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In ihrer Lektion stützte sie sich auf ihren reichen Erfahrungsschatz. 25 Jahre arbeitete Cooper als Journalistin und Auslandskorrespondentin, darunter von 1987 bis 1992 als Bürochefin des National Public Radio (NPR) in Moskau. Zuletzt war sie Geschäftsführerin des Committee to Protect Journalists, eine in den USA ansässige Organisation, die sich, so zumindest ihr Statut, weltweit für Pressefreiheit und die Menschenrechte von Journalisten einsetzt. Ann Cooper trat mit offizieller Unterstützung der US-Botschaft in der deutschen Bundeshauptstadt in der FU Berlin, im Hörsaal A, auf, um die knapp 50 Zuhörer über die von RT (ehemals Russia Today) ausgehenden Gefahren aufzuklären. Diese Aufklärung ist nur allzu erforderlich, wenn man bedenkt, dass die vom russischen Staat finanzierte Auslandsfernsehanstalt auf Englisch, Arabisch und Spanisch sendet, seit November 2014 auch in Deutsch Nachrichten verbreitet, über 2000 Mitarbeiter unterschiedlicher Nationalität beschäftigt, weltweit Korrespondentenbüros unterhält und ihren Sendeauftrag darin sieht, die Moskauer Sichtweise zu verbreiten und damit ein Gegengewicht zur Berichterstattung und Kommentierung westlicher Medien zu schaffen. Allein das schon ist eine Unverschämtheit, denn derartige Einrichtungen waren seit Jahrzehnten westlichen und damit ausschließlich zutiefst demokratischen Staaten vorbehalten. Zu Beginn ihres Vortrages erinnerte Ann Cooper an Erklärungen von Hillary Clinton und anderen ihrer Landsleute, dass es einen »Informationskrieg« geben würde, den der Westen verliere und den Russland gewinne. Eine zentrale Rolle dabei nehme das Medienunternehmen RT ein, dessen Propaganda sich von der »goldenen Ära« des russischen Journalismus unter Gorbatschow und Jelzin unterscheide. Diese Ära sei 1999 zu Ende gegangen, exakt in dem Jahr, in dem Wladimir Putins Präsidentschaft begann. Ab diesem Zeitpunkt dienten die russischen Medien, von Ausnahmen abgesehen, vor allem der Desinformation. Das gelte auch für das Auslandsfernsehen RT, das die Medienexpertin vor allem an Hand zahlreicher Video-Schnipsel »analysierte« und so zu zwei, mehrfach wiederholten, einander widersprechenden Kernaussagen kam: »Ihr müsst nicht RT schauen«, es lohne ohnehin nicht, und »Ban RT« (Verbietet RT). Zweifelloser Höhepunkt der Veranstaltung war die an die Wand geworfene Präsentationsfolie, auf der, angelehnt an Wladimir Iljitsch Lenins Werk, die Worte »What to be done?«(»Was tun?«) und darunter »Ban RT« zu lesen waren. Ja, die von den weltweit zu empfangenden RT-Sendungen ausgehenden Gefahren sind tatsächlich groß. Aber: »What to be done?« Als es gegen Jugoslawien und dessen Präsidenten Milošević ging, war es relativ einfach. Während der NATO-Aggression wurde das serbische Fernsehen zum feindlichen »Propagandazentrum« ernannt, und US-amerikanische Bomber unter dem Kommando von General Wesley Clark feuerten zwei Cruise Missiles auf Radio Televizija Srbija, verwandelten es in Schutt und Asche und töteten 16 serbische Journalisten. Um den »Sieg in der Informationsschlacht« perfekt zu machen, wurde der Sender auch aus dem Internet verbannt. Als das Kasseler Friedensforum bei Bundesaußenminister Joseph Fischer protestierte, erhielt es vom Auswärtiges Amt eine Antwort, in der es hieß: »Ich teile Ihre Ansicht, dass die Gewährleistung objektiver Informationsmöglichkeiten eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit dem Kosovo-Konflikt spielt. Die Einstellung der Übertragung des staatlichen jugoslawischen Senders RTS durch Eutelsat steht