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Denn die Hof- und Elbfassaden, Wendelstein, Hausmannsturm und die Schlosskirche sind aufwendig rekonstruiert. Museum und historische Innenräume vereinen kurzzeitig bildende Kunst und Pretiosen aus aller Welt. Sachsen hat sich mit dieser Präsentation nahezu überboten. Wie Aurora ihr Gespann im Morgenlicht durch den Äther führt, so erstrahlte die neue Residenz mit Schloss Hartenfels im Heiligen Römischen Reich. Der mächtigste Fürst im Reich, der Ernestiner Johann Friedrich I. (der Großmütige), war Bauherr. Herzog Johann Friedrich I. lässt das neue Schloss nach Regierungsübernahme 1532 errichten. Es entsteht im Zeichen seiner Kurfürstenwürde. Den mittelalterlichen Vorgängerbau verwandelte der geniale Baumeister Konrad Krebs von 1533 bis zu seinem Tod 1540 in ein neuzeitliches Wohnschloss. Der Prachtbau steht dem Niveau der französischen Königsschlösser von Franz I. kaum nach. Er nimmt sich prächtiger aus als die kaiserliche Architektur in Wien, vor allem mit dem funkelnden Schmuck und den schwingenden Schlinggewölben am dominanten Wendelstein. Auf Schloss Hartenfels weilte Luther oft und gern. Glücksfall der Geschichte. Die Ausstellung »Luther und die Fürsten« kann in Torgau, auf Schloss Hartenfels, am authentischen Ort inszeniert werden. Wieso authentischer Ort? Mit dem Anschlag seiner 95 Thesen 1517 löste Luther die Reformation aus. Das Scheitern des Papsttums war damit besiegelt. Zum Durchbruch verholfen haben dieser Glaubensbewegung die wettinischen Fürsten. Wie kam es dazu? Zu Allerheiligen werden jährlich Reliquien der Heiligen vorgeführt (Weisung), so auch in Wittenberg. Kurfürst Friedrich der Weise besitzt eine der größten Sammlungen dieser Art mit 2000 Exemplaren. In der Berührung von Reliquien liegt ein Heilsversprechen. Der Ansturm ist daher groß. So wird der Tag auch zum Verkauf eines päpstlichen Ablassbriefes genutzt. Was stand darin? Denn am Tag der »Weisung« heftet Luther seine 95 Thesen als Protestschrift an die Schlosskirche in Wittenberg. Er veröffentlicht sie in Latein und auch in der oberdeutsch-sächsischen Canzley-Sprache. Die Thesen werden gedruckt und von Luther versendet, zuerst an Erzbischof Kardinal Albrecht von Brandenburg. Dieser leitet die Provokation unmittelbar nach Rom weiter. Der Vatikan gerät in Unruhe. Luthers Bekenntnis erfasst auch die deutschen Länder wie ein Sturmgewitter. Papst Leo X. war zwei Jahre zuvor wie ein Geschäftsmann vorgegangen. Er brauchte Geld. Deswegen verabschiedete er 1515 den Petersablass, der den Verkauf von Ablassbriefen an Gläubige gestattete, die sich von ihren Sünden rasch und ohne Bußfertigkeit, nur mit einer Geldsumme, loskaufen konnten. Der Papst hatte dem Petersablass eine Stellungnahme in die christliche Welt vorausgeschickt. Darin bekräftigte er, als der einzige Stellvertreter Christi auf Erden von Christus das Recht und den Auftrag empfangen zu haben, allen Christen die Gnade der Sündenerlösung (gegen Geld) zu gewähren. Nun werden Vertreiber des Briefes gesucht. Im Heiligen Römischen Reich boten sich nur wenig Möglichkeiten. Da betritt Kardinal Albrecht von Brandenburg die Bühne des Geschehens. Er war rasch zum Erzbischof von Magdeburg aufgestiegen. Hinzu kam die apostolische Administration von Halberstadt. Es folgte ein weiteres Amtsangebot, als Erzbischof und Metropolit das Erzbistum Mainz zu übernehmen. Amtsanträge müssen den päpstlichen Dispens erhalten. Hier geht es aber um Ämterhäufung, die strafbar ist. Um einer Strafe zu entgehen, wird dem Erzkämmerer des Reichs, Albrecht von Brandenburg, vom Papst ein Geschäft vorgeschlagen: diese Ämter zu kaufen, sich mit einem enormen Darlehen bei den Fuggern zu verschulden. Der Erlös verkaufter Ablassbriefe aus den Diözesen seiner Bistümer sollte sukzessive hälftig an den Papst gezahlt werden und zur Schuldentilgung an die Fugger gehen. Die Buchhaltung dazu besorgte Ablassprediger Johann Tetzel. Briefe wurden massenhaft gekauft. Die Menschen fanden es befreiend, so rasch und nachhaltig ihrer Sünden ledig zu sein, das heißt die Verantwortung für lässliche und schwere Sünden durch Bezahlung