt der Förderverein (Vorsitzender: Wilhelm von Boddien) die Daimler AG, die Deutsche Bank AG, die Axel Springer Verlag AG, diverse Lions und Rotary Clubs, den Übersee-Club Hamburg und auch die Wall AG, die in Berlin öffentliche Toiletten betreibt, sowie das Adlon und viele andere Hotels, die in ihren Zimmern Schloss-Werbung auslegen. Was leider noch nicht wiederhergestellt werden könne, sei das Interieur der Prunksäle, bedauert der freundliche ältere Herr im Pavillon. Dafür sei vorerst nicht genug Geld vorhanden. »Das ist eine Aufgabe für später«, tröstet er sich und die Besucher – stolz auf das bisher schon Geleistete wie Boddien, der in seinem Extrablatt Nr. 84 vom Oktober 2015 jubelt: »Das Schloss ist wieder da«, denn schon der Rohbau zeige »minutiös die Konturen des von Walter Ulbricht vernichteten historischen Bauwerks«, dessen Sprengung »ein Akt der Kulturbarbarei« gewesen sei. Dass das Schloss im Zweiten Weltkrieg fast restlos ausgebrannt war, findet auf den 72 großformatigen Seiten des Extrablatts keine Erwähnung. Dem Vereinsvorsitzenden und seinen großkapitalistischen Partnern genügt offenbar ein Geschichtsbild, das sich mit drei Pinselstrichen malen lässt: In Kaiser Wilhelms Zeiten war alles edel, gut und schön; Ulbricht hat es böswillig und eigenmächtig, wie Kommunisten eben sind, zerstört; jetzt sorgen wir Guten dafür, dass endlich wieder alles gut wird. In einem solchen Geschichtsbild ist kein Platz für Einzelheiten wie diese: dass hier am 18. März 1848 ein Preußenprinz demonstrierende Demokraten niederkartätschen ließ; dass der verhasste »Kartätschenprinz« daraufhin zwar für längere Zeit das Land verlassen musste, dass aber demokratisches Denken in Preußen für Jahrzehnte unterdrückt war; dass eben dieser Prinz König von Preußen und nach dem von ihm geführten Raubkrieg gegen Frankreich Kaiser von Deutschland wurde; dass nach diesem Wilhelm I. bald Wilhelm II. die Hochrüstung und die Weltmacht-Ambitionen des verpreußten Deutschland weiter vorantrieb; dass deutsche Kolonialtruppen 1904 den Völkermord in Südwest-Afrika begingen; dass das von Wilhelm II. geführte Deutschland zehn Jahre später den Weltkrieg begann, den es aber trotz äußerster Grausamkeit (Giftgas) verlor; dass der Kaiser daraufhin abdanken und in ein viel kleineres Schloss in den Niederlanden umziehen musste, aber wie auch der Kronprinz weiterhin seinen antidemokratischen, militaristischen und imperialistischen Wahnideen anhing. Kurt Tucholsky warnte 1922 unter der Überschrift »Das leere Schloss« vor dem Ungeist, der hier als Schlossgeist hause. Beim Abbruch der Schlossruine 1950 blieb eine Gebäudeteil übrig: der Balkon, von dem aus Karl Liebknecht das Ende des Kaiser- und Königtums, den Beginn der Republik verkündet hatte. Die DDR verwendete den Balkon des benachbarten Neubaus, den sie für ihren Staatsrat errichtete; heute befindet sich dort eine Kaderschmiede des Neoliberalismus, die European School of Management and Technology. Auf dem Gelände des am 3. Februar 1945 niedergebrannten Schlosses stand von 1976 bis 2006 der Palast der Republik, ein moderner Zweckbau mit ausreichend Raum nicht nur für die Volkskammer der DDR, sondern unter anderem auch für eine Bildergalerie, ein Theater, eine Bowling-Bahn und einen großen Marmor-Saal für Ereignisse wie 1988 die Weltkonferenz für atomwaffenfreie Zonen. Nach dem Anschluss der DDR an die BRD wurde der Palast geschlossen, asbestsaniert und dem Verfall preisgegeben, bis Bundestag und Bundesregierung unter dem Bundeskanzler Gerhard Schröder ihn restlos beseitigen ließen. Kein Akt der Barbarei? Boddiens Extrablatt und die anderen im Pavillon herumliegenden Broschüren verlieren kein Wort darüber, den Palast scheint es überhaupt nie gegeben zu haben. Und wozu soll das wiedererstehende Schloss genutzt werden? Seit wir diese Frage in Ossietzky 15/2015 gestellt und ein Museum über die Nazi-Vergangenheit vorgeschlagen haben, ist einiges geschehen. Aus