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Unter dem Titel »Sachkapitalrenditen im historischen Vergleich – Deutschland im Abwärtstrend?« veröffentlichte in diesem Jahr Thomas Weiß, Referent im Ministerium für Arbeit und Soziales, in den WSI-Mitteilungen, dem Informationsdienst der Hans-Böckler-Stiftung, eine Untersuchung über die Entwicklung der Sachkapitalrenditen in Deutschland seit 1970. Das Datum ist gut gewählt, weil die marxistische Diskussion die 70er Jahre zunehmend als Ausgangspunkt der sich gegenwärtig entfaltenden Krise des Kapitalismus nimmt. Das zunehmende Erlahmen der inneren Dynamik kapitalistischer Ökonomien nahm damals zum ersten Mal krisenhaften Charakter an. Die Entfaltung der großen Krise, die nach Auslaufen der Wirtschaftswunderzeit im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg und das sogenannte fordistische Zeitalter fällig war, wurde zunächst rund drei Jahrzehnte durch massive Deregulierung aller Finanzmärkte und das damit verbundene Aufblühen privater Spekulation und danach – als dieses Hütchenspiel auf künftige Gewinne ins Wanken zu geraten drohte – durch die Übernahme privater Verbindlichkeiten durch die kapitalistischen Staaten auf die Zukunft vertagt. Es ist dem Mitarbeiter des Arbeitsministeriums zugute zu halten, dass er – wenn auch mit kritischer Distanz – die Marx’sche Entwicklung des Gesetzes vom tendenziellen Fall der Profitrate in seine Arbeit einbezieht, korrekt entwickelt und in einer umfangreichen Untersuchung das vorhandene Datenmaterial vor allem von 1971 bis 1998 für Westdeutschland und anschließend für ganz Deutschland dagegen spiegelt. Für die erste Etappe »erhöhte sich durch die Wiedervereinigung die Wertschöpfung, mehr noch der Kapitalbestand. Im Ergebnis liegt in der Industrie die Kapitalproduktivität ab 1991 deutlich niedriger als noch bis 1991 in der alten Bundesrepublik.« (WSI-Mitteilungen 4/2015, S. 283) Quasi en passant gibt seine Untersuchung auch eine Erklärung für die Notwendigkeit des von ihm so bezeichneten »Paradigmenwechsels« zwischen Keynesianismus und Neoliberalismus: »Bis 1982 geht die Kapitalproduktivität kräftig zurück, die Entwicklung danach lässt sich auch als Seitwärtsbewegung verstehen – mit schwach sinkender Tendenz.« Damit dürfte bei nüchterner Betrachtung klar sein, dass es keine Rückkehr zum Keynesianismus der 70er Jahre geben wird, denn der Neoliberalismus war die Antwort des Kapitals auf sinkende Profitraten. Wie die Daten seit diesem »Paradigmenwechsel«, der nur ein taktischer Variantenwechsel innerhalb des kapitalistischen Systems war, jedoch zeigen, »ist die Rentabilität (strukturbereinigt) mittlerweile deutlich niedriger als in früheren Jahrzehnten« (ebenda, S. 284). Der Autor nimmt sich auch das Zahlenmaterial seit 1949 noch einmal vor und kommt zu dem Schluss: »Der Rückgang der Kapitalproduktivität und Rentabilität lässt sich für die Bundesrepublik bis in die 1950er Jahre hinein zurückverfolgen.« Das Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate ist damit aus einem Ministerium der deutschen Bundesregierung heraus nun empirisch bestätigt. Der Fall der Profitrate und in der Tendenz – infolge des Herausdrängens der einzig wertbildenden Ware Arbeitskraft aus dem Produktionsprozess – auch der Profitmasse ist aber der Kern aller ökonomischen Krisenprozesse, die in immer dichterer Folge auf uns einstürzen. Die Instabilitäten der Finanzmärkte sind nicht Ursache, sondern nur Ausdruck dieser Prozesse im Kern des kapitalistischen Systems selbst und nehmen daher unvermeidlich und beständig zu. Die Basis des Systems – die Mehrwertproduktion – schrumpft. Und über der schrumpfenden Basis werden immer größere spekulative nichtstaatliche und staatliche Geld-Erwartungen an die künftige Mehrwertproduktion aufgebaut, um das Zusammenstürzen des Turmes aus uneinholbaren Forderungen in die Zukunft zu verschieben. Das zunehmende Zittern in den oberen Etagen des Systems erinnert jeden, der Kinder hat, an das Zittern eines Turmes aus Bauklötzen, der immer instabiler wird, je mehr Klötzchen auf die zu schmale Basis am Fundament geschichtet werden – bis irgendwann das Wedeln einer Kinderhand ausreicht, um alles zum Einsturz zu bringen und damit die fallende Tendenz in den in ihr angelegten stürzenden Fall zu verwandeln.
Erschienen in Ossietzky 17/2015 |
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