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Man wünschte sich, dass sie sich mit der gleichen Energie und Ausdauer einsetzen würden, um den Konflikt in der Ukraine einzudämmen und sich dem brandgefährlichen Kurs der USA, der NATO und der Kiewer Putschisten um Poroschenko, Jazenjuk und des sogenannten rechten Sektors entgegenzustellen. Doch nichts dergleichen geschieht. Im Gegenteil, USA-hörig tragen Berliner Regierende dazu bei, die Lage zu verschärfen und den Frieden auf dem europäischen Kontinent zu gefährden. Marschschritt für Marschschritt wird eine Situation angeheizt, die Europa, ja die Welt an den Rand eines unvorstellbaren Kriegsbrandes bringen kann. Gegenüber Griechenland schwingt die Merkel-Regierung die Peitsche, in der NATO unterwirft sie sich dem großen Zuchtmeister aus Übersee. Das letzte Treffen der Verteidigungsminister des Kriegspaktes Ende Juni in Brüssel hat es erneut anschaulich gezeigt, als diese ihr Bedrohungsszenario gegen Moskau weiter ausbauten. Die Minister mit dem irreführenden Namen beschlossen eine Aufstockung der NATO-Kräfte im Osten Europas und eine Verbesserung ihrer Fähigkeit, schnell gegenüber Russland vorgehen zu können. Die Kräfte der sogenannten Eingreiftruppe (NATO Response Force – NRF) sollen von 13.000 auf 40.000 verdreifacht werden. Ihre gegen Russland gerichtete »Speerspitze« mit rund 5.000 Soldaten, die derzeit von der Bundesrepublik und den Niederlanden geführt wird, soll innerhalb weniger Tage im Krisengebiet einsatzbereit sein. US-Kriegsminister Ashton Carter bestätigte die Absicht, schweres Militärgerät in den Baltenstaaten Estland, Lettland und Litauen sowie in Polen, Rumänien und Bulgarien nahe an der russischen Grenze zu lagern, um bei Kriegsbeginn keine Zeit zu verlieren. Gefordert wurde, die Rüstungsausgaben deutlich zu erhöhen. NATO-Generalsekretär Stoltenberg, der nicht nur das Amt seines Vorgängers Rasmussen, sondern immer mehr auch dessen kriegerische Rhetorik übernommen hat, fasste es in die Worte: »Wir müssen unsere Investitionen in die Verteidigung erhöhen, weil auch die Herausforderungen für unsere Sicherheit gestiegen sind.« Worin 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg diese »Herausforderungen« bestehen, darauf ging er nicht näher ein. Offenkundig hat Putin rings um die NATO-Staaten Stützpunkte errichtet, rücken seine Truppen immer näher an Washington und die anderen NATO-Metropolen heran, und die »Speerspitze« der russischen Armee wartet nur noch auf den Befehl loszuschlagen! Unsere Bundesverteidigungsministerin betrachtet die NATO-Kriegsvorbereitungen mit hausfraulicher Gelassenheit. Sie rechnet nicht einmal mit einem »Rückfall in den Kalten Krieg«. Am Rande des Brüsseler Treffens wusste sie auch den Grund: Damals hätten sich zwei Blöcke gegenübergestanden, heute sei die Welt durch die Globalisierung völlig verändert: »Wir sind rund um die Welt vernetzt, wir sind ökonomisch so miteinander verflochten, dass es eine Rückkehr zu Kaltem Krieg nicht geben kann und nicht geben darf.« Das hat das Röschen, so ihr Spitzname, schön gesagt. Aber das ändert leider nichts daran, dass wir uns längst wieder im Kalten Krieg befinden, der schnell zum heißen Krieg werden kann. Ein politisch erfahrener Mann, Ex-Kanzler Helmut Schmidt, hat es für »nicht völlig ausgeschlossen« erklärt, dass aus dem Machtkampf gegen Moskau sogar noch ein »heißer Krieg« wird. Doch Frau von der Leyen weiß es selbstverständlich besser. Deshalb ging sie öffentlich auf ein zentrales Thema der NATO-Beratung, das hinter verschlossenen Türen behandelt wurde, gar nicht erst ein. Wozu auch? Es ging doch