dem Bundeskanzleramt schrieb der zuständige Ministerialdirektor Günter Winand, mit dem Konzept »Humboldt-Forum« gebe es bereits fortgeschrittene Planungen zur Nutzung des Gebäudes. »Im Bewusstsein der besonderen Verantwortung, die Deutschland auch aufgrund der Menschheitsverbrechen des Nationalsozialismus trägt, wird das Humboldt-Forum sich dem Dialog der Kulturen der Welt widmen. In der Tradition der Namensgeber Alexander und Wilhelm von Humboldt knüpft dieser Austausch an die Ideale der Aufklärung und insbesondere an die Idee des gemeinsamen kulturellen Erbes der Menschheit an. Die außereuropäischen Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die im Humboldt-Forum in neuem Kontext präsentiert werden, bieten im Zusammenspiel mit den europäischen Sammlungen der benachbarten Museumsinsel dafür die bestmögliche Ausgangsbasis. Diese Suche nach kulturübergreifenden Orientierungen führt zu den wichtigen Themen der globalisierten Welt: gleichberechtigte Teilhabe, Migration, Integration, Identität und Selbstbestimmung. Das Humboldt-Forum wird diese großen Fragen menschlicher Existenz im Diskurs erfahrbar machen und setzt damit ein lebendiges Statement gegen den Nationalsozialismus und jede Art von rassistischer und menschenverachtender Ideologie.« So Winand. Alles sehr schön. Aber wenig konkret. Der Staatssekretär für kulturelle Angelegenheiten des Landes Berlin, Tim Renner, antwortete auf unseren Vorschlag, er teile unsere Meinung, dass sich noch viele Generationen mit der Frage beschäftigen werden, »wie es denn möglich war«. Gerade deswegen, schrieb Renner mit eigener Logik, »sollte die Beschäftigung mit dieser Frage aber nicht an einen eigenen zentralen Ort ausgelagert« – was wir mit keinem Wort vorgeschlagen hatten –, sondern weiterhin von den zahlreichen authentischen Orten ausgehen, die an die nationalsozialistischen Verbrechen erinnern«. Wir hatten das Schloss selber als »authentischen Ort« bezeichnet, als Lernort zur Aufarbeitung der Vorgeschichte der Nazi-Vergangenheit. Wir hatten aber auch zu bedenken gegeben, dass bei einer Beschränkung der Gedenkkultur auf authentische Orte in Deutschland einige Themen ausgeblendet würden: die Verwurzelung des Faschismus in einzelnen gesellschaftlichen Gruppen und Institutionen und deren Indienstnahme durch das Nazi-Regime (Beispiele: Justiz, Medizin, Wirtschaft, Medien, Militär); der Faschismus in anderen europäischen Staaten, (zum Beispiel Ungarn, Ukraine, Italien, Portugal); die Nazi-Verbrechen in besetzten Ländern (also die Massenmorde in Sobibor, Majdanek, Trostenez, Jasenovac, Oradour und so weiter); außerdem soll das vorgeschlagene Museum einen Überblick über alle antifaschistischen Gedenkstätten geben. Renner ließ uns wissen: »Auch wenn sicherlich noch viele Fragen zu klären sind – und in diesem Zusammenhang auch weitere öffentliche Diskussionen wünschenswert sind –, ist die durch den Bezug auf die Humboldt-Brüder gegebene grundsätzliche Ausrichtung aus meiner Sicht nicht mehr hintergehbar.« Das Land Berlin hatte lange Zeit geplant, einen Teil des Schlosses für die Landesbibliothek zu nutzen. Dann meldete es als Ausstellungsthema »Welt der Sprachen«. Doch dabei blieb es nicht. Jetzt lässt der Senat ein Konzept für eine Ausstellung »Welt. Stadt. Berlin« entwickeln. Sie soll auf 4.000 Quadratmetern »interaktiv erlebbar machen, was Berlin zur Weltstadt werden ließ«. Eine heikle Idee. Soll den in- und ausländischen Besuchern eine stolze Erfolgsgeschichte präsentiert werden, illustriert mit Porträts berühmter Wissenschaftler und Künstler? Will man dem friedlich Flöte spielenden Friedrich II. ein weiteres Denkmal setzen? Müsste dieser Preußen-König dann nicht auch als brutaler Kriegsherr gezeigt werden? Wie wird man Bismarcks und seiner Kriege gedenken wollen? Wird man wie üblich preußische Offiziere möglichst als Widerständler gegen Hitler darstellen? Und die beiden Weltkriege so, als wäre Berlin schuldlos