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Der deutsche Staat profitiert also per saldo von der griechischen Pleite. Zahlen müssen aber auch all die Sparer, Anleger und Renteneinzahler, die durch die niedrigen Zinsen für deutsche Anleihen Geld verlieren. Und dazu kommen weitere Staatspleiten und Wirtschaftskrisen: Die US-ukrainische Finanzministerin fordert von den Gläubigern einen Schuldenschnitt von mindestens 40 Prozent – und zwar schnell. Denn sonst könne die Ukraine die im September fälligen Zinsen nicht zahlen. Und die US-Halbkolonie Puerto Rico kann bereits jetzt fällige Kredite nicht tilgen. Das Land hat 72 Milliarden Dollar Schulden. Insolvenz kann Puerto Rico aber nicht anmelden, weil es mit den USA zwar »assoziiert«, aber kein Bundesstaat ist. Puerto Rico darf keine eigene Außenpolitik machen und hat keine eigene Währung. 56 Prozent der Kinder dort leben in Armut und Unterentwicklung. (Soviel zu den Forderungen der USA zur »Befreiung« anderer Völker.) Die Gläubiger müssen sich auf lange Verhandlungen einstellen, die Puerto Ricaner auf noch mehr Armut. Und dann rutscht auch noch die chinesische Währung ab, was chinesische Waren für den Export verbilligt und Importe verteuert, woraufhin der Dax nachgab. Japans Wirtschaft schrumpfte im zweiten Quartal und erholt sich immer noch nicht aus ihrer Depression. Die deutsche Landwirtschaft klagt nicht nur über Ernteeinbußen, sondern auch über Exporteinbußen wegen der Sanktionen gegen Russland. Das wiederum geht dazu über, »illegale« Importe zu vernichten. Der Wirtschaftskrieg jeder gegen jeden nimmt heiße Formen an. Wie der Krieg gegen Syrien. Die Türkei und USA errichten eine »Schutzzone« im Norden Syriens. Die sogenannten gemäßigten Rebellen gegen die syrische Regierung sollen unterstützt werden. Die syrische Regierung kann dann aber auch nicht mehr gegen den »Islamischen Staat« vorgehen, und erstmals greifen US-Truppen direkt in Syrien ein. Syrien hat allerdings nicht, wie Libyen, danach verlangt. Die libysche Regierung hat die westlichen Staaten nämlich gebeten, ihr Land zu bombardieren, um der Rebellen Herr zu werden. Vorbildlich! Demnächst will auch die ukrainische Regierung ihrer Rebellen Herr werden: Die Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses des Parlaments in Kiew, Ganna Gopko, erklärte, die Ukraine habe das Minsker Abkommen seinerzeit nur unter dem Zwang der Umstände unterzeichnet, um Zeit für eine Umgruppierung und Verstärkung der eigenen Truppen zu gewinnen. Beides sei nun erreicht (junge Welt, 18.8.15). Und daher ist das Minsker Abkommen nun so gut wie tot. Abkommen sind nämlich immer nur von den anderen einzuhalten. Es gibt also mehrere Gründe, bleich zu werden, trotz Hitzewelle und Sonnenschein in Deutschland. Besser wäre es allerdings, nicht bleich, sondern rot zu werden. Auch vor Scham: Die Bolivarische Allianz für die Völker unseres Amerikas (ALBA) will den Flüchtlingen helfen, die über das Mittelmeer nach Europa fliehen. »Wir müssen ihnen die Hand geben, … denn sie fliehen vor Hunger und Elend«, sagte Nicolás Maduro, Präsident Venezuelas (jW, 12.8.15). Bestandteil des Notprogramms sind Investitionen zum Ausbau des Gesundheitssystems und der Lebensmittelversorgung sowie der Bildung und Ausbildung in Afrika. Eine Lektion für europäische Regierungen. Eine Lektion für die kommunalen Arbeitgeber war die Ablehnung der Schlichtungsergebnisse durch die Mitglieder der Gewerkschaften ver.di, GEW und dbb. Sie haben gegen den Schlichterspruch für Erzieherinnen und Sozialarbeiter gestimmt. Es gibt also neue Verhandlungen, aber die Kommunen weigern sich, ein besseres Angebot zu machen. Daher wird wohl ab Oktober wieder gestreikt werden. So schnell lassen sich die Beschäftigten offenbar nicht von ihrem Ziel abbringen, sich ihre Arbeit angemessen bezahlen zu lassen. Daran ist selbstverständlich die Gewerkschaft schuld. Der ehemalige Vorsitzende der ÖTV, Herbert Mai, wirft der ver.di-Führung vor, die Mitglieder in einen Tarifkampf geführt zu haben, der nicht gewonnen werden kann. Vielleicht belehren ihn ja die kämpferischen Erzieherinnen eines Besseren? Eines Schlechteren belehrt wurde die Öffentlichkeit vom Tagesspiegel. Entgegen Kanzlerin Merkels Behauptung, erst aus der Presse von der Anzeige des Verfassungsschutzes gegen netzpolitik.org wegen Landesverrats erfahren zu haben, enthüllte die Zeitung, Herr Maaßen habe bereits am 21. und 22. April über seine Anzeige im Bundeskanzleramt geplaudert. Wahrscheinlich hat Frau Merkel dann so etwas gesagt wie: »Mit mir wird es das nicht geben.« Wie bei der Maut, den Eurobonds und so weiter konnte Herr Maaßen dies aber als Zustimmung auffassen, denn die hatte es schon mehrfach nach solchen Statements der Bundeskanzlerin gegeben. Ja, inzwischen kann man bei Frau Merkel nur bei einem sicher sein: Was sie »zu meinen Lebzeiten« nicht dulden will, das kommt bestimmt. Was auch kommt, ist ein »Nationales Entsorgungsprogramm« für Atommüll. Immerhin über ein halbes Jahrhundert nach der ersten Inbetriebnahme kommerzieller deutscher Atomkraftwerke, die unaufhörlich strahlenden Abfall produzieren. Allerdings ist von »Entsorgung« in dem Papier gar nicht die Rede. Es geht um Lagerung. Wenn also endlich mal geklärt ist, wo und wie das hochgefährliche Zeug gelagert werden soll, ist es auch »entsorgt«? Nicht einmal thematisiert werden die Risiken der jetzigen Zwischenlagerung. Die Behälter sind nicht vor Anschlägen oder Flugzeugabstürzen gesichert und weisen inzwischen Beschädigungen auf. Zeit, nicht mehr nur bleich, sondern rot zu werden!
Erschienen in Ossietzky 17/2015 |
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