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Wir sind mit anderen Kriegen beschäftigt: Religionskriegen, geographisch-strategischen Landbesetzungen, Grenzkonflikten, gewaltsamem Aufbau von Oligarchien, massiven politischen Stänkereien und ideologischen Brandstiftungen, wobei der Hintergrund vielfach der scheele Blick auf die Bodenschätze anderer Länder ist. Solange die Staaten miteinander Handel treiben, also abhängig voneinander sind, ist ein dritter Weltkrieg – noch – gebannt. Aber die Angst, eines Tages im eigenen Land die lebenswichtigen Bedürfnisse nicht mehr sichern zu können, fördert Aggressivität, willkürliche Verleumdungen und Ignoranz. Auch der Natur gegenüber. Sie ist die größte Macht. Und wer in all den Jahrzehnten diese Macht nicht gesehen hat oder sie sich sogar egoistisch einverleiben will, den zwingt sie dazu, sie zu spüren. In den seit mehr als zwei Jahrzehnten stattfindenden Weltklimakonferenzen legten Vertreter großer Industriemächte, allen voran die USA, bisher stets ihr Veto ein und bringen damit alle Bemühungen zur Verhinderung einer Klimaeskalation zum Scheitern. Dies hat aber nichts mit Ignoranz gegenüber der Natur zu tun, sondern mit Profitgier, und sie führt zu einer eklatanten Engstirnigkeit. Es gibt eine Dummheit auf sehr hoher Ebene. Eine Umstellung auf naturfreundliche Energien erfordert eine revolutionäre Umstellung von Produktionstechniken. Dazu sind die meisten Bosse nicht bereit. Denn das hieße, erst einmal investieren zu müssen, womöglich vorübergehend geringere Gewinne einzufahren. Es gibt keinen Multikonzern, der das hinnehmen will. Er fürchtet rote Zahlen, das ist schlecht für den Aktienkurs. Statt sich rechtzeitig umzustellen, wird alles unternommen, eine bewährte Produktion so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Das geschieht durch Verdrehungen tatsächlicher Befunde bis hin zur Behauptung, die Warner einer Klimaerwärmung seien Panikmacher, und es hätte vor Jahrhunderten schon ähnliche Naturerscheinungen gegeben. Zwischen den Warnern und ihren Behinderern ist längst ein neuer Krieg ausgebrochen mit Bedrohungen und Mobbing. Nichts fürchten die Konzerne mehr als eine Dezentralisierung der Energieversorgung und einer damit verbundenen Verringerung ihrer Macht. Währenddessen schreitet die Natur ihren unheilvollen Gang weiter, unbeirrt und gleichgültig, blutend und verwundet durch eine sich auf höchstem wissenschaftlichen Stand befindende sogenannte zivilisierte Art Geschlecht Mensch, gereizt und gefährlich geworden wie ein angeschossener Tiger. Bei einer der Klimakonferenzen verließen die Retter einer zum Teil schon zerstörten Natur unter Protest den Saal. Es war die bisher einzige gewaltlose und sichtbare Kundgebung dort, ein schöner und dringlicher Appell. Ein stiller Aufschrei. Aber er war zu wenig. Er war lediglich ein Signal, ein Notruf. Die vorletzte Klimakonferenz scheiterte erneut im Streit. Die letzte endete mit halbherzigen Versprechungen unter Ausklammerung wichtiger Industrienationen. Die Lüge wurde als Wahrheit verkauft. Und die Zeit, die so wichtige Zeit, vergeht. Es bleibt seitdem das Bild einer Apokalypse: Die Natur reitet – als Tod verkleidet – wie eine Hexe auf ihrem Besen, einem qualmenden Auspuff, mit einem rauchenden Schornstein als Lanze unter dem Arm, über die Erde, einen Schutz vor Nase und Mund gebunden. Unter ihr fliehen die Menschen vergebens und kommen zu Fall. In den Parlamenten der Länder indes, auch in den Debatten des Deutschen Bundestages, hallen die Wände wider von Gehässigkeiten, Ignoranz, Parteiengezänk, Glockengebimmel des Bundestagspräsidenten, verziehen Abgeordnete theatralisch ihre Gesichter oder laufen bewusst in der Gegend herum, um den Redner zu provozieren, werden einstige Haltungen auf den Kopf gestellt, Entscheidungen nur noch auf materielle Vorteile hin gefällt, mit der Wahrheit wird Fangball gespielt. Die einzige Wahrheit ist die Natur. Ihr kann man nicht ausweichen. Wenn man nicht mehr ausweichen kann, handelt es sich immer um die Wahrheit. Die Schuldigen an einer möglichen Klimakatastrophe reichen vom mächtigsten Mann der Welt, und da gibt es einige, oder der mächtigsten Frau bis hinunter zum kleinen Mann oder der kleinen Frau. Keiner kann sich herausreden. In den armen Ländern haben die Menschen, bedingt durch ihre Armut, wenige Gelegenheiten, der Natur zu schaden. Nur ihre korrupten Anführer lassen das Land durch Vertreter moderner Industriestaaten und deren Banken zu ihrem Gewinn nach Bodenschätzen ausbeuten, die Tropenwälder aus denselben Gründen abholzen und streichen einen Teil des erzeugten Reichtums wie Zuhälter ein. Dem armen Mann bleibt oft nur ein Stück karger Boden oder die Flucht. Die Mächtigen dieser Welt aber, die alle Mittel haben, der Natur nicht zu schaden, verhindern das bewusst. Sie gehörten vor einen internationalen Gerichtshof, der ihnen einige wichtige Fragen zu stellen hätte. Doch die Fragenwird es nicht geben, und damit gibt es auch keine Antworten, keinen Verursacher, keinen Schuldigen. Der Philosoph Tommaso Campanella wollte die Harmonie des Alls auch auf unserer Erde verwirklicht sehen. Vor mehr als vierhundert Jahren schon. Davon sind wir nicht nur zeitlich, sondern auch geistig weit entfernt, trotz aller klugen Reden. Aus dem All betrachtet ist die Erde eine Kugel voller krabbelnder Wesen, die aber so klein sind, dass man sie von da oben aus nicht sehen kann. Menschen unterschiedlicher Herkunft, die sich durch Kriege und andere Gewalttaten gegenseitig reduzieren oder gar beseitigen. Einige Tierarten sind schon vorausgegangen. Doch der Mensch begreift dies nicht als Warnung. Der große »Krieg« der Natur, den diese als Gegenwehr vorbereitet, könnte eines Tages alle Befindlichkeiten mit einem Schlag zu lächerlichen Nichtigkeiten machen. Und die Erde triebe dann durch das All, grau wie Asche. Die anderen Farben, das zarte, sensible Blau etwa, erloschen. Und es gäbe keine Generation mehr, die über vorherige Generationen berichten könnte: Sie waren so sehr mit sich selber beschäftigt, bis sie schließlich in den Schlingpflanzen ihrer Verstrickungen hängen blieben und die Natur dem Ganzen ein Ende machte, indem sie selber durch die Schuld der Menschheit aufhörte zu existieren. Wahrscheinlicher aber ist, dass sie weiter existiert ohne uns, die wir doch glaubten, sie zu beherrschen. Aus der Traum. Leicht bearbeiteter Vorabdruck aus dem demnächst erscheinenden gleichnamigen Buch von Wolfgang Eckert.
Erschienen in Ossietzky 23/2015 |
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