abzugeben. Luther reagierte auf diesen Vorfall entsetzt und sofort. Den Ablassbrief deutete er öffentlich als Gnadenmissbrauch. Luther argumentierte, dass keinem Menschen auf Erden von Christus die Gnade zuteilwerden kann, von Sünden zu erlösen. Luther nennt den Papst seitdem »Antichrist«. Damit erkennt er ihm die Führungsrolle in der gesamten christlichen Welt ab. Macht haben nach seiner Auffassung nur noch weltliche Herrscher. Es kommt zum Bruch mit dem Papst. Umgehend verhängt Leo X. gegen Luther die Bannbulle. Doch Luther ist mutig. Er verbrennt sie öffentlich vor dem Wittenberger Stadttor. Kaiser Karl V. lädt ihn 1521 zum Vortrag in den Wormser Reichstag ein. Luther schwört nicht ab. Deswegen wird er zum Ketzer verurteilt. Danach kommt es in Leipzig noch zu einem Disput mit dem altgläubigen Theologen Johannes Eck. Die Todesgefahr für Luther war ähnlich hoch wie vormals für Jan Hus. An dieser Stelle greift der Wettiner Kurfürst Friedrich der Weise mit Sitz in Torgau ein. Er lässt Luther dem Anschein nach gefangen nehmen. Unter dem Decknamen »Junker Jörg« kann Luther ein Jahr auf der Wartburg verbringen. In dieser Zeit übersetzt er das Neue Testament in die deutsche Sprache. Das war die Ausgangssituation für den Welterfolg der Reformation, die in fast allen europäischen Ländern Nachfolge fand. Unüberschaubar sind die Forschungsergebnisse über die Lutherzeit. Urteile über Luthers Persönlichkeit und dessen weltbewegendes Werk differieren erheblich. Dasselbe trifft auch auf seine Dienstherren zu, die sächsischen Landesfürsten, die sich früh gegen die Papstkirche entschieden und dem Protestantismus verschrieben, ebenso aber auch auf die altgläubigen Parteien mit Kaiser Karl V. an der Spitze. Es gibt keine klare Abgrenzung von Reformatoren und Kaisertreuen. Warum ist das so? Eine Ursache liegt in der Wissenschaftsgeschichte. Sie hat die Erforschung der Primärquellen von der langen Rezeptionsgeschichte Luthers getrennt. Eine Leistung universitärer Geschichtsschreibung seit dem späten 19. Jahrhundert. So kann sie viele Methoden zu Epochendarstellungen und Theorien über historische Persönlichkeiten anbieten. Archivstudien und die Nachwirkungen der Reformation führen in verschiedene Richtungen mit kontroversen Ergebnissen. Unsere Urteile speisen sich jedoch vorwiegend aus der Nachgeschichte Luthers, kaum aus den Quellen. Diese beiden Zugänge zur Lutherproblematik fordern Historiker heraus, erst recht aber alle anderen. Beispiel: Die altsächsische, die preußische und die europäische Geschichtsschreibung implizieren kontroverse politische Interessen. Urteile reichen über Luther vom Fürstenknecht bis hin zum Garanten von Staatsfrieden. Der Albertiner Herzog Moritz wird als Verfechter der Reformation angesehen und zugleich als ihr Verräter, der »Judas von Meißen«. Diese Widersprüche gelten auch für die Urteile über alle kriegerischen Abläufe der Reformationszeit. Die Reformation war eine Glaubenserneuerung; von Geistlichen ausgetragen, brach sie in alle gesellschaftlichen Ebenen ein. Es bietet sich an, die komplexe Gestalt Luthers als Mönch, Theologe, Starpublizist, Universitätsprofessor, Ehemann und Untertan konsequent in seine Lebenszeit zurückzustellen, so dass dieselbe aus ihren Kontexten erklärt werden kann. Jedenfalls sind die Veranstalter der Ersten Nationalen Sonderausstellung »Luther und die Fürsten«, die Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden, in ihrer Torgauer Präsentation und die Katalogverfasser so vorgegangen. Was sich an der Dresdener Methode auf den ersten Blick bescheiden ausnimmt, erfüllt in der Tat höchste Ansprüche. Geschliffene Fachkenntnis ist zu bestaunen. Das Ergebnis überzeugt. »Luther und die Fürsten – Selbstdarstellung und Selbstverständnis des Herrschers im Zeitalter der Reformation«, 1. Nationale Sonderausstellung zum 500. Reformationsjubiläum, Torgau, Schloss Hartenfels bis 31. Oktober; Katalog und Aufsatzband, Staatliche Kunstsammlungen Dresden (Hg.), Sandstein Verlag, 360 und 350 Seiten, je 38 €, zusammen im Schuber 62 €
Erschienen in Ossietzky 18/2015 |
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