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Sie steht über jedem Gesetz, obwohl – oder weil – sie als einflussreichste Schaltstelle der globalisierten Finanzwelt gilt, als »Vatikan der Hochfinanz« (Branchenjargon). Was wie das Drehbuch zu einem düsteren Mysterythriller klingt, ist die Geschäftsgrundlage der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel (BIZ). Sie ist die Zentralbank der Zentralbanken, erstellt Analysen zur Wirtschaftslage und verwaltet einen Teil der Reserven der Europäischen Zentralbank EZB und der Federal Reserve der USA. Diese geheime Macht ist also nicht Phantasieprodukt einer Verschwörungstheorie, sondern ein Kernstück des ganz normalen Finanzkapitalismus. Gegründet wurde die Bank schon 1930, vorgeblich mit dem Ziel, die deutschen Reparationszahlungen aus dem Ersten Weltkrieg entsprechend dem Young-Plan zu überwachen. Die Zahlungen sollten eigentlich bis 1988 geleistet werden, aber Deutschland war 1931 zahlungsunfähig. Da ausländische Privatgläubiger eine Chance auf Rückzahlung nur bei Streichung der Reparationen sahen, wurde bei der Konferenz in Lausanne die Reparationsverpflichtung gegen Schuldverschreibungen aufgehoben. Diese wurden 1948 in Basel feierlich verbrannt. Das ursprüngliche Ziel hatte sich erledigt; aufgelöst wurde die BIZ dennoch nicht. Owen Young, der US-amerikanische Industrielle und Namensgeber des Reparationsplanes beschrieb bereits 1929 das wahre Leitbild der Bank (nach Wikipedia): Die Bank würde die Maschinerie des weltweiten Kapitalismus schmieren und so die Ausbreitung des Bolschewismus verhindern. Die BIZ ist ein privates globales Finanzsystem, das auf die Politik und die Wirtschaft eines jeden Landes beträchtlichen Einfluss nehmen kann. Kein Wunder, dass die »üblichen Verdächtigen« der Wall Street, also Rockefeller, Chase Manhatten und JP Morgan, von Anfang an beteiligt waren. Bald nach der Gründung der BIZ saßen im Aufsichtsrat nicht nur die Präsidenten der Bank of England und der Banca d´Italia, sondern auch der deutsche Reichsbankpräsident und Hitlers Kriegsfinanzminister Hjalmar Schacht einträchtig beisammen. Der Faschismus in Deutschland tat vertrauensvoller Zusammenarbeit und freundschaftlichen Verbindungen keinen Abbruch. Die BIZ hat in den Jahren 1933–45 Hitlers Kriegsmaschinerie unterstützt, unter anderem mit der Übereignung des geraubten Goldes der von Deutschland überfallenen Länder. Während des Krieges wurden Devisengeschäfte des Deutschen Reiches von der BIZ abgewickelt; die Geschäfte zwischen US-Konzernen und dem Reich liefen hervorragend. Der kritische Publizist Werner Rügemer merkt an (»Die Wertegemeinschaft der lupenreinen Hurensöhne«, hintergrund.de, Nov. 2013), dass etwa IBM und ITT für Hitlers Blitzkriege ebenso wertvolle Dienste geleistet haben wie für die Erfassung der Juden. Ohne die Rückendeckung von Roosevelt und Churchill wäre die intime Kooperation nicht möglich gewesen. Intime Kooperation zwischen Feinden? Haben nicht die USA und Großbritannien enorme Opfer auf sich genommen, um Deutschland und die Welt vom Faschismus zu befreien? Doch, aber offensichtlich spielte die von Owen Young genannte Zielvorstellung eine ebenso wichtige strategische Rolle: Die USA und GB wollten Hitler den Krieg gegen die Sowjetunion ermöglichen, also gegen die Macht, die den Kapitalismus bekämpfte – nicht zuletzt mit effektiver Unterstützung der BIZ. Heute charakterisiert