dem jedoch nicht entgegen. Dieser Sender dient ausschließlich den Propagandazwecken der jugoslawischen Regierung, nicht aber objektiver Information. – Mit Blick auf die Informationsmöglichkeiten der serbischen Bevölkerung kann ich Ihnen Folgendes mitteilen: Im Ausland gibt es zahlreiche Initiativen, die serbische Bevölkerung informiert zu halten. Zu den wichtigsten Radioprogrammen auf Mittelwelle in serbischer und albanischer Sprache zählen das erweiterte Programm der Deutschen Welle, Voice of America, BBC, Radio Free Europe und Radio France International ...« So brutal und höhnisch obendrein kann man mit Russland und Putin nicht umspringen. Also: »What to be done?« Die US-Administration versucht es mit einer Aufrüstung ihres Rundfunkdirektoriums, des Broadcasting Board of Governors (BBG) mit Sitz in Washington, D.C., das für internationale, auslandspropagandistische Hörfunk- und Fernsehprogramme der Regierung verantwortlich ist. Sein Jahresbudget beträgt offiziell 721 Millionen Dollar. Auch die Europäische Union will künftig ihren Einsatz in Sachen »Öffentlichkeitsarbeit« verstärken. Ein als »Russland Taskforce« bezeichnetes »Strategisches Kommunikationsteam Ost« soll »positive Narrative und Kommunikationsprodukte« in russischer Sprache entwickeln und damit »russischen Erzählweisen« in Osteuropa die Sicht der EU entgegenstellen. Das Team hat laut der Bundesregierung seit dem 1. September 2015 »seine volle Personalstärke erreicht«. Mit dabei sind neben EU und USA auch die NATO und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Parallel dazu unterstützen die EU-Kommission und die EU-Mitgliedstaaten nichtstaatliche Medien in Russland finanziell, womit sie sich – zumindest könnten Putinversteher das so interpretieren – in innere Angelegenheiten einmischen. Wenn Russland gegen solche völkerrechtswidrige Praxis vorgeht, erhebt sich naturgemäß ein Sturm des Protestes. Weniger angreifbar ist dagegen das US-amerikanische Projekt mit dem harmlosen Namen »Digitales Parlament«. Dazu soll der in Prag tätige US-Sender RFE/RL Internet-User aus Russland und anderen Ex-Sowjetrepubliken auf einer gemeinsamen Plattform vernetzen. Die Führung des Senders lässt sich von der Einschätzung leiten, dass der Kampf gegen »das revanchistische Russland« die gleiche Bedeutung hat, wie der Kampf gegen den Islamischen Staat. Die Aufzählung ist äußerst unvollständig, aber allein die genannten Beispiele zeigen: Der »Informationskrieg« steht nicht bevor, er ist in vollem Gange. Zurück zu Ann Cooper: Ihren exzellenten Vortrag hielt sie nicht nur an der FU in Berlin, sondern auch an höheren Bildungseinrichtungen in Kiel, Mainz, Halle sowie in Dresden in enger Kooperation mit den jeweiligen US-Generalkonsulaten in Hamburg, Frankfurt am Main und Leipzig. RT ist über diese Verketzerung nicht erzürnt. Im Gegenteil, der Sender zeigt sich erfreut, reagiert humorvoll und schließt nicht aus, dass sich »hinter all dem ja auch ein subtiler Trick fortschrittlich denkender, oppositioneller Botschaftsangestellter« verbergen könnte und fragt: »Was liegt da näher als eine Vortragsreihe zu organisieren, in der es vorgeblich darum geht, Stimmung gegen RT und Russland zu machen, diese dann aber dermaßen inhaltslos und unglaubwürdig zu gestalten, dass die Zuhörer im Ergebnis erst recht Lust darauf bekommen, sich die andere Seite der Medaille anzuschauen?« Laut Erich Kästner ist »der Humor der Regenschirm der Weisen«. RT hat ihn aufgespannt, und ich stelle mich darunter.
Erschienen in Ossietzky 24/2015 |
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