dessen erstes Opfer gewesen? Das neue alte Schloss – bei Baubeginn 2012 sprach der damalige Bundesbauminister Peter Ramsauer vom größten kulturellen Bauprojekt der Bundesrepublik Deutschland – soll sicher nicht zufällig im Jahre 2019 eröffnet werden. Im Gegensatz zu anderen großen Bauvorhaben scheint das pünktlich zu gelingen: hundert Jahre nach der Abschaffung des deutschen Kaiser- und Königtums, hundert Jahre nach dem Mord an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, von dem eine Blutlinie zu den faschistischen Pogromen führt, hundert Jahre nach der Revolution, der wir immerhin das allgemeine und gleiche Wahlrecht und etliche andere Rechte verdanken. Wie wird man das zusammen- oder auseinanderbringen? Kann es anders als peinlich wirken, wenn die Schlosseröffnung diese Jahrestage gleichsam krönen wird? Den Hauptteil des Schlosses soll die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit einigen ihrer Schätze füllen. Ihr Präsident Hermann Parzinger hatte sich zeitweilig skeptisch über das Projekt geäußert. Inzwischen gehört er der Intendanz des Humboldt-Forums an – neben dem Kunsthistoriker Horst Bredekamp und dem Direktor des British Museum in London, Neil MacGregor, der zugleich maßgeblich an der Schaffung des nach seinen Worten »einzigen enzyklopädischen Museums der Welt« im indischen Mumbai mitwirkt. Monatelang war er als der Hauptverantwortliche dargestellt worden, der zu entscheiden habe, was das Publikum zu sehen bekommen soll. Was er tatsächlich noch zu den laufenden Planungen beitragen wird, dürfte kaum auf deutschnationale Kritik stoßen. In einem Interview der Frankfurter Rundschau antwortete er auf die Frage, was ihn an Deutschland fasziniere: »… dass Deutschland musterhaft mit seiner sehr schwierigen Geschichte umgeht«. Solches Lob hört Deutschland gern. Vielleicht erwartet Deutschland von ihm gar nicht mehr als solchen Zuspruch. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (Vorsitzende des Stiftungsrats ist die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsministerin Monika Grütters) hat kürzlich, mitfinanziert von Bayer, Bertelsmann, Daimler, Deutsche Bank, KPMS, The Linde Group, SAP, Siemens, Würth und ZDF, ein Magazin namens Humboldt-Forum vorgelegt, dem zu entnehmen ist, was sie im Schloss ausstellen will: Ein Raum im dritten Obergeschoß ist zum Beispiel der chinesischen Medizin gewidmet. Der Anorak, so lernt man, habe es »aus arktischen Zonen als hippes Must-have auf die Straßen der Metropolen geschafft und gehöre damit zur Weltkultur. Im »Afrika-Flügel« des Schlosses will die Preußen-Stiftung den prächtigen Perlenthron des Königs Nsangu von Bamum zeigen. Zwar habe der König einmal geschrieben, dass er einige Objekte gern zurückhaben würde, »aber es gab keine offizielle Rückforderung«. Zudem wolle man Objekte aus der Kolonialzeit nicht unkritisch präsentieren, versichert die Stiftung in ihrem Magazin. Je mehr ich über die offiziellen Planungen erfahre, desto glücklicher finde ich unsere Idee, das wiedererrichtete Schloss als Lernort zur Geschichte und Vorgeschichte des deutschen Faschismus zu nutzen. Aber wer könnte darüber entscheiden? Neben der Intendanz, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, dem Förderverein Berliner Schloss, der Beauftragten derBundesregierung für Kultur und Medien sowie dem Berliner Senat gibt es auch die Stiftung Berliner Schloss – Humboldt-Forum. Deren Vorstand und Sprecher Manfred Rettig warnte kürzlich: »Änderungswünsche wie zuletzt vom Land Berlin vorgetragen können, wenn sie Einfluss auf die technischen Gewerke haben, das Projekt massiv gefährden. Auch ist es nicht auszuschließen, dass von der Gründungsintendanz und der späteren Intendanz Änderungswünsche eingefordert werden. Dies gilt es während der Bauzeit unbedingt zu verhindern.« Entscheiden würde demnach der Zeitdruck.
Erschienen in Ossietzky 24/2015 |
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