sich die BIZ selbst als eine Bank mit der Mission, Zentralbanken in ihrem Streben nach finanzieller Stabilität zu dienen und die internationale Kooperation zu fördern – und dies immerhin bei Ländern mit geballter Wirtschaftskraft. Da sollten Fragen erlaubt sein nach der Effizienz dieses Strebens: Trägt sie dazu bei, die Welt gerechter, die Produktion nachhaltiger, die soziale Kluft geringer zu machen? Oder wenigstens dazu, Finanzkrisen zu verhindern und den – viele Millionen armer und notleidender Menschen bedrohenden – Zusammenbruch des Finanzkapitalismus zu vermeiden? Die Antwort ist bekannt. Zwar hatte der Chefökonom der BIZ noch 2008 vor der Anfälligkeit der Kreditmärkte und den Risiken der verbrieften Hypothekenkredite gewarnt – erfolglos. Wie konnte das passieren? Viel zu stark sind die Interessen der Bankmanager mit denen der Finanzindustrie verquickt. Ein Organigramm könnte die vielfältigen Verbindungen, die enge Vernetzung der Hauptakteure und Finanzinstitutionen verdeutlichen. Die intime Nähe von Banken, Politik und Bankenaufsicht ist ebenso skandalös wie gefährlich – selbstverständlich nicht für die Verantwortlichen, sondern für die breite Bevölkerung. Mario Draghi etwa war »Vizepräsident Europa«von Goldman Sachs (jener Beratungsfirma, die kurz vor Draghis Anstellung, nach allem, was bekannt ist, an der Verschleierung des tatsächlichen Zustands der griechischen Staatsfinanzen mitgewirkt hatte), bevor er Präsident der italienischen Nationalbank und schließlich – seit 2011 – der Europäischen Zentralbank wurde. Gleichzeitig ist er auch Vorstandsmitglied der BIZ. Die lobbykritische Organisation Corporate Europe Observatory (CEO) hat Beschwerde wegen unvermeidlicher Interessenkonflikte eingelegt, zumal Draghi auch noch Mitglied der ominösen Vereinigung G 30 ist, der Group of Thirty. Diese ist ein privates internationales Gremium, das von der Rockefeller-Stiftung gegründet wurde. Es sei eine Lobbyorganisation der Großbanken, so ein Vorwurf des CEO; der EZB-Präsident könne nicht die Interessen von Großbanken vertreten und sie gleichzeitig kontrollieren. Draghi ist offensichtlich und nicht überraschend anderer Meinung. Der Generaldirektor der BIZ, Jaime Caruana, ist ebenfalls Mitglied der G 30, wie auch zahlreiche hochrangige Vertreter von Goldman Sachs, JPMorgan Chase und Zentralbankchefs. Ein kurzer Blick aufInstitutionen wie die BIZ führt einerseits die unheimlich enge Verquickung von Finanzkapital und Politik vor Augen, und zwar sowohl in offiziellen staatlichen Gremien wie in privaten Thinktanks und Interessenverbänden, andererseits ihre durch keinerlei demokratische Legitimation getrübte Aktivität, die geheim abläuft und niemandem Rechenschaft ablegt – dem »Souverän« einer Demokratie schon gar nicht. Das Leben von Milliarden Menschen wird beherrscht von einem 0,1-Prozent-Imperium (vgl. Hans-Jürgen Krysmanski: »0,1 %. Das Imperium der Milliardäre«, Westend Verlag 2012), einem beängstigenden Elite-Netzwerk, das einzig und allein durch Kapitalbesitz legitimiert ist. Mit diesen Themen soll die Bevölkerung nicht behelligt werden; es genügt, wenn sie für die Kosten aufkommt. Literaturhinweis: Adam LeBor: »Der Turm zu Basel. BIZ – die Bank der Banken und ihre dunkle Geschichte«, übersetzt von Peter Stäuber, Rotpunktverlag, 344 Seiten, 29,90 €
Erschienen in Ossietzky 17/2015 |
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