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BewegungsmelderIn einer Tageszeitung, von der man etwas Derartiges nicht erwartet, war neulich folgender Spruch von Georg Wilhelm Hegel abgedruckt: »Der Widerspruch aber ist die Wurzel aller Bewegung und Lebendigkeit.« Der Mann ist 1831 gestorben. Solche politische Unbotmäßigkeit gab es also schon damals. Günter Krone WhistleblowerWhistleblower sind die »natürlichen« Feinde von Vertuschung und Geheimhaltung staatlicher Lügen und menschenverachtender Praktiken. Die Personen, denen der Whistleblower-Preis 2015 in Karlsruhe verliehen wurde, mussten dafür Anfeindungen und die Bedrohung ihrer sozialen Existenz erleben. Brandon Bryant wurde von der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler VDW und der deutschen Sektion der internationalen Juristenorganisation IALANA dafür geehrt, dass er den geheimen Drohnenkrieg der USA und die zentrale Bedeutung der US-Air-Base in Ramstein öffentlich gemacht hat. Ohne die deutsche Hilfe wären die staatlich angeordneten Morde nicht möglich. Bryant kennt das Morden, denn er war fünf Jahre lang Drohnenpilot und damit persönlich an zahlreichen Killing Operations beteiligt – bis er anfing, in den beobachteten Zielpersonen nicht nur Figuren auf dem Bildschirm und Feinde zu sehen, sondern Menschen. Monsanto: Der Name des Konzerns ist eng mit genveränderten Pflanzen, Herbiziden, dem toxischen Glyphosat einschließlich deren weltweiter Verbreitung verbunden – oft mit brutalen Methoden zu Lasten der Bevölkerung. Sich mit diesem Monstrum anzulegen erfordert Mut; die Betroffenen müssen sich auf massive Angriffe des Konzerns und seiner juristischen, wissenschaftlichen und publizistischen Handlanger gefasst machen. Gilles-Éric Séralini hat es getan. Der Professor von der Universität Caen hat nachgewiesen, dass das weltweit am häufigsten verwendete Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat Tumore auslösen kann. Dafür musste Sératini Kampagnen gegen seine Person durchstehen, Verunglimpfung und berufliche Nachteile in Kauf nehmen. »Whistleblowing ist kein Traumberuf«, merkte die Laudatorin Christine von Weizsäcker sarkastisch an. Was die »publizistischen Handlanger« angeht: Die FAZ schrieb über die Preisverleihung: »Hauptsache, die Gesinnung stimmt« und schaffte es, zu Sératini in einem Satz »umstrittener Aktivist«, »dürftige Forschungsarbeiten«, »schillernde Auftritte« unterzubringen. Der Ort der Preisverleihung war bewusst gewählt: Das Kernforschungszentrum Karlsruhe war jahrzehntelang in Betrieb. Der posthum geehrte Physiker Léon Gruenbaum hatte auf höchst Bedenkliches hingewiesen, was die KfK-Leitung ebenso wie die Politik gern vor Mitarbeitern wie Öffentlichkeit geheim gehalten hätten: In der Geschäftsführung arbeitete Rudolf Greifeld mit, der dem Juden Gruenbaum durch rassistische und NS-affine Äußerungen aufgefallen war. Im von Nazis besetzten Paris war er 1941/42 in hoher Wehrmachtposition tätig. Bis heute ist er dennoch Ehrensenator der »Exzellenz«-Universität. Gruenbaum hatte außerdem die aktive Mithilfe des KfK bei der Weiterverbreitung von Atomwaffen thematisiert. Die Atomforschung in Deutschland war in führenden Positionen von Nazis besetzt, wie der Laudator Philipp Sonntag hervorhob. Der damalige Atomminister Franz Josef Strauß war dabei treibende Kraft. Immerhin ließ es sich der Karlsruher Oberbürgermeister Frank Mentrup trotz heftiger Kritik der Badischen Neuesten Nachrichten nicht nehmen, an der Preisverleihung teilzunehmen und in einer kurzen Ansprache nicht nur die Preisträger zu begrüßen, sondern auch zukünftigen Whistleblowern viel Erfolg zu wünschen. Georg Rammer MedienrummelMit großen Szenenfotos erschien Hitler in vielen Zeitungen und Zeitschriften, bevor der Film »Er ist wieder da« von David