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Die DDR spielt in Biskupeks Leben wie bei uns allen, die wir über 65 sind und in ihr gelebt haben, keine untergeordnete Rolle. Wir haben genügend Abstand seit 1989, um uns nach ihrem Untergang in ihrer Geschichte zurechtzufinden. Matthias Biskupeks Idee, die Jahre seit 1950 in Kapitel aufzuteilen, macht aus dem Buch ein Ganzes. Eine bruchstückhafte Autobiografie in besonderer Form. Im Buch wimmelt es von bekannten und unbekannten Namen. In den Episoden spiegelt sich Biskupeks bisherige Zeit: Kindheit, Elternhaus, Vatererlebnis, Schule, Studium, Reisen – Biskupek ist ein Vielgereister –, Familie, der Weg zum Schriftsteller, der nicht so glatt war, wie sich das vielleicht Romantiker vorstellen, und der nicht frei von Eitelkeit auch Biskupeks ist. Er verbirgt sich dabei nicht. In seinem Buch wechseln Berichte und Kurzgeschichten einander ab. Und so entsteht ein plastisches Panorama von Leben. Man weiß oft nicht, was nun Wahrheit und Wahrscheinlichkeit ist. In die Tatsachen flicht sich Fiktion. Im Prolog outet sich Biskupek selber: »Was ich schon alles erlebt habe; ich könnt‘ Geschichten erzählen, wenn ich die Zeit hätte. Was ich schon alles erzählt habe, jetzt müsst ich‘s bloß erleben, wenn noch Zeit wär.« Schriftsteller verbergen oft ihren Stolz. Biskupek gibt nach seinen ersten Erfolgen zu, sein Stolz brauche keine Tarnung mehr. Ernst, hintergründig, ironisch, und mit Biskupeks eigener Satire erkennt man sich zuweilen selber als Getroffener. Doch Biskupek wird nicht zum Scharfschützen, weil er sich selber mit einbezieht. Satirische Kabinettstückchen zum Beispiel sind seine Kurzgeschichten »Kontaktsuche mit Galja«, »Das Ferienkind« und »Gelzenbein Beckenbauru«. Neben der Satire dort verfügt Biskupek über eine gehörige Portion Humor. Aber wenn er von bösen Stasigeschichten und noch böseren Nachstasigeschichten jenseits der Wende berichtet und von Asylproblemen, vergeht einem das Lachen, ja, sogar das Lächeln. Immer führt er von Tatsachen zu Erfindungen und von Erfindungen zu Tatsachen. Das ist Kein-an-der-Nase-Herumführen. Es ist Biskupeks sprühende Phantasie, seine Freude am Fabulieren auch. Die Wiedervereinigung hat Biskupek nicht sprachlos gemacht. Er blieb tätig, nicht tätlich. In so einem Satz wie: »Nun schließ dich an ans Vaterland, ans teure, das hatten wir schon«, steckt eine ganze deutsche Geschichte. Biskupeks Buch »Die Abenteuer der andern« fand sich preisgünstig 2000fach auf einer Müllhalde wieder und wurde vom Bücherpastor Martin Weskott gerettet. Aber es verblasste im bunten Folienglanz der neuen vierfach teureren Schmöker des Westens. Mein Buch »Plötzlich lachte Doktor Bunsen« mit Illustrationen Thomas Schleusings, der sich nach der Wende das Leben nahm, wurde vom Verlag ausgelagert. Und so konnte ich es als Museumsartikel nach Hause retten. Auf dem »Rentnerlehrling«-Bucheinband ist Biskupeks Hinterkopf zu sehen, und man ahnt das Volumen. Dreht man das Buch auf die Rückseite, da blickt einem einer in die Augen, lächelnd abwartend, ob man seine literarischen Bocksprünge erkannt hat. Freude, wenn das geschehen ist. Wirklichkeit und Dichtung lösen sich also bei ihm ab. Und was bei einem echten Schriftsteller dabei herauskommt, ist eine innere Wahrheit, die gleichsam neben unserem Leben mit uns zieht und die zu erkennen Biskupek mit seinen Geschichten hilft. Manchmal, so empfand ich, kommt er ein bisschen ins Trudeln, besonders jenseits des Jahres 2000. Aber wie ein Segelflieger gewinnt er immer wieder an Höhe. Am Ende seines Buches schreibt er: »Vom Herrn B. ist sowieso goar nischd zu erwarten. Sollen doch andere weitererzählen.« Auf gut Sächsisch ist er fertsch. Nein, schreib Du mal weiter. Über das Jahr 2016 zum Beispiel. Denn wie heißt es doch in einem Schlager von Udo Jürgens? »Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an …« Alles Gute und herzlichen Glückwunsch von Deinem Trinkkumpan. Matthias Biskupek: »Der Rentnerlehrling. Meine 66 Lebensgeschichten«, Mitteldeutscher Verlag, 352 Seiten, 19,95 €. Verlag und Redaktion Ossietzky gratulieren dem Rentnerlehrling und Ossietzky-Mitherausgeber herzlich zum Geburtstag.
Erschienen in Ossietzky 20/2015 |
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