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Die Farben Frankreichs« (bis 17.1.2016) wird die Malerei »in den Kontext der politischen Farben gesetzt«, so die Presseinformation. Unter den sechzig Gemälden fällt eines schon durch seine Größe auf: »Die Bestattung des Patroklos« (1778/79) von Jacques-Louis David. Unter der Raum-Überschrift: »Von Homer bis Rousseau. Antike und moderne Tugendvorbilder« zeigt das Gemälde eine Szene aus dem 23. Gesang der »Ilias«. Die rechte Seite des Bildes ist dunkel, die linke von der aufgehenden Sonne beleuchtet. Am Horizont die Schiffe der Griechen. In der Mitte ist ein riesiger Scheiterhaufen errichtet, darauf soll Patroklos feierlich bestattet werden. Davor thront sein Freund Achill, der Held, in seiner blauen Rüstung – die ihn unbesiegbar macht – in rotem Umhang und goldenem Helm mit prächtigem Federbusch. Neben ihm liegt der tote Freund. Am Fuße der Stufen, auf der rechten, dunklen Seite, doch vom Morgenlicht bestrahlt, hingestreckt Hektor, der Patroklos getötet hatte – oder war es doch Apollon, ein Gott? Achill wollte Rache und Vergeltung. Er durchbohrte Hektors Fersen, um ihn an seinem Kampfwagen immer wieder um die Mauern Trojas schleifen zu lassen, durch Dreck und Blut. David zeigt den trojanischen Prinzen, an das Gefährt gekettet, den Kopf über den Boden gezerrt. Achills weiße Pferde bäumen sich auf, ziehen Hektor in die Dunkelheit. Die Helden der homerischen Epen galten (damals?) »als besonders geeignet, menschliche Tragödien und moralische Größe zu verkörpern« schreibt die Kuratorin der Ausstellung, Eva Fischer-Hauschild, im Katalog (Hirmer Verlag, 228 Seiten, 29 €). Der Maler David versammelt auf der linken Seite des Gemäldes wildgewordene griechische Krieger, die – auf Befehl Achills – trojanische Prinzen aus der Menge herausziehen, um sie abzumetzeln als Futter für den Scheiterhaufen, der schon raucht. Ein alter Grieche – oder ist es ein Gott, der mithilft – im weißen Gewand, mit Lorbeerkranz, schwingt sein Messer. Mit der anderen Hand drückt er einen nackten Jüngling nieder, um ihm den Todesstoß zu versetzen. Davor stehen kostbare Kannen und ein Kessel. Ist darin das kochende Wasser zum Abwaschen des Blutes für den besudelten Achill? Der wollte sich nicht reinigen von den Spuren des Schlachtens, bevor Patroklos auf dem Scheiterhaufen ehrenvoll verbrannt war. David, der sich von 1775 bis 1780 zu Studienzwecken an der Akadémie de France in Rom aufhielt, wurde dort mit dem Thema aus der »Ilias« konfrontiert. Die Akademie hatte für den Prix de Rome im Jahr 1769 diesen Stoff vorgegeben. Das Bild ist eine Ausnahme und ein Neuanfang für David. 1784 entstand das Historienbild: »Der Schwur der Horatier«, das ihn bekannt machte, genauso wie »Der Tod des Marat«. Er wurde dann zum Hofmaler Napoleons. Unter den 44 Künstlern der Ausstellung, bekannte und unbekannte, ist auch Eugène Delacroix. Nicht mit seinem berühmten Bild: »Die Freiheit führt das Volk«, sondern: »Demosthenes spricht zu den Wellen« (1859). Der Redner – hier übt er seine Stimme, die gegen die aufpeitschenden Wogen des Meeres ankämpfen muss – allein, mit ausgestrecktem Arm, als wolle er sie besänftigen. Wie Jesus? Ganz versteckt beobachten zwei Gestalten die Szene. Ein realistisches romantisches Bild: Der einsame Mensch und die Rauheit der See. Zusammengefasst unter dem Thema: »Der Mensch in der erhabenen Natur«, zwei Gemälde von Jean-Baptiste Pillement (beide 1791 oder 1797). Auf den Bildern überspannen grün bewachsene Brücken wild schäumende Flüsse. Sind diese Bauwerke überhaupt zu betreten? Das Geländer ist eingerissen. Die Menschen, winzig, gehen unten ihrer Arbeit nach. »Landschaft mit Maultreibern und Bauern« und »Landschaft mit Webern und Bauern«. Nachdem die höfische Gesellschaft auf den Gemälden des Rokoko – in Parks wie Kulissen – sich präsentiert hatte, spielend, tanzend, in kostbaren Gewändern, den Fêtes galantes huldigend, besannen sich die Maler auf die Bürger und zeigten sie in ihrem Umfeld. Oft in Innenräumen. Auch Kinder. Nicht mehr die rosafarbenen, auf Wolken schwebenden Putten wie von Jean-Honoré Fragonard »Venus und Amor«(um 1755), sondern echte Kinder. Herausragend: »Die Kapuzinerpuppe« oder »the broken doll« (um 1765) von Jean-Baptiste Greuze. Ein Bild, das Diderot sehr geschätzt hat. Das kleine Mädchen mit träumerischem Blick, den Mund leicht verschmiert, als habe es gerade Milch getrunken. In grobem braunen Kleid (das vielleicht kratzt), es hält in seinen Händen die Puppe eines Mönchs, aus Gips, in brauner Kutte. Die Hände spielen mit der Kordel um seinen Leib. Diderot nannte Greuze gar einen »kleinen Rubens«, weil dieses Kind wie aus Fleisch und Blut wirke. Der Realismus in der Kunst brachte so unattraktive Sujets wie »Das Innere einer Scheune« (1874) von Jean-Baptiste Camille Corot auf die Leinwand. Das führte zu Protesten. Ausgehend von der »Malerei nach den Regeln der Königlichen Akademie«, die 1648 in Paris gegründet wurde und sich an Italien und der Renaissance orientierte, bis zum »Aufbruch in die Moderne«, die der individuellen Wahrnehmung des Künstlers Ausdruck verlieh – das ist die Spannweite der Ausstellung. Am Schluss stehen flirrende Landschaften von Claude Monet und Paul Cézanne und Paul Signacs Pointillismus. Hier spielen sich keine Dramen mehr ab wie bei David – oder sie sind unsichtbar.
Erschienen in Ossietzky 21/2015 |
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