Wnendt am 8. Oktober »dem deutschen Volke« präsentiert wurde. Die Magdeburger Volksstimme zum Beispiel erschreckte ihre Leser schon auf der Titelseite mit einem Großfoto aus dem Film und bringt dann auf ihrer Kulturseite unter einem weiteren großformatigem Szenenfoto »Informationen« zu diesem Machwerk und zu weiteren Versuchen filmischer Hitlersatiren aus der jüngsten Vergangenheit. Es war zu erwarten, dass das Buch von Timur Vermes »Er ist wieder da«, das im Jahre 2012 über 20 Wochen die Bestsellerlisten anführte und in mehr als 2,3 Millionen Exemplaren verkauft wurde, auch in einer Filmversion erscheinen würde. Das ist jetzt geschehen. Die »erschreckende, sehenswerte Geschichte mit dokumentarischen Elementen«, wie es im Untertitel in der Magdeburger Volksstimme heißt, wird noch weit über das Buch hinaus Millionen Kinogänger erreichen. In dem Film »Der große Diktator« persiflierte Charlie Chaplin schon im Jahre 1940 Hitler. Die Versuche seitdem (»Mein Führer – die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler« und »Neues vom Wixxer«, beide aus dem Jahre 2007 und dann aus dem Jahre 2011 »Rubbeldiekatz« und »Mein Kampf«), die in keinster Weise die Qualität des Filmes von 1940 erreichten, bedienen eine Modeerscheinung. Sie entsprechen nicht einer Aufarbeitung durch Persiflage oder Satire. Wnendt will das besser machen und erhebt dazu den Anspruch zu zeigen, wie das Deutschland von heute einen Hitler »erneut aufnimmt« und sagt: »Mir war wichtig, die Realität in den Film zu holen, um etwas über unsere heutige Gesellschaft auszusagen.« Wie bereitet er dieses – wie er es nennt – »Aufnehmen« vor? Mit seinem Hauptdarsteller, dem im Jahre 1968 geborenen Wiener Burgschauspieler Oliver Masucci, macht Wnendt eine Reise durch Deutschland und lässt ihn als Hitler-Double mit Menschen von der Straße sprechen. Ihm geht es um den Nachweis, wie gut ein Adolf Hitler noch immer oder wieder in dieses Deutschland passt. Er will das zusätzlich mit einer fiktiven Geschichte untermauern und dann noch mit einem Film im Film über ein sogenanntes Tagebuch Hitlers über seine Rückkehr. Verwirrung, Verwischung und beinahe schon Klamauk! Die von Wnendt gewollte Satire geht verloren. Der ganze Rummel um den Film dient wohl mehr Kräften, die das für sich auf ihre Weise ausnutzen werden. Wnendt (unterstellen wir einmal gutes Wollen) dürfte nichts im Sinne des Verstehens und der Klärung erreicht haben. Schade! Der Film und das Medienspektakel passen sehr in die durch Vorurteile und Fremdenhass aufgeheizte Situation. Sorgen und Ängste durch den Zustrom von Flüchtlingen werden geradezu herausgefordert und richten sich letztlich gegen die Akzeptanz und humane Pflicht zur Hilfe gegenüber Menschen, die zu uns kommen und unsere Hilfe benötigen. Manfred Uesseler Unsere ZuständeFluchtlinien: Damals flohen sie über Ungarn und Prag in den Wohlstand. Stellen sie sich nun Menschen entgegen, die vor Krieg und Hunger in ihren Wohlstand fliehen? Und sie erinnern sich nicht mehr an ihre Flucht? Solange Menschen auch durch unsere Mitschuld, die wir schwer eingestehen wollen, in Not geraten sind und nicht zurück in ihre Heimat können, bleibt die Welt aus den Angeln. Wir müssen ihr Fundamente bauen. * Setzt die Völkerflucht von Süden nach Norden ein neues Zeitmaß? Bisher vor und nach Christi – nun: vor und nach der EU? Zerstört Hass oder heilt Liebe? Europa balanciert in großer Höhe auf einem Drahtseil. * Ein medizinischer Test ergab: Bereits Kleinkinder werden vor Smartphones kurzsichtig. Das wirft die Frage auf: Sehen manche Politiker schon lange Smartphone? Wolfgang Eckert Kurt-Tucholsky-PreisAm 18. Oktober wurde dem Ossietzky-Autor Jochanan Trilse-Finkelstein der Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik verliehen. Verlag und Redaktion