lediglich um eine »Anpassung« der NATO-Nuklearstrategie. Worin diese »Anpassung« besteht, blieb im Dunklen. Keineswegs zufällig aber war es, dass das ukrainische Parlament drei Wochen vor Brüsseler Tagung auf Drängen Poroschenkos eine höchst brisante Gesetzesnovelle über »die Bedingungen der Streitkräfte anderer Staaten auf dem Territorium der Ukraine« in erster Lesung verabschiedete. Im Artikel 4 heißt es: »Potentielle Träger von Kernwaffen und anderen Arten von Massenvernichtungswaffen werden nach internationalen Abkommen der Ukraine für eine Stationierung auf Zeit in der Ukraine erlaubt, sofern die geeignete Steuerung hinsichtlich der Stationierung auf dem Territorium der Ukraine durch die Ukraine selbst gesichert ist.« Mit Hilfe dieses Gesetzes soll die Ukraine nicht nur durch die Hintertür de facto zu einem Mitglied der NATO, sondern zugleich auch vorgeschobenes Stationierungsgebiet für die Kernwaffen der USA werden. Mit dieser Gesetzesinitiative kommen die Kiewer Regierenden vor allem dem Drängen der Republikaner im US-Kongress entgegen, die, wie der Friedensforscher und Leiter des Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit, Otfried Nassauer, konstatierte, von Barack Obama fordern, möglichst bald Kernwaffen in Polen und anderen mittelosteuropäischen Staaten zu stationieren. Bereits im Januar hatten die Vorsitzenden der zuständigen Unterausschüsse im Repräsentantenhaus, Mike Turner und Mike Rogers, von der US-Regierung gefordert, detaillierte Informationen über dazu nutzbare Infrastruktur und die Kosten eines Ausbaues geeigneter Standorte mitzuteilen. Die von allen guten Geistern verlassenen ukrainischen Erfüllungsgehilfen Poroschenko und Jazenjuk bieten nun im vorauseilenden Gehorsam ihr Land für diese Stationierung an. Bemerkenswerterweise haben die bundesdeutschen Konzernmedien, die über jeden Pups adliger Zeitgenossen informieren, über dieses ungeheuerliche, gegen Russlands und Europas Sicherheit gerichtete Gesetz mit keinem Wort berichtet. Journalistisches Versehen, Zufall, kollektiver redaktioneller Blackout? Man muss keineswegs ein Schelm sein, um hinter dem Schweigen Arges, unvorstellbar Übles zu vermuten. Immerhin geht es um die Stationierung von nuklearen Massenvernichtungswaffen 500 Kilometer vor Moskau. Von dort aus könnten beispielsweise allein schon die veralteten atomaren Kurzstreckenraketen vom Typ Pershing I/IA das Raketenabwehrsystem und die Silos der russischen Interkontinentalraketen attackieren, die sich südöstlich der russischen Hauptstadt befinden. Es steht außer Zweifel, dass der Kreml eine Stationierung dieser oder anderer Atomraketen vor seiner Haustür als eine faktische Kriegserklärung betrachten würde, die nicht unbeantwortet bleiben könnte. Die Gefahr eines nuklearen Schlagabtausches würde schlagartig wachsen. Als die USA in den 1960-er Jahren Raketen in der Türkei und die Sowjetunion gleiche Waffensysteme auf Kuba stationierten, stand die Welt am Abgrund eines verheerenden Krieges. Damals gab es ein rotes Telefon und im Weißen Haus einen einsichtigen Präsidenten. Heute gibt es zwar wieder ein solches Telefon, aber wie weise der von abenteuerlichen Scharfmachern vom Schlage eines John McCain getriebene Friedensnobelpreisträger im Weißen Haus handeln würde, steht in den Sternen. Was die gegenwärtigen, von den USA inthronisierten Machthaber in der Ukraine und die Hasardeure in Washington ins Auge fassen, ist ein hochgefährliches Spiel, aber mit dem Feuer spielt man nicht, und schon gar nicht mit einem atomaren.
Erschienen in Ossietzky 16/2015 |
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