Ossietzky gratulieren! Da gruselt es einenMan will es einfach nicht glauben …, aber haben Sie schon die Süßigkeiten parat gelegt? Nicht für Nikolaus, das dauert noch eine Weile. Nein, für den Fall, dass es abends an der Tür klingelt. Denn Halloween ist wieder da, der Gruseltag, an dem die Kinder als Gespenster, Monster und Hexen verkleidet von Haustür zu Haustür ziehen und die Leute mit ihrem schaurigen »Süßes oder Saures« erschrecken. Halloween – dieser Volksbrauch in seiner heutigen Ausprägung wurde vor Jahren frisch aus Amerika importiert und zwar zur Steigerung des nationalen Konsums. Und da der Halloween-Virus längst schon unter Kindern und Erwachsenen grassiert, hat der Einzelhandel den neuen Brauch freudig aufgegriffen, um seinen Umsatz von Schnickschnack aller Art anzukurbeln. In den Supermärkten stapeln sich Horrormasken, Vampirkostüme, Hexenhüte, Spinnennetze und Plastikskelette. Die Halloween-Party soll ja Spaß machen. Mit den Halloween-Artikeln werden in Deutschland pro Jahr etwa 130 Millionen Euro gemacht. Tendenz steigend. Hinzu kommen die Umsatzzuwächse der Süßwarenhersteller, die vor dem kommenden Weihnachtsgeschäft noch einmal ihre Regale leer bekommen. Den 31. Oktober weist der Kalender als Reformationstag, den 1. November als Allerheiligen aus. Aber selbst mit Martin Luther und seinem Thesenanschlag an die Wittenberger Schlosskirche lässt sich heute kaum noch Geld machen, auch in der vielzitierten Luther-Dekade nicht. Halloween spült dagegen eine Menge Kohle in die Kassen. Der Handel hat es inzwischen tatsächlich geschafft, dass mit Karneval, Valentinstag, Muttertag, Vatertag oder Halloween unser ursprüngliches Kirchenjahr finanziell optimiert werden konnte. Manfred Orlick Zuschrift an die LokalpresseEhrenämter ausüben und Verantwortung übernehmen – diese Bürgerqualitäten spricht unser Bundespräsident gern an, wenn er über die Freiheit redet. Und da er immer wieder über die Freiheit redet, ist auch die ehrenamtliche Betätigung und die Sorge für andere immer wieder im Gespräch. Ich freue mich, in der Presse gelegentlich Belege dafür zu finden, dass und wie unsere freiheitlich-demokratischen Mitmenschen Verantwortung wahrnehmen, auch wenn das manchmal etwas ungewöhnlich erscheint. So wird offensichtlich selbst die medizinische Versorgung und therapeutische Betreuung mehr und mehr eigenzuständig oder im Teamwork ehrenamtlich betrieben. In der Sonntagsausgabe der Brawo vom 4. Oktober, einem beliebten havelländischen Zentralorgan, fand ich die Mitteilung, dass sich die »Selbsthilfegruppe Diabetes« am 5. Oktober im Falkenseer Kulturhaus zum Erfahrungsaustausch trifft. Und am 8. Oktober versammelt sich die »Selbsthilfegruppe Prostatakrebs« im Konferenzraum der Klinik Nauen. Ich finde es gut, dass die Klinik, der es offenbar an medizinischen Spezialisten fehlt, wenigstens ihre Fachräume zur Verfügung stellt. Es ist ja eine alte Weisheit, die schon die alten Griechen oder die jungen Samariter entdeckt haben, dass ein aufmunterndes Wort manchmal nachhaltiger wirkt als eine Kanüle oder ein Tranchiermesser. – Krinoline Trefflich (76), Heilerin im Ehrenamt, 14641 Selbelang Wolfgang Helfritsch Freundliche Feindschaft»Die Ausrüstung mangelhaft, neues Material viel zu teuer, geliefert mit oft jahrelanger Verspätung, die desolate Lage im Beschaffungswesen der Bundeswehr plagt die ehrgeizige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) schon vom ersten Tag ihrer Amtszeit an«, ist in Spiegel online zu lesen. Nun kann man sagen, was man will, aber mit den Gewehren, die nicht treffen, ist es dem Verteidigungsministerium gelungen, dem Begriff des friendly fire eine völlig neue Bedeutung zu geben. Günter Krone
Erschienen in Ossietzky 